3. April 2020
Nur sagen, was man kann
Wie soll ich es
mir erklären, daß derzeit Leute aus meiner Umgebung, Menschen
ohne jedes Fachwissen über virologische Angelegenheiten, mit
kühnen Thesen hausieren, Unterstellungen verbreiten, ihrer
Umgebung apokalyptische Visionen zumuten, die zum Beispiel via
Social Media permanent ausgestreut werden?
Neuerdings
wird diese fatale Attitüde listig per Fragezeichen markiert.
„Gibt es doch keine Corona-Pandemie?“ So redet sich jemand
raus, um sich mit Nichtwissen hervorzutun: „Seht her, ich
bin ein kritischer Geist! Auch wenn ich noch nichts weiß, so
ahne ich etwas… für alle Fälle.“
Erstaunlich, wie
wenigen Leuten in meinem Milieu klar ist, daß man auf diese Art
präfaschistische Verhältnisse befördert, daß genau solcher
Obskurantismus ein wichtiges Gewürz ist, um Faschismus
aufzukochen.
Wie soll ich es mir also erklären? Ich mach
es jetzt mit Freud für die billigen Plätze. Oder, nein,
eigentlich wäre das jetzt eher Wilhelm Reich für zehn Cent:
Unbewältigte Autoritätskonflikte.
Solche Herzchen
trauen keinem kritischen Diskurs, keiner ausgehandelten
Expertise, sie fühlen lieber. Und dann raunen sie. Sie raunen
wie der Mann’sche Untertan, wie die Spießer und die
Herrenmenschen, auf welche Goebbels und Himmler bauen durften,
der Führer sowieso, sie ahnen, flüstern, unterstellen, behaupten
herum…
Kontraindikation
Ich bin
seit vielen Jahren von einem Milieu alter Hackler geprägt.
Menschen, die zwar in der Massenproduktion ihr Brot verdient
haben, dabei aber in Nischen die Tugenden des alten Handwerks
bevorzugen; bis heute, wo jeder, den ich näher kenne, seinen
Schuppen hat und an einem Projekt arbeitet. Handfertigkeit.
Probleme lösen. Tätig sein.
Nun könnte man von der
Ehre des Handwerks sprechen und vom Werkstolz,
wenn etwas gelungen ist. Man könnte sagen: eine Sache um
ihrer selbst Willen gut machen wollen. Aber so reden diese
Leute nicht.
Stattdessen heißt das: „Man sagt nur,
was man kann und man kann das, was man sagt.“ Punkt! Das
Großmaul, der Posierer, der Wichtigtuer und Schwätzer besteht
auf deren Terrain keine zehn Minuten. Wozu auch?
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