24. März 2019

Weshalb diese vorhin dargelegten Privatangelegenheiten? Und was sollte das mit den großen Narrativen des Europa im 20 Jahrhunderts zu tun haben? Da war eben eine Bezugnahme auf jene aktuelle liberale Erzählung, deren Partitur als Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verfaßt wurde. Das ganze Ensemble erodiert im massiven Rechtsruck Europas, was von lauten Stimmen und Gegenstimmen gleichermaßen begleitet wird.

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Krusche & Trtovac: Ich kann das auch

Was im vorigen Eintrag als Privatangelegenheit erscheinen mag, die pure Pleite, das unübersehbare Scheitern, ist öffentliche Angelegenheit in einem bestimmten Sinn, in einem regionalen Zusammenhang. Ich befinde mich derzeit im 16. von 20 Jahren des Projektes "The Long Distance Howl". Siehe dazu die aktuelle Übersicht: [link]

Dieses Vorhaben begann also formell 2003 und hat eine regionale Vorgeschichte ab etwa 1988. Sein Hauptgegenstand ist Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz. Das meint: abseits des Landeszentrums. Der serbische Künstler Selman Trtovac, von dem ich in diesem Prozeß über einige Abschnitte begleitet wurde, hat mich eben erst auf Facebook daran erinnert, daß er sich in einem vergleichbaren Vorhaben auf rein künstlerische Mittel konzentriert hat, während ich eine soziokulturell gewichtete Verfahrensweise bevorzugt hab.

Trtovac: "Ich denke seit Jahren über dieses Thema nach. Ich glaube, wir als Künstler, können lediglich über utopische Modelle nachdenken. Sie sind nicht direkt für die politische und gesellschaftliche Prozesse einsetzbar, aber ohne Utopie gibt es keine Richtung, keine Vorstellung. Also meine Position und meine Antwort wäre Utopie. Was das heißt? Da gibt es eine Unmenge von Möglichkeiten. Mein 'Drittes Belgrad' war ein Experiment in dieser Richtung."

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Selman Trtovac

Ich sehe heute den soziokulturell betonten Modus zwar im Rückblick als (m)ein Gebot jener Stunden, doch diese Ära ist vorbei. Mit dem Wandel des Kulturpakt Gleisdorf in eine kulturelle PR-Strategie der Gemeinde hatte sich dessen kollktiver Charakter im Bottom up-Prinzip nach 2014 in Luft aufgelöst. Es ist daran vor allem bemerkenswert, wie weitreichend und reibungslos die Kreativen der Region diesen Wandel mitvollzogen haben.

Damit ist jegliche kulturpolitische Debatte und jede Spur von Kunstdiskurs aus dem näheren Umfeld weitgehend verschwunden. Das hat seine Entsprechung in einigen neuen Gleisdorfer Straßenlokalen, die ausdrücklich der Kunst gewidmet sind, aber bloß Dekorationsgegenstände und Kitsch anbieten, also niedrigschwelliges Material für eine breiten Publikumsgeschmack. (Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn der Etikettenschwindel unterbliebe.)

Diese Entwicklung wird erst begreiflich, wenn man sie im Zusammenhang mit dem vorhin schon erwähnten Rechtsruck Europas betrachtet. Da zeigt die Politik Tendenzen, vor allem als PR-Arbeit verstanden zu werden. Da erfährt ein kritisches Geistesleben keine grundsätzliche Ermutigung. Da darf sich Mittelmäßigkeit feiern. Kritische Haltungen und Prozesse werden eher simuliert als konsequent gelebt.

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The Track: Axiom (2013)

In diesem Zusammenhang wird die Krise des Narrativs Liberalismus anschaulich, auch wenn gerade in diesen Lagern die Unmutsäußerungen über das deutliche Revival des Narrativs Faschismus so laut ausfallen. Das verträgt sich gut, wo eben die eigene Ratlosigkeit zu Moraltrompeterei und Empörung verleitet, zugleich exponierte Positionen in den eigenen Reihen als verdächtig denunziert werden.

Da ergibt es auch Sinn, wenn die Pleite eins künstlerischen Freelancers mit Hohn und Häme bedacht wird, statt von Ermutigung begleitet zu werden. Wieso hat er sich nicht gefügt, vernünftig gehandelt, das Richtige getan? Dann wäre doch alles gut gegangen...

Es ist klar, daß ich den Umbruch zur Kenntnis nehme und mich vom soziokulturellen Schwerpunkt verabschiede. Das 20-Jahres-Projekt "The Long Distance Howl" ist ja keineswegs am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. Im Gegenteil! Der inzwischen schon mehrjährige Fokus Dorf 4.0 (Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft) erweist sich als sehr stabil und äußerst entwicklungsfähig. Siehe dazu: "Das Dorf und die Vier" (Wie kommt das 4.0 in Dorf 4.0?)

Somit geht der "Howl" mit geänderten Grundlagen in seine letzten Jahre. Die Titelentwicklung der jeweiligen Teilprojekte haben es vorgezeichnet. Zuerst hatte ich nach einem Next Code gefragt, was ja Grammatik und Sprache eines Narrativs meint.

Das führte zu keinen ausreichend interessanten Ergebnissen, also was an Axiome zu denken, dank derer ein neuer Ausgangspunkt markiert werden könne. Nun bin ich mittels Tesserakt neuerdings "Auf der Suche nach Transparenz". Ich hatte übrigens 2013 für The Track: Axiom sechs Positionen markiert, die ich neu überdenken muß:

+) Der Begriff (The Term) [link]
+) Der Ort der Muße (The Place of Leisure) [link]
+) Die letzte Bibliothek (The last Library) [link]
+) Der handelnde Künstler (The acting Artist) [link]
+) Das Bündel Geschwätzigkeit (The Bundle of Garrulity) [link]
+) Die blinde Sendung (The blind Packet) [link]

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Position #4: Der handelnde Künstler

Nicht zu vergessen, daß Text in der Sache wichtig bleibt. Es zieht sich, dem entsprechend, eine Lyrik-Linie quer durch die Teil-Projekte; im Kontrast zur essayistischen Arbeit und zur laufenden Dokumentation. Aktuell: [link]

-- [Tesserakt] --

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