26. März 2020
Nein, weder bin ich furchtlos, noch unerschütterlich. Aber ich bin
Autor. Ich verwechsle den Zugang zu Medien und zum Publikum nicht
mit dem Zugang zu meiner Küche, in der ich gelegentlich mit
vertrauten Menschen eine Flasche leere und über das Leben rede; auch
darüber, was mich manchmal ängstigt.
Die Medienkanäle sind mir nicht Beichtstuhl oder Drama-Werkstatt.
Via Medien erzähle ich Geschichten. Das tut ein Autor gewöhnlich.
Was also über meine Medienzugänge nach draußen geht, ist Teil meiner
Arbeit, auch wenn man dabei manche biographische Momente
herausfiltern könnte. Aber es ist bloß Werk als Teil des Lebens und
noch nicht mein Leben.
Wenn die Prediger, die Propheten und
die Flagellanten auftauchen, heißt das seit über tausend Jahren: wir
stecken in Schwierigkeiten. Ich sehe ein obszönes Theater, in dem
mir via Social Media jeden Tag über 24 Stunden bittere Ereignisse
aus der ganzen Welt zugestellt werden. Was für ein törichter
Sozial-Exhibitionismus!
Manche posten derzeit überhaupt nur
Schreckensmeldungen. Weshalb? Weil ich selbst und allein nicht in
der Lage wäre, mir relevante Informationen zu beschaffen? Weil ich
als zu unreif gelten müßte, um die Prioritäten verfügbarer
Informationen angemessen zu ordnen? Weil man mir nicht zutrauen kann
zu selektieren?
Aber was selektieren? Mein Tag hat 24
Stunden, meine Kraft hat Grenzen, meine Kompetenzen schließen
einiges ein und vieles aus. Also muß ich entscheiden, welchen
Problemen ich mich zuwenden werde und über welche ich hinweggehe.
Ich bin nicht so arrogant, mich allem widmen zu wollen, sondern
kläre immer wieder neu, welchen Ausschnitt ich beachte und
bearbeite.
Das tue ich selbstverständlich unter Berücksichtigung meiner
Profession. Ich bin Künstler und es ist daher mein Job, die Sache
der Kunst weiterzutragen. Ich entscheide, und nur ich, was darüber
hinaus noch für mein Engagement in Frage kommt. Dazu brauche ich
keine Ratgeber, keine Marktschreier, keine Prediger, Propheten und
Flagellanten.
Hätten wir das nun geklärt? Ich entscheide und
ich verfüge über meine Ressourcen. In meinen langen Jahren des
Lebens als Freelancer hat sich eine Faustregel immer wieder bewährt:
Es redet nur mit, wer Verantwortung übernimmt.
Das heißt, es
gibt immer wieder Momente, wo ich einem Trittbrettfahrer deutlich
sagen muß: „Halt die Schnauze und schieb ab!“ Ich zahle
meine Rechnungen für diesen Modus. Die stellt das Zentralamt für
Eigenverantwortung regelmäßig aus.
Daher kommt auch meine
Attitüde. Wenn mir was schiefläuft, geht’s in den Graben; oft genug
auch vor Publikum. In solchen Phasen bin ich lieber mein eigener
Insolvenzverwalter. Und jedes Fiasko bietet die Gelegenheit, seine
Sinne wie seine Kriterien zu schärfen. Ende der Durchsage!
-- [Epidemische
Optionen] -- |