3. März 2020
Eigentlich wollte ich dieser Tage meine
Notizen zu jener merkwürdig zunehmenden Intellektuellenfeindlichkeit
fortschreiben. Eine Stimmung, die wie mit Fingern der Morgenröte auf
mir vertraute Terrains übergreift, sich in meiner Nähe einnistet.
Was ich damit meine? Das läßt sich
eigentlich vom Ethos mancher Handwerker, die ich schon lange kenne,
gut herleiten. Da gilt: Man sagt nur was man kann und man kann das,
was man sagt. Diese Haltung hat eine simple Bedingung. Jemand muß
sich ein Thema im mindesten Maß erschlossen, erarbeitet haben.
Andernfalls könnte man eher fragen als sagen.
Derzeit boomt
wieder das Fühlen von Umständen. Gefühltes. Oder, wie sich aktuell
sagen ließe, alternative Facts. Obwohl die Welt von interessanten
Ereignissen überquillt, finde ich kaum Gelegenheit zu anregenden
Debatten. Es dominiert Marktschreierei. Da wird also derzeit viel
gefühlt, viel gesagt. Gefühle sind aber nicht diskurstauglich, weil
selbstreferentiell und unanfechtbar.
Da war in
letzter Zeit so vieles zu fühlen. Je suis Charlie, Notre Dame
brennt, der Anschlag in Halle, Handke kriegt einen Nobelpreis, das
Coronavirus, Erdogan schickt uns eine neue Flüchtlingswelle… Und den
Brexit hab ich vergessen. Trump liefert sowieso immer. Wer will denn
all das und mehr kognitiv bewältigen und dann bearbeiten? Wie soll
das gehen?
Also: fühlen, was das Zeug hält! So
hatten es unsere Leute zuletzt besonders herzlich, als die Kanaille
Hitler an der Macht war. Dieser Mensch hat sich gerne auf die
Vorsehung berufen. So eine trübe Kategorie. Vorsehung. Die
konnte ja niemand befragen. Also gewissermaßen die Mutter aller
alternative Facts.
Wo hätte man
vorstellig werden sollen? Bei der Reichskulturkammer? Fragte man den
Portier: „Zur Vorsehung. Welches Zimmer, bitte?“ Erwiderte
der: „Was wollen Sie denn da?“ „Ach, ich hätte ein paar Fragen.“
Zack! Ticket nach Mauthausen.
Das hat sich
nicht bewährt. Ich bleib also bei dieser Empfehlung von Kant, die
freilich etwas antiquiert anmuten mag: Sich seines Verstandes ohne
Leitung eines anderen zu bedienen. [Quelle]
Selber denken und entscheiden, womit ich mich augenblicklich
befassen will, befassen kann, egal, was die Crowd derzeit für
vorrangig hält.
Doch bevor ich
diesem Themenstrang nun weiter folgen konnte, kam mit das mit der
Gewalt und der Sexualität in die Quere. Unmittelbarer Anlaß: die
Kampagne #unhatewomen. Dabei geht es
aktuell um Zitate von erfolgreichen Rappern, die Menschenverachtung
bewirtschaften, teilweise viel Geld bewegen und – wie ich höre – mit
ihren großmäuligen Posen einige Wirkung entfalten.
So kam ich auf
einen Aspekt dieser Geschichte, der auf Facebook sofort für
Diskussion sorgte. Sexualität und Gewalt: die zügellosen
Schwestern. Die Metapher soll sagen, ich halte jene
Kräftespiele in ihrer Herkunft für enge Verwandte und schätze sie
als grenzenlos ein. Wir müssen ihnen einen Rahmen geben, weil sie
selbst keine Limits haben. Ambivalenz und Abgründigkeit. Mäßigung
und Maßlosigkeit. Das Obszöne und unsere Reaktionen darauf.
Fazit: wenn
diese Woche um ist, werden wir den Auftakt einer Veranstaltungsreihe
zum Thema entworfen und festgelegt haben. Details folgen… |