3. Jänner 2020
Patriot und Purist
Nun feiern sich
pathetische Pessimisten als puristische Patrioten. Oder wie kann
ich mir diese nicht endenden Litaneien erklären? Zwischen all
dem, gut verteilt, soweit man „links“ und „rechts“ noch für ein
relevantes Koordinatensystem hält, die Zyniker.
Dieses
Brummen und Summen umgibt mich nun schon Monate, womöglich
Jahre, als würden Baumaschinen vor meinem Fenster beständig
baggern und ackern. Welche Abschätzigkeit hätten die
verschiedenen Lager einander noch nicht zugeschickt?
Österreich bekommt also nun eine Regierung, in der
rechtskonservative Kreise dominieren, weil die Wahlen das so
ermöglicht haben. (Sollte man nun Wahlen abschaffen?) Eine
Koalition der Schwarzen mit den Grünen scheint vorerst zu
gelingen. (Dem PR-Gag „Türkis“ verweigere ich mich.) Schon lese
ich davon, daß jemand „machtgeil“ sei.
Gestatten die
Frage: Kennen ihro Gnaden auch akzeptable Gründe, um ein
Regierungsamt anzustreben? Oder möchten wir daran festhalten,
dem politischen Personal ab nun nur noch moralische Defekte zu
unterstellen, was ein guter Beitrag wäre, redliche Leute vom
Feld der Politik zu verjagen?
Dieser Tage las ich von
einem Grünwähler, diese Koalition mit einigen ihrer Details
fühle sich an, als habe man ihm „ins Gesicht gespuckt“. Das
nenne ich pathetisch. Und es ist eine brüskierende Anmaßung.
Mir gefallen Leute mit Potential zum Sündenfall, bei
leistungsstarker Kontrolle durch diverse Institutionen (Z.B.:
die Vierte Gewalt), weit besser als heuchelnde Mönche. Weshalb
meint denn so ein Seelchen, eine an Mandaten schwächere Partei
müsse in einer Koalition a) genau seinen Erwartungen entsprechen
und b) möglichst ohne jede Widersprüchlichkeit, vor allem c)
ohne Sündenfall sein?
Was für eine deprimierende
Spießer-Phantasie, die sich Realpolitik in solcher „Reinheit“
träumt. Was für ein irrationales Konzept der Selbstüberhöhung,
sich nun angespuckt und beleidigt zu fühlen, weil eine
Gruppierung, die man gewählt hat, nicht in allen Punkten so
praktiziert, wie man es sich vorstellt.
Da sind ja
Strache-Fans noch kohärenter, die ihrem Idol anhängen, ganz
egal, was der Kerl treibt. Das ist in seiner Vernunftfreiheit
wenigstens schlüssig. Auf die Art hängt man ja auch einem
Fußballverein an, egal, was der treibt.
Das klingt dann
zum Beispiel so: „Panzer rollen durch Afghanistan, Panzer rollen
durch Madrid, seht Euch die Green Army an, alles zittert vor
Rapid.“ Wahlweise: „Eine Frau für eine Nacht, Rapid fürs ganze
Leben!“ Da weiß ich dann, daß die Mutter der Deppen wieder
einmal schwanger war und kenn mich aus, finde mich zurecht.
Aber diese pathetischen Pessimisten als puristische
Patrioten, diese ewig Wehklagenden und Räsonierenden, denen
offenbar jede Partei in der Regierung recht ist, um
Abschätzigkeiten zu verbreiten, wenn das derzeit das letzte
Aufgebot unserer Demokratie wäre, würde ich mir eventuell eine
Knarre beschaffen.
[Eine
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