7. Juli 2019Momentan faszinieren mich gerade
Felszeichnungen aus der Bronzezeit,
auf denen Langschiffe dargestellt sind. Vor allem diese stark
abstrahierten Motive. Ich denke, die folgende Arbeit stammt aus
Bornholm in Schweden.
Diese Ära bietet eine sehr spezielle Besonderheit.
Mecklenburg Vorpommern wird von einem Fluß namens Tollense
durchzogen. Im Tollensetal fand während der Bronzezeit die erste Schlacht Europas, von der wir heute wissen, statt.
Es ist bisher noch völlig unklar, weshalb sich in so einem dünn besiedelten Gebiet plötzlich gut bewaffnete und trainierte Kombattanten zu mutmaßlich mehreren Tausend eingefunden hatten,
worauf ein beispielloses Schlachten anfing.
Auch berittene Kräfte kamen zum Einsatz, wurden überdies in
Felszeichnungen dargestellt. Außerdem zeigten etliche Skelette
Kampfspuren, die annehmen lassen, daß Reiter vom Boden aus
attackiert und verletzt wurden.
Später fanden jene neolithischen Massaker statt, die uns ebenfalls bis heute Rätsel aufgeben. Eines davon ereignete sich in Österreich, ist mit dem Namen Schletz verknüpft, einem Ortsteil von Asparn an der Zaya. Ich hab das in einigen Einträgen im Jänner 2018 notiert, siehe zum Beispiel: [link]
(Foto: QbA, CC BY-SA 3.0)
Es gibt quer durch Europa eine ganze Reihe solcher
Massengräber und Fundstellen. Steinzeit, Eisenzeit, Bronzezeit, Neolithikum.
Also Schiffe!
(Von nder
Entwicklung der Karavellen hab ich hier 2017 schon erzählt.)
Nils-Axel Mörner und Bob G. Lind haben in einer Arbeit über „Astronomy and Sun Cult in the Swedish Bronze Age“ Felszeichnungen
aus Griechenland und Schweden verglichen: „Some of the Swedish rock-carvings of ships are so similar to pictures found in Greece that we may well term them ‚almost identical‘.“ Sie bieten dabei eine praktische kleine Übersicht jenes Zeitfensters.
(Grafik:
Mörner und Lind
Was diese Ära betrifft, hielten
die beiden fest: "In
Scandinavia, the Bronze Age started at 1750 BC and ended by 500
BC.“
Zu den Handelsbeziehungen
zwischen Süd und Nord meinten sie: "People from the Eastern Mediterranean came to Scandinavia in big ships via The Strait of Gibraltar and the North Sea. The ships were loaded with bronze." Auf
dem Rückweg brachten sie große Mengen von Bernstein mit. (Publikation:
International Journal of Astronomy and Astrophysics, Mai 2018)
Handel und Krieg, Wissenserwerb,
Kulturaustausch, Gewalttätigkeit, das ist alles verwoben. Darin
sehe ich ein Stück Hintergrundfolie für unsere regionale
Wissens- und Kulturarbeit, die abschnittweise dem Wechselspiel
zwischen "Kunst,
Wirtschaft
und
Wissenschaft" gewidmet ist. Siehe:
KWW!
Das wirft bei der aktuellen Spurensuche
Fragen auf, was
denn Schnittstellen und gemeinsame Quellen von
Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst seien; wobei
derzeit womöglich der Begriff
Volkskultur den meisten Klärungsbedarf aufwirft.
Dabei mag einleuchten, daß uns ein Blick auf frühe Formen
künstlerischen Ausdrucks einiges nützt. So ist etwa die Ära der
neolithischen Massaker eine Zeit, in der erhaltene
Linienbandkeramik uns Aufschluß gibt, wie sich symbolisches
Denken der Menschen damals ausgedrückt hat.
Linienbandkeramik
Einerseits bekommen wir auf dem Weg Eindrücke von der Genese der
bildenden Kunst, andrerseits zeigen uns diese alten Werke klar,
wie Abstraktion funktioniert, die in solcher Art bis heute in
der Kunst
Bedeutung
hat.
Es sind eben solche Arbeiten, wie auch zeitgenössische Werke,
von denen sich Schnösel gelegentlich gerne zur Behauptung
hinreißen lassen: "Das soll Kunst sein? Das kann ich auch!"
Mir muß man so eine Großspurigkeit dann beweisen, auf daß wir in
den meisten Fällen sehen: er oder sie kann es eben nicht.
Selbst schlicht anmutende Arbeiten, stark reduzierte Werke,
haben erst dann Dynamik und Eleganz, wenn die Hand geübt ist wie
auch die ästhetischen Erfahrungen hinreichen müssen.
Langschiff und Tier auf einer
Felszeichnung in Tanumshede, Schweden
Das ist eines der auffallenden Probleme kreativer Praktiken in
der Provinz. Da wird von unzähligen Leuten mit großer Kraft eher
an der Selbstdarstellung, denn an den künstlerischen Fähigkeiten
gearbeitet, um einen Kunstbetrieb zu simulieren, der freilich
keinerlei kritische Diskurse zuläßt.
Das wäre unerheblich, würde es bloß private
Mittel beanspruchen. Doch es verbrennt auch öffentliche Gelder,
die gut investiert wären, würden sie für die primären Agenda
verwendet, statt für deren Simulation.
Bisher hat sich dieser Bruch nicht glätten
lassen, sondern wurde in letzter Zeit sogar noch vertieft.
Anders betrachtet: ein interessantes soziokulturelles Defizit,
das spannende Aufgaben bereitstell.