12. April 2020
Ich hab manchmal Abstraktionsprobleme. Zeitverläufe können das
auslösen. Da helfen mir dann Notizen. Wenn ich am Samstag, dem
14. März 2020, meinen persönlichen Lockdown-Beginn markiert hab,
dann bedeutet Samstag, der 11. April 2020: nun sind vier Wochen
Knast mit Ausgang um.
Vier Wochen Lockdown sind durch
Schon nach der ersten Woche hatte ich das Bedürfnis, mit einigen
befreundeten Menschen diese Markierung zu begießen. Daran halte
ich fest. Bisher wurden daher drei Flaschen auf diesen
jeweiligen Augenblick verwendet: Samstag, 19:00 Uhr.
Einschub: Aktuell war ich so frei, mir drei Tage Trunkenheit
einzuräumen. Freitag bis Sonntag. Keine Sorge! Ich trinke nie
aus Kummer, sondern nur, wenn ich ein inneres Fest genießen
will. Diese Geschmäcker. Das leichte Taumeln der Sinne, auch
Sanftmut. Heiterkeit.
Es gab zwischendurch schon einmal
dezenten Tadel, wie ich denn angesichts der ernsten Lage so
manche seichte Schrulle hinaustragen könne. Das ist mit meinen
Worten gesagt, denn Menschen, die mich zurechtweisen möchten,
drücken das meist etwas ungeschliffener aus.
Seicht?
Lustig! Und nun sollte ich womöglich einige meiner Untiefen
geltend machen, um derlei zu entkräften? Es sieht ganz und gar
nicht danach aus, als ob das geschehen könnte. Mir fehlt das
Talent zum Büßer. Davon unabhängig empfinde ich Heuchler und
Frömmler als Provokation. Da kann man mit mir schnell Ärger
bekommen.
Meine Gesellschaft: eine frühe Arbeit von Christian
Eisenberger
Klärungsbedarf? Gerne! Ich finde das gerade zum Osterwochenende
sehr passend. In welchem Lager stand denn der Mann aus Nazareth?
Die Debatte darüber muß nicht neu geführt werden. Ich gehe davon
aus, daß er für Heuchler und Frömmler wie das schlechte Wetter
war. Ein Kälteschock.
Noch am Kreuz, angesichts der
grausamsten Folter, die jenes Rechtssystem damals für schwere
Fälle vorsah, stellte Jesus klar, daß ihm aufrechte Gauner mehr
zusagen als selbstgerechte Autoritäten. Genug davon!
Dieser Lockdown wird uns allerhand Klarheiten bringen. Daran
zweifle ich keinen Moment. Speziell das Kulturvölkchen erscheint
mir eben wie mit einer Stroboskoplampe beleuchtet, was allerhand
Bewegungsvarianten anschaulich macht.
Derzeit sieht man
die Trittbrettfahrer besser denn je. Und die Großmäuler. Die
Dampfplauderer sind in einer ganz eigentümlichen Akustik
geworfen. Damit meine ich jene, die sich in Arbeiten anderer
hineinschrauben, sich mittragen lassen. All jene, die
Gefälligkeitskonten bedenkenlos plündern, ohne selbst darauf je
etwas einzuzahlen.
Das erledigt sich unter den
derzeitigen Bedingungen in weiten Bereichen natürlich. Wie
interessant! Wer hat nun Kraft, Erfahrungen und Visionen, um
auch unter so widrigen Verhältnissen etwas zu gestalten? Wer hat
Themen, Inhalte und Kompetenzen zur Umsetzung? Wer sind die
Blender und die Posierer?
Der Lockdown wird sicher noch
etliche Zeit aufrecht bleiben. Die Pandemie wird uns noch weit
länger umgeben. Dann also kommenden Samstag wieder. Um 19:00
Uhr. Tele-Drink-Session. Auf das Leben! Auf die Poesie!
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