18. März 2020
Ich bin ziemlich beeindruckt, was die Natur alles auf Lager hat. Das
Virion wird erst zum Virus, wenn es einen Wirtskörper gefunden hat
und in eine fremde Zelle eindringen konnte. Virionen sind keine
Lebewesen mit eigenen Zellen und Stoffwechsel, sondern bloß
biologische Informationen. Sie existieren als derart minimalistische
Dinge, daß sie zur eigenen Reproduktion Komponenten aus der Zelle
des fremden Wirtskörpers brauchen.
Es gilt in der Wissenschaft noch nicht einmal als geklärt, wie die
Viren einst entstanden. Viren müssen also Zellen befallen, sonst
können sie sich nicht vermehren. Sie sind fähig, die
Informationslage in Zellen zu verändern. Sie verändern sich auch
selbst permanent.
Aber es gilt als geklärt, daß Seife, simple
Seife, jene schützende Lipidschicht der Viren, in welche
deren Erbgut verpackt ist, effizient angreift und zerstört. Nicht
Salzwasser, nicht Essig. Seife.
Dieses Know how kann man
ziemlich leicht erhalten, wenn es einem genügt, im Banalen zu
bleiben, anstatt sich durch Raunen, Flüstern, durch die Andeutung,
man verfüge über „Geheimwissen“, hervorzutun.
Im Süden
Italiens hört man manchmal diese Redensart: „Die Mutter der
Idioten ist immer schwanger.“ Im antiken Griechenland war
Idiot kein Schimpfwort, sondern bezeichnete bloß Menschen, die
sich nicht für die Welt, sondern nur für sich interessieren. (Diese
Pose macht zwangsläufig einen etwas knappen Horizont.).
Ich hab mich nun auf Facebook ein wenig umgesehen. In den letzten
Tagen schien mir einmal mehr, daß sensationelle Krisen in manchen
Menschen eine Mischung aus Voyeurismus und Wichtigtuerei auslösen.
Das war vor dem Internet-Zeitalter natürlich begrenzt, weil die
gängigen Medien Türhüter hatten, an denen man nicht ohne weiteres
vorbeikam.
Mit dem Web hat sich das völlig verändert. Viele
Sender, viele Empfänger. Kommunikation über ungezählte Kanäle. Ich
entdecke zum Beispiel, daß ein Wolfgang H. zitiert wird, der
völligen Blödsinn verbreitet. Er behauptet, das Coronavirus würde
sich auf dem Weg in die Lunge für vier Tage in der Kehle einnisten.
(Woher weiß er das?)
Dort, im eigenen Hals, könne man nun –
so Wolfgang H. - das Virus angeblich erledigen. Dazu bräuchte man
warmes Wasser, Salz und Essig. (Ebensogut könnte man jemandem eine
Knarre an den Kopf halten.) Dieser voyeuristische Wichtigtuer
beendet sein obszönes Heilsversprechen mit dem Satz: „Verbreiten
Sie diese Informationen, weil Sie jemanden mit diesen Informationen
retten können.“ (Da tippe ich dann schon auf einen strafbaren
Tatbestand, der geahndet werden könnte.)
Ein Michael B. ermahnte den Mann etwa: „…es ist schlichtweg
unverantwortlich, dubiose Kommentare zu verbreiten, welche die
Corona-Pandemie in irgendeiner Weise verharmlosen.“ Aber
Wolfgang H. bleibt bei einer Verantwortungslosigkeit, die einen
sprachlos macht.
Seine Antwort auf die Vorhaltung: „es
ist die Meinung von Dr. X. Y. (Von mir unkenntlich gemacht.
kru)...und die ist nicht von mir ins Netz gestellt...sondern habe
ich geteilt...es ist ein Interview von einer bekannten
Fernsehmoderatorin...“
Er will also eh nichts gesagt
haben, es war ja wer anderer, den er zitiert, um Panik zu mildern.
Ich bin ziemlich überrascht, wie uns ein eklatanter Mangel an
Medienkompetenz bei gleichzeitig freiem Zugriff auf Massenmedien nun
neben den Haß-Postern so flott einen nächsten gefährlichen Typen
beschert hat, den Bullshit-Bomber.
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