17. März 2020
Eos, die Göttin der Morgenröte, hat ihren eigenen Wagen,
mit dem sie täglich vor Sonnengott Helios herfährt, wenn er
übers Firmament zieht. Aber hier auf dem Boden der Tatsachen: um
6:00 Uhr morgens fuhr der Müllwagen vor. Natürlich werden viele, die
draußen ihren Job tun, nicht gefragt, ob ihnen das paßt. Ich kann
meinen Job in meinem Bunker machen, darf also Nutznießer solcher
Anstrengungen sein.
Später werde ich wieder meinen Rucksack nehmen, um für mehrere Tage
einzukaufen. Ich brauche mich bloß so zu verhalten, daß die Viren,
falls hierorts welche angekommen sind, nicht in meinen Körper
gelangen können.
Viren sind nur lebensnah, aber keine
Lebewesen, können also von sich aus nirgends hin. Sie müssen
transportiert und aufgenommen werden, um einen Wirtskörper zu
besetzen. Wir wissen derzeit viel, wie sich das nach Kräften
vermeiden läßt.
Ich bin dieser Tage schon gefragt worden,
weshalb ich mich via Web manchmal so zynisch zur Epidemie äußere.
Zynisch? Sicher nicht! Ironisch ja. Spöttisch auch. Aber auf keinen
Fall zynisch.
Leere Klopapier-Regale sind Ausdruck jener
Entgleisungen, die nach Ironie schreien. FPÖ-Politiker, die den
Zustand des Landes für Eigenwerbung nutzen und natürlich mit der
Flüchtlingsfrage verknüpfen (welches große Thema hätten sie sonst?),
zwingen zur Ironie. Die Trittbrettfahrer von Krisen haben sich
längst aufgeschwungen, um als Profiteure voranzukommen.
Dazu fügt sich ein Spektrum derer, die sich mit Anlauf als Dummköpfe
hervortun. Manche kombinieren beide Optionen, präsentieren sich als
dummdreiste Trittbrettfahrer. So einige Kräfte von Anonymus
Austria, die mich via Facebook wissen lassen, dieses
Virus sei angeblich nicht zufällig gekommen, „sondern wurde
gezielt und mit absicht freigesetzt“.
Wie alle
Sektenmitglieder des Obskurantismus machen sie aus ihrer
Unterstellung ein Raunen und wähnen sich auf der sicheren Seite,
indem sie zum Beispiel anfügen: „Echt oder Unecht?“ (Ja, da
wird „Unecht“ zum Hauptwort!)
Was solche drolligen Deppen
mangels komplexerer Weltsicht übersehen, ist die zentrale Erfahrung
unserer Kultur mit dem Kapitalismus. Wir haben den Faschismus und
den Stalinismus als Konzepte, um die Völker zu lenken, schon
abgehakt. Das ergibt einen zu hohen Bedarf an Wachmannschaften. Es
ist effizienter, die Menschen zu ihren eigenen Wächtern zu machen.
Der Faschismus hat gezeigt, die wachsende Korruption kleiner,
bevorzugter Kreise schafft zu viel Unmut im eigenen Volk, wenn man
Versprechen zur Teilhabe nicht einlöst. (Das wußten Feudalherren
schon Jahrtausende, die Buberln freilich nicht.)
Das Töten unliebsamer Leute nimmt dabei zu große Ausmaße an. Kriege,
um die Schwerindustrie am Laufen und deren Spitzenpersonal bei der
Stange zu halten, sind bei den reichen Gesellschaften nicht populär.
Das pflegen einige Regime dann an entlegenen Schauplätzen. Das
klappt vorzüglich, wie etwa das Beispiel Syrien zeigt, wo sich Iran
und Rußland Vorteile verschaffen, die China und den USA einiges klar
machen, Europa über die losgetretenen Wanderbewegungen
destabilisieren.
Das ist wiederum ein Geschäft, welches bei
uns von der FPÖ und ihren Genies mitbetrieben wird, indem sie ein
durchaus kontrollierbares Maß an illegalen Grenzübertritten zur
„illegalen Einwanderung“ umdeutet und Unruhe stiftet.
Das
bedeutet unter anderem, einige der aktuell tätigen Schnarchnasen von
Anonymus Austria haben nicht verstanden, daß jeder korrupte
Funktionär, egal in welchem Lager, a) Rechtssicherheit und b) ein
stabiles Land braucht, um die Früchte seiner Korruption genießen zu
können, sie allenfalls den eigenen Kindern zu vererben.
Es
wäre blanke Dummheit, ein Volk oder viele Völker gängeln und
abzocken zu wollen, indem man eine Pandemie riskiert. Das ist viel
zu kurzfristig gedacht. Es würde vielleicht als Raubzug klappen,
doch man hätte kaum gute Möglichkeiten, sich seiner Beute zu
erfreuen.
Wieviel bewährter sind dagegen doch die erprobten
Mittel des regierenden Kapitalismus in einer globalisierten Welt,
die möglichst stabil ist? Unser gesamtes Konsumverhalten ist ein
weit effizienterer Mechanismus als das Aufstellen von
Wachmannschaften.
Der Mix aus Medienstrategien, Propaganda,
einem angepaßten Bankenwesen und lukrativen Produktionsmethoden,
dazu leistungsfähige Netzwerke von Funktionseliten und die Sicherung
von Deutungshoheit, ergänzt um eine höchst potente
Unterhaltungsindustrie, sind in dieser Verbindung dem alten
Faschismus haushoch überlegen, wenn Völker bewirtschaftet werden
sollen.
Aber auch bei diesem aktuellen System wirkt, was
schon faschistische Staatenlenker der alten Art gefürchtet haben:
Ironie und Witz sind äußerst subversiv. Dazu könnten wir überdies
eine alte wie bewährte Waffe auspacken und ölen: gnadenlose
Sachkompetenz. Doch das macht mehr Arbeit als jegliche
Betroffenheitsgymnastik. Ich hab es gestern schon betont: Ich
glaube nicht an Slogans, nur an Erzählungen!
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