4. Mai 2019 Vorhin
dachte ich kurz: Wozu Brücken, wenn wir schwimmen können? Als wolle es ein
Gedicht werden, das aber vielleicht zu sehr an Ozeane denken ließe, die weder mit
Brücken noch mit Körperkraft zu bewältigen sind. Dazu braucht es Boote und damit
hinauszufahren verlangt viel Mut.
Ich war schon als Kind von den Karavellen
begeistert, die eine großartige Leistung menschlicher Kultur wurden, aber auch das
Unglück der Welt. Neue Rumpflinie, höhere Ladekapazität, so daß ausreichend Güter und
Kanonen an Bord sein konnten. Doch vor allem die Takelage mit dem für Europa ungewohnten
Segeltyp. (Wie kurios, daß man diese von den Arabern übernommene Takelage ausgerechnet Lateinersegel
nennt. Siehe dazu den Eintrag vom 31.
Jänner 2017!)
Mit den Karavellen wurde es auf einmal möglich,
große Schiffe kreuzen zu lassen, also gegen den Wind zu segeln. Damit war die Welt zur
Ausplünderung zurechtgerückt; anfangs für Portugiesen und Spanier. Aber ich hab hier
freilich den Fokus nicht auf das Plündern gerichtet, sonder auf diese Sehnsucht, über
den nächsten sichtbaren Horizont hinauszugelangen.
Dieses Metapherngewitter war mir gestern von der passenden
Wetterlage eingeleitet. Auf dem Weg nach Passail wurde der Himmel abschnittsweise so eng
wie die Klamm, durch die ich fahren mußte. Gewitterwolken haben eine sehr eigentümliche
Art das Licht zu schlucken.
Kommt man aus den bewaldeten Passagen heraus, wird der
Regen zum Klima, läßt sich fast einatmen. Der Anlaß für diesen Weg in die Nässe war
ein Jubiläumstreffen zum Sechziger des Steyr-Puch Haflinger. Als habe sich auf
der Alm materialisiert, woran ich nun seit gut einem Jahr intensiv arbeite; diese Nische
einer Volkskultur in der technischen Welt. Hier eine Notiz dazu: "Mechanischer Gaul" (Der Haflinger wird gefeiert) Eine
flüchtige Deutung von losen Enden des 20. Jahrhunderts.
Und weil es die passende Zeit für launige Kapriolen in
meinen Zuständen zu sein scheint, finde ich mich nun in einer Metapher dessen wieder, was
ich mir jüngst zum Arbeitsthema gemacht habe. Der Tesserakt ist eine
wunderschöne Idee von irritierender Räumlichkeit. Vielleicht sogar eine Analogie der
Raumschemata zu dem, was man sich unter einer Zeitmaschine vorstellen kann.
Du befindest dich nie bloß an nur einem Ort oder
in einer Art von Verhältnissen. Stets schieben sich verschiedene
Ereignisstränge und deren Abschnitte ineinander. Stets mischen sich Süße und
Bitterkeit. So ist die Kälte, wie sie mir gestern jenseits der Klamm, hoch über der
Oststeiermark, in den Leib und in die alten Brüche kroch, heute aus mir herausgeronnen.
Etwas bleibt an all dem merkwürdig. Meine Lippen vertragen weit weniger Hitze als meine
Finger. Beim Frost verhält es sich aber möglicherweise genau umgekehrt. Es scheint ganz
so, als seien wir fein abgestuft in dem, was uns erträglich scheint und was nicht.
All diese staunenswerten Reste menschlichen Zugriffs rund
um mich. Landschaften. Und stets bedarf es neuer Erzählungen, um daraus ein Ganzes zu
machen, in dem wir zuhause sein können. Ich denke, das haben mich die Läsionen gelehrt,
die mir aus den paar mal blieben, wo ich selbst zu Bruch gegangen bin. Auch wir selbst
werden nur ein Ganzes durch Erzählungen, die das fassen, was von uns blieb und was werden
möchte. So erzählen wir uns einander, als ein Flüstern, als ein Brüllen, sogar als ein
Schweigen.
-- [Tesserakt] [Das
Haflinger-Projekt] -- |