18. August 2019
Eine Woche nach dem letzten Eintrag hab
ich meine Eindrücke und Gedanken aus den vergangenen Tagen noch nicht
einmal annähernd geordnet. Das ist die gute Nachricht, denn da
hatte sich eine Fülle entfaltet. Und es haben sich einige
Klarheiten finden lassen. Das war mit einem kühlen Drink zu
quittieren.
Aber die Politik! Wie lustig ist jemand,
der mir vorschlägt, einer Facebook-Gruppe "PRO
Sebastian Kurz" beizutreten? (Siehe nächstes Foto!) Ich bin
nicht geneigt, mich auch nur irgendeiner politisch orientierten
Pro-Gruppe anzuschließen. Als antiquiertes
Wesen sehe ich mich in der Tradition von Emile Zola, wonach der
Intellektuelle seine Stimme in öffentlichen Diskursen erhebt,
ohne dazu aufgerufen oder durch Gruppenzugehörigkeit legitimiert
zu sein. Ich bin ein Teil der Vierten Gewalt
im Staat. Das ist meine Legitimation. Und
manchmal kommentiere ich aktuelles Geschehen. Zum Beispiel Mario
Lindner, Abgeordneter zum Nationalrat und Gewerkschafter. Der ließ
mich eben per Tweet wissen: „So jemanden, wie unsere Pam muss
man einfach erlebt haben. Eine Frau, die in Wien genauso
authentisch rüberkommt wie am traditionelle Bierempfang in
Altaussee.“
Damit kommentierte er einen abenteuerlichen
Videoclip, der zeigt, wie seine Favoritin mit einem
Dirigentenstab herumstümpert. Was soll ich mir denken, daß eine
prominente Sozialdemokratin ausgerechnet den Radetzkymarsch zu dirigieren
versucht? Ich denke mir, daß sie in historischen Fragen
womöglich bewußtlos ist.
Dieses Werk von Johann Strauss Vater ehrt
Johann Joseph Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz,
einen braven Vasallen des nutzlosesten österreichischen
Monarchen, der mir auf Anhieb einfällt.
Oder könnte mir
jemand sagen, dank welcher historischen Aktivität man Kaiser
Franz Joseph I. mit Respekt gedenken sollte? Ich hab dazu keine
Idee. Schauplatzwechsel. Sebastian Kurz, der gerne wieder unser
Kanzler wäre, demonstriert, daß ihm das Prinzip der
Gewaltenteilung nicht geheuer ist. Er könnte diese grundlegende
Bedingung von Demokratie begrüßen. Statt dessen: „Die ÖVP stellt
die Arbeit der Justiz in Frage, greift Ermittlungsergebnissen
vor, unterstellt der Staatsanwaltschaft Parteilichkeit und
Willkür.“ [Quelle]
Kurz, der von evidenten Fehlleistungen seiner
Koalitionspartner in der FPÖ nie etwas gewußt, folglich unter
diesen Leuten gelitten hat, kommt langsam in Verzug, uns als der
Ehrenmann gegenüberzutreten, den uns sein Team an die Wand malt.
Derweil unterhält uns Hace Strache mit neuen Aufführungen
seiner Selbstergriffenheit. Da ist keinerlei Bereitschaft, auch
nur irgendwie wahrzunehmen, was er uns im Ibiza-Video an
krimineller Energie offengelegt hat. All das bedeckt er samt
seiner Entourage mit Ausreden. Man habe ihn hintergangen, unter
Drogen gesetzt, außerdem sei ja nicht geschehen, was man im
Video hören kann.
Ich würde jeden Geschäfts- oder
Projektpartner zum Teufel jagen, wenn er mir solche Chuzpe
zumutet. Jeder Freund, der mir so was servieren möchte, wäre
umgehend mein Freund gewesen. Weshalb? Ich kann die Redlichkeit
einer Person bloß daran bemessen, was der Mensch an Balance
zwischen seinem Denken, Reden und Tun sichtbar macht.
Wie
hat mich ÖVP-Promi Andreas Khol überrascht, als er in einer
ORF-Gesprächsrunde beteuerte, niemand sei mit Strache so streng
ins Gericht gegangen wie Strache selbst. Muß ich wirklich
annehmen, daß dieser langgediente Routinier österreichsicher
Politik selbst glaubt, was er da geäußert hat? Soll ich glauben
das sei nicht strategisch begründet gewesen?
Klar, ich
bin hier der Dorfdepp! (Thomas Götz meinte heute in der Kleinen
Zeitung: „Irgendwer wird Heinz Christian Strache sagen müssen,
dass seine politische Karriere zu Ende ist“.)
(Quelle:
Kleine Zeitung, 18.8.2019)
Karl
Schwarzenberg hat mir heute bei der Orientierung etwas geholfen.
Ich denke, sein Rang als christlich-sozialer Politiker steht
außer Diskussion und sein Augenmaß reicht für den Blick über die
Grenzen von Zwergstaaten hinaus, um eine europäische Dimension
zu fassen.
Die Kleine Zeitung brachte heute ein Gespräch,
das Manuela Tschida-Swoboda mit Schwarzenberg geführt hat. Dabei
stellte er der ÖVP einen Befund aus, der sehr zu denken gibt.
Was Strache und Gudenus angeht, meint der Politiker, man müßte
sie wegen Dummheit einsperren, denn es habe ihn „am meisten
erschüttert, dass sie so stupende blöd san“.
Aber wie
schon gesagt, das war dem Herrn Kurz mit seinen klaren Augen und
dem hellen Blick alles nicht klar. Er hat sehr gelitten.
(Operette sich, wer kann!)
Post Scriptum: Schließlich am
Abend noch eine Meldung, die an Chuzpe kaum zu überbieten ist:
"Hofer betrachtet Strache-Aussagen zu Ibiza-Video als Privatmeinung" [Quelle]
-- [Ein
Feuilleton] -- |