28. Jänner 2019 Die
Qualen der Frau Elke III
Ich will dieser Angelegenheit noch ein paar Takte widmen,
um die Darstellung abzurunden. Mehr braucht es in der Sache eher nicht, dieses und ein
viertes Blatt sollten reichen. Frau Elke hat mir am 26.1.2019 wieder geschrieben, auf Teil
I meiner Skizze reagiert: "Und damit versuchst du mich einzuschüchtern, du der
« Mann der Buchstaben ». Lass mich laecheln. Du bist Null!!"
Ich möchte ihr zugute halten, daß sie solche Post nicht
überdacht hat. Dieses "Du bist Null!!" ist unter anderem eine
Grundübung des Faschismus. Erst wird der Mitmensch zum Gegenmenschen
umgedeutet, schließlich zum Nichtmenschen erklärt, den man nach Belieben aus
der Welt schaffen kann. Das ist ein stufenweiser Prozeß.
Ich muß mich hier nicht sorgen, zu den gefährdeten Arten
zu zählen, möchte aber deutlich machen, daß es mit genau solchen Entwertungen eines
Andersdenkenden beginnt. Banal, alltäglich, unspektakulär. Das hat System, ist bewährt,
und wenn es Dimensionssprünge macht, eine Massenbasis bekommt, wird die Lage
brandgefährlich. (Wie viele Frauen könnten mir erzählen, daß sie solche Abwertungen
tagtäglich erleben, über Jahre hinweg?)
Sowas ist freilich nicht unsere zentraleuropäische
Domäne. Als Anfang der 1990er Jahre auf dem Balkan bosnische Muslime massakriert wurden,
haben Täter sie vorab zu Nichtmenschen erklärt. Als Mitte der 1990er Jahre Hutu
begannen, Tutsi zu massakrieren, wurden diese von den Tätern vorab zu Nichtmenschen
erklärt. Wo immer weltweit Frauen männlicher Gewalt zum Opfer fallen, wird ihnen vorab
die Zugehörigkeit zur gleichen Art abgesprochen.
Apropos! Frauen müssen sich dabei sehr oft auch
sexualisierte Gewalt zumuten lassen, allein schon via Nachrichten. Es ist besonders
zynisch, wenn ein Mann zum Beispiel begehrt, was er verachtet. Genau das entwickelt sich
für Frauen besonders gefährlich. Die jüngere Vergangenheit hat uns dazu ein paar
markante Vorfälle geliefert. Wir erleben aktuell, wie das dann in der Öffentlichkeit
mitunter kleingeredet wird. Wo manche Männer in den Social Media mit solchen
Obszönitäten vor ein Publikum hintreten, halte ich das für ein massives Alarmzeichen.
So fand ich kürzlich auf Twitter diese Nachricht.
Die Dimension dieser sexuell aufgeladenen Gewaltphantasie,
wo es jemand schafft, das auch noch rassistisch zu akzentuieren, sollte den Absender
eigentlich vor Gericht und in den Bereich professioneller Hilfe bringen. Sprache ist nie
harmlos. Sprache erzählt nicht nur, sie schafft auch Bedingungen.
Das 20. Jahrhundert hat uns gelehrt: jedes Massaker beginnt
mit einem Krieg der Worte. Dieser Krieg der Worte hat seine privaten
Aufmarschgebiete. Was Katharina Nocun eben hinnehmen mußte, ist kaum zu überbieten. Der
Zuruf von Frau Elke ist dagegen eine der banalen Vorstufen solcher Verachung, ganz für
sich nicht weiter erheblich. Das steht aber in der gleichen Tradition von
Menschenverachtung, wie mich die Tagebuchaufzeichnungen von Victor Klemperer gelehrt
haben.
Also zurück in diese unspektakuläreren Gefielde, wo mir
ja nichts droht, was ich nicht verdauen könnte. Der Zuruf hätte auch lauten können: "Du
bist eine Null!" Das würde behaupten, ich hätte unterentwickelte
Kompetenzen. Diesem Befund könnte ich zustimmen oder ihn ablehnen. Aber "Du bist
Null!!" ist eine ganz andere Nachricht. Das nehme ich übrigens sehr
persönlich, weil meine Gewalterfahrungen als Kind eine klare Botschaft hinterlassen
hatten, die besagt: "Dich braucht es nicht zu geben. Du bist nichts." Und
da verstehe ich keinen Spaß.
All das, Banales und Brutales, läßt sich so
zusammenfassen: Jeder Krieg der Worte birgt die Gefahr, plötzlich
Kategoriensprünge zu machen, die an Schwellen heranführen, hinter denen Menschen
getötet werden. Dieser Krieg der Worte hat sein Vorfeld stets im Privaten. Wer
sich die Vorstellung erlaubt, ein Gegenüber sei Nichts, Null, absolut inferior
und daher... was auch immer, reiht sich in diese Tradition ein und trägt dadurch bei,
solche Möglichkeiten zu eröffnen.
Nyamata Memorial Site, Rwanda (Fanny
Schertzer, Creative Commons)
Momentan dröhnt die ganze Medienwelt von Chören
ähnlicher Abwertungen. Leider sehe ich auch mein eigenes Milieu in diese Vorgänge
verstrickt und kann mich nur wundern, wie bedenkenlos Menschen aus meinem Umfeld
Andersdenkende beschimpfen, abwerten, herabwürdigen, ganz egal, wen das meint.
Das nenne ich ein präfaschistisches Klima. Ich
hab den vorigen Eintrag mit einer Frage beendet: Haben
Sie gute Absichten? Wer gute Absichten hat, greift gegebenenfalls die Argumente einer
Person an, aber nicht die Person, verwirft die Ideen einer Person, aber nicht die Person.
Ich denke, das bietet eine simple wie unmißverständliche Demarkationslinie, die nicht
verhandelbar ist.
-- [Konsortium 18] -- |