21.
November 2019
zauberzähren
gelegentlich werden mir texte angeboten, manche geradezu
angedient. „Freundlicherweise sende ich Ihnen meinen Text,
den Sie gern auf Ihren Seiten veröffentlichen können.“
können ja. aber wollen? (zum glück nicht müssen.)
„die anmutige Fee in aller Winter-Herrgottsfrühe / weint / der
Winterregen in Gestalt von Zauberzähren fällt hinab / er ist in
Musenträumen zu verzaubern / der Hirtenjunge hört den
tränchenholden Regen zärter prasseln“.
ist das
satire? ein soziales experiment? ein attentat?
„die
gutmütige Nixe am Weihnachtsmorgen / weint / der Winterregen in
Form von Zaubertränen fällt herab / er wird in Musenseelen
verzaubert / das Falknerkind probiert diese Regentropfen“.
bedaure! da wird mir zu viel geweint und gezaubert. ich
ahne, es hat jemand das, was er für poetische wohlfühlwörter
hält, von kalenderblättern und andachtsbildchen abgekratzt, um
daraus gedanken-bonbons zu schmieden. doch dann…
„Mein
Traummanifest unterm bestirnten Himmel – kometenwärts“.
natürlich ist der himmel bestirnt. wo sonst sollten sie den
sein, die sterne? aber:
„Achtung: Dieses Manifest hegt
in sich eine Zauberkraft“, die nun nach mir greift, mich zu
packen versucht. es wird also politisch. diese zeile geht so
weiter: „das kommunistische Manifest (1847/48) und seine
Nachfolger in Form von / ostkommunistischen Staaten endgülig
entkräften zu können. / Es brenne ein Friedenslagerfeuer!“
nein, satire ist es nicht. drängt mir da einer seinen
obskurantismus auf, seine privatmythologien? ist das bloß ein
idiot, aus dem geltungsbedürfnis hervorquillt? muß ich bei mir
selbst herablassung vermuten, wenn mir diese zusendung auf die
nerven geht?
„Ich bin ein Teil der rosa Ewigkeit. /
Ich verzaubere die dichterischen Gestirne. / Ich träume mit
Melacholiegeistern. / Ich bin ein Zauberer vom Morgenrot. / Mein
Fittich heißt Apoll…“
so also antwortet pawel m. auf
das kommunistische manifest. das heißt, der mann liest nichts,
aber er schreibt. er hat überdies das bedürfnis, seine
persönliche unfähigkeit zur reflexion auch zu publizieren.
zeitgeschichte ist ihm schnurz, laufende diskurse kennt er
nicht. er dichtet.
das wären dann sozusagen
alternative facts in der poesie. pawel hat nichts zu sagen,
beherrscht keinen sprachrhythmus, zeigt keine originelle
wortwahl, berauscht sich an floskeln, die er offenbar für schöne
worte hält und was er für schön hält, scheint ihm poesie zu
sein.
„Ich bin so verzaubert so verträumt. / Ich bin
ein Himmelsträumer. / Ich bin in die schönste Schwärmerei
gehüllt. / Mein Traum verzaubert die holde Welt. / In meinen
Flügeln lebt ein Zaubertraum. / Meine Flügel vermögen zu
zaubern. / Ich mag meine Träume.“
es wirkt ein wenig,
als würde man sich mit einem gummi-hammer, der in glitzer
getaucht wurde, auf den kopf hauen. bitte schickt mir keine
gedichte!
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