18. April 2020
Nun liegt die fünfte Wochen
Lockdown
hinter uns. Ich sehe im Kulturbereich, soweit das mein
vertrautes Milieu angeht, zwei wesentliche Richtungen, die
gerade deutlich hervortreten. 1) Die konzentrierte Arbeit.
2) Das quasi-revolutionäre Maulheldentum. Dieses Szenario
ist für sich schon einigermaßen antiquiert.
Ich hatte kürzlich auf Facebook notiert: "und wo wäre
nun das gelbe vom ei? inzwischen mehren sich die belege, daß wir
von diversem personal der kulturpolitik keine zeitgemäße
kulturpolitische kompetenz erwarten können. aber POLITIK gilt ja
seit der antike als ein wechselspiel zwischen ZWEI positionen:
staatskunst (funktionärswelt) und gemeinwesen
(zivilgesellschaft). da sollten wir also vielleicht selbst
langsam vorgaben machen und den öffentlichen diskurs darüber
voranbringen."
Auf der Bundesebene hat das politische Personal deutlich
gemacht, wie groß die Kluft zwischen ihnen und uns ist.
Was sollte man diesen Leuten zurufen?
Zuruf bewirkt da gar nichts. So viel wäre nun geklärt. Aus der Kulturabteilung des Landes
Steiermark erfahre ich davon, daß man ein „Dahoamsteirern“
zu feiern gedenkt und also eine Art zünftige Dahoamerei
für sinnvoll hält.
Ich halte es für eine
kulturpolitische Bankrotterklärung, wenn von dieser Stelle aus
Headlines wie „Steirer beweisen Heimatgefühl“ promotet
werden. Das sind Denkschemata des 19. Jahrhunderts, mit denen
man im 21. Jahrhundert mutmaßlich verlorengehen wird. [Quelle]
Fünfte Tele-Drink-Session zur
Verabschiedung einer Lockdown-Woche
Derlei inhaltliche Fehlleistungen fanden mit Anlauf
noch zusätzliche Tiefe, als etwa folgende Headline auftauchte:
„Auf Initiative der ‚Steirerkrone‘ schreibt das Kulturressort
des Landes Steiermark einen Kunstwettbewerb aus: Skulpturen an
öffentlichen Plätzen sollen die Nachwelt an die große Pandemie
erinnern.“ [Quelle]
Es ist mir vollkommen unbegreiflich,
auf welche Diskurse sich solche Arbeitsvorhaben stützen. Aber
ich bin überzeugt, es können keine relevanten Diskurse aus dem 21. Jahrhundert sein.
Doch vielleicht muß ich einsehen, daß sich auf jener Zeitebene
(voriges Jahrhundert) ein wesentlicher Teil steirischer Kulturschaffender
erreichen läßt.
Da lese ich inzwischen ja allerhand von
Underground und Widerstand und was es sonst
noch an bewährten Phrasen gibt, um die eigene Angst zu
besänftigen. Es ist wie laut pfeifend durch den finsteren Wald
zu gehen. Gut, individuelle Strategien zur Komplexitätsreduktion
und zur Angstminderung lassen keine Einwände zu. Das muß allen
nach eigener Facon freistehen.
Wer jetzt Kategorien wie
Underground und Widerstand bemüht, zeigt eine
völlig antiquierte Pose. So haben wir Ende der 1970er Jahre
gefühlt und argumentiert, als gerade das entstand, was wir heute
"freie Initiativenszene" nennen. Läuft das nun auf eine
Art soziokulturellen Kameradschaftsbund hinaus?
Solche Flausen öffentlich als kulturpolitische Strategien
auszugeben, das halte ich für ein Ärgernis und für eine
Absage an Zukunftsfähigkeit. Egal, solche konzeptuellen
Schwächen erledigen sich irgendwann von selbst, indem einfach
Gras darüber wächst.
-- [Epidemische
Optionen] [Für
eine nächste Kulturpolitik] -- |