Kohle
und Stahl. In meinen Kindertagen waren diese Motive immer
irgendwie präsent. Durchschimmernd. Die Kroatin Julka, eine
meiner Großmütter, eine warmherzige, kettenrauchende Frau,
die ihre Leben im weststeirischen Bergbau-Ort Köflach beendete, war auf
ihrem letzten Weg von einer Knappenkapelle begleitet worden.
Männer in imponierenden Trachten. Markante Kopfbedeckungen.
Die glänzenden Messingknöpfe im Kontrast zum schwarzen Tuch.
Damals wußte ich noch
nichts vom Leben der Bergleute. Julka hat nie von ihren
schwersten Stunden erzählt, auch nicht davon, wie sie aus
der Untersteiermark in dieses Bergbaugebiet gekommen war. Es
gab bloß ein Raunen in der Familie, da ihr Mann Karl,
mein Großvater, nach Kriegsende von Partisanen verschleppt
und totgeschlagen worden sei.
Damals wußte ich noch
nichts davon, wie die Nazi ab 1941 auf dem Balkan gewütet
hatten, kroatische Ustaschen als ihre Dienstboten,
und was da sonst noch so einander in die Quere kam. Kohle
und Stahl. Einige Jahre davor, als unsere Leute 1914 gegen
Serbien loszogen, wurden sie zu den ersten Aggressoren in
einer Eskalation, die sich zum Großen Krieg auswuchs.
Damals hatten selbst kriegserprobte Kommandeure keine
Ahnung, welchen Schrecken ein umfassend mechanisierter Krieg
über alle Beteiligten bringt. Das geschah unter der kalten
Sonne der Habsburger. Folgt man den Kommentaren relevanter
Autoren jener Tage, erscheint Kaiser Franz Joseph als eine
entsetzliche Fehlbesetzung in Europas Politik, vollkommen
unfähig zu regieren.
Das hatte sich schon im
19. Jahrhundert gezeigt, als der Monarch außerstande schien,
hochgehende Konflikte zwischen seinen Völkern zu regeln, von
denen etliche unfaßbar banal waren; wie etwa die dreiste
Weigerung eines deutschsprachigen Teils der Verwaltung, in
Böhmen und Mähren innerhalb von vier Jahren eine
zweisprachige Amtsführung zu ermöglichen, also Deutsch und
Tschechisch zu beherrschen.
Das ging mir alles so
durch den Kopf, als ich auf der Bahnstrecke nach Judenburg
darüber gestaunt habe, daß man kein Klackern mehr hört, wo
früher die unzähligen Räder der Waggons über die
Dehnungsfugen der Schienen rollten.
Ich
war auf dem Weg in das dortige Puchmuseum. Die
"Lange Nacht
der Museen" stand an, Judenburgs Marketing-Boss Heinz
Mitteregger hatte mich eingeladen, einen Vortrag zur
Kulturgeschichte des Steyr-Puch Haflinger zu halten und mein
Buch vorzustellen.
Kohle und Stahl. Die Hauptmedien der ersten und zweiten
industriellen Revolution. Wer das 20. Jahrhundert begreifen
möchte, kann über diese Kräftespiele nicht hinwegsehen.
Dadurch sollten uns die aktuellen Umbrüche verständlich
werden. Das alles hat auch seine Entsprechungen in privaten
Familiengeschichten, bildet sich in persönlichen
Angelegenheiten ab…
-- [Die
Judenburg-Session] --