13. März 2019

Die Qualen der Frau Elke, eine kleine Nachlese

Die Dame zeigt Enthusiasmus. Ich dachte, ihr Engagement, mir feurige Befunde zuzuschicken, sei nun erloschen. Keineswegs! Aktuelle Post macht deutlich, was ihre schmerzenden Stellen sein mögen. Darum gehe ich noch einmal kurz darauf ein.

"Schäme dich, klitzekleiner Martin Krusche. Du bist wirklich eine « NULL » ; dennnur Menschen wie du koennen sich so benehmen. Du bist nicht einmal ein Fragment in dieser Welt. Pfui Teufel!!"

Hier taucht dieses Grundmuster der Tyrannei und auch des Faschismus erneut auf, auch wenn mir in dieser Sache heute nichts droht. Aber genau solches Denken stellt in anderen Regionen mißliebige Menschen zum Abschuß zurecht. Der Mitmensch wird erst zum Gegenmenschen erklärt, schließlich zum Nichtmenschen. Das hat bewährte Methode. Damit wird Folter möglich, damit kann das Totschlagen beginnen. In diesem Geist sind solche Mitteilungen verfaßt, auch wenn es jemandem nicht bewußt sein mag.

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Was mag Frau Elke bewegen, mir einen literarischen Text auf solche Art zu quittieren? Ich schreibe Gedichte ja nicht als biographische Mitteilung, sondern... als Literatur. Das erwähnte Gedicht "alte glut" ist übrigens keineswegs versteckt. Dieser Text erschien als Teil der Serie "es war die gleiche sonne". Ein Beitrag zu unserem 2016er Kunstsymposion, auf den Graphic Novelist Chris Scheuer mit einer Reihe von Holzschnitten reagierte.

Der Titel dieses Zyklus' ist zugleich der eines Gedichtes, das ich dem bosnischen Dichter Muhidin Saric gewidmet hatte, einem Überlebenden von Keraterm. Darüber hinaus behandelt das Set den Bogen vom Großen Krieg über den Zweiten Weltkrieg zum Untergang Jugoslawiens. Eine Auswahl der Gedichte findet man hier gebündelt: [link] Die Holzschnitte von Chris Scheuer sind hier zu sehen: [link] Frau Elke war nun folgendermaßen zu antworten:

madame!

ihr scharfsinn ist bewundernswert, aber nicht sehr zielsicher. bei uns sagt man: knapp vorbei ist auch daneben. sie gehen offenbar davon aus, mein gedicht über den heizer von auschwitz sei eine biografische mitteilung und handle von meinem vater. davon kann keine rede sein, wie übrigens in meiner familie - so weit mir bekannt ist - niemand so einen job hatte.

das bedeutet, dieser text ist LITERATUR, um in einem text-zyklus eine position zu markieren, wobei ich von verdun über auschwitz nach srebrenica führen wollte; mit einigen besonders schmerzlichen gedanken an sarajevo.

ich hielt dabei den heizer als zentrale figur für treffender, um das grauen anzudeuten, denn ich bin überzeugt, man macht es nicht begreiflich, indem man es plakativ ausstellt. mir würde ein ss-mann in waffen für dieses motiv als zu plumpe klamotte vorkommen.

ich bedaure ihre persönlich verstrickung in solche zusammenhänge, aber sich darüber an mir abzuarbeiten, das geht an die falsche adresse.

ich weiß, sie halten sich für eine belesene und kultivierte frau, also wird es ihnen vielleicht nützen, wenn ich ein weiteres detail des textes erläutere. (lesen und verstehen will eben geübt werden.) wie kann man sich denn diesem schrecken, für den auschwitz steht, in einem gedicht annähern? noch dazu, wo adorno betont hat, es sei barbarisch, nach auschwitz ein gedicht zu schreiben. (siehe "kulturkritik und gesellschaft"!)

ich hab es so gelöst: in der passage "und nicht / auf der / blitzschnellen / null fünf - null null zwo / zwischen hamburg / und berlin" (als kontrast zu den öfen von auschwitz) spiegelt sich der 1936er geschwindigkeits-weltrekord auf der strecke berlin-hamburg, gefahren mit der stromlinien- dampflokomotive 05 002, damals die schnellste deutsche dampflokomotive.

das bezieht sich metaphorisch auf die futuristen, deren demonstrative maschinenverehrung und kriegslustigkeit mit präfaschistischen formen der frauenverachtung und des gewaltbereiten mannseins verknüpft waren. unverkennbar ideologische vorboten des damals kommenden.

das bezieht sich ferner auf die nazi und deren gesamte maschinerie, die sich eben in rennautos (silberpfeile), eisenbahnen und flugzeugen imposant manifestierte, wobei die stromlinie zum general-code für modernität und tempo wurde. rekordfahrten und -flüge, sporterfolge etc. waren intendiert, die ebenso leistungsfähige tötungsmaschinerie propagandistisch zu bemänteln. das ist ihnen sicher klar.

sie wissen überdies, kein text ohne subtext und kontext. ich darf ihnen übrigens gratulieren. sie haben gerade IHREN "inneren nazi" kennenglernt.

nur so erklärt sich, weshalb sie mich a) dafür verurteilen, daß mein (fiktiver!) vater in diesem text ein täter sei, was mit meinem leiblichen vater nichts zu tun hat, und daß sie mir b) auf etwas krause art offfenbar eine art "mitschuld" zuschieben.

dazu kommt die wiederholte feststellung, daß ich eine "Null" sei und: "Du bist nicht einmal ein Fragment in dieser Welt." ich habe oben schon erwähnt, den mitmenschen zum "gegenmenschen" zu erklären und dann als "nichtmenschen" auszuweisen, das ist eine grundübung von tyrannen und folterknechten.

sie also wollen mich moral lehren? lustig! ich wünsche ihnen ein langes leben bei bester gesundheit, in der sie sich selbst ertragen müssen. sicher keine leicht aufgabe.

abschließend noch etwas persönliches. ihre unterstellungen und beleidigungen kratzen mich nicht. aber ich empfinde es als zumutung, daß mir jemand ausdauernd schreibt und mir dabei einen so eklatanten mangel an esprit um die ohren schlägt.

empfehle mich!
kru

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