13. August 2018

Ich denke, was Bauern mehr fürchteten als marodierende Reitereien aus benachbarten Ländern, waren die bewaffneten Kräfte des eigenen Herren. Wie verzweifelt mußten Menschen der agrarischen Welt sein, um gegen trainierte und gut bewaffnete Profis des Kriegshandwerks aufzustehen?

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Meist waren es zu hohe Steuerbelastungen oder ähnliches Drangsal, wenn sich Bauern dennoch gegen ihren Herren wandten, zum Beispiel in Hungerrevolten. Ich erwähne das, weil ich mich eben nach dem Rennfeld umgesehen hab. Dort, im südlichen Teil von Gleisdorf, steht ein Holzschuppen, daneben ein Wegkreuz. Es war eines der ersten Flurdenkmäler, das ich vor Jahren fotografiert habe, weil mir die Anordnung des ganzen Ensembles so gut gefiel. Dahinter eine junge Siedlung. Nichts erinnert mehr daran, daß es hier gegen die Osmanen ging, aber 1515 auch im sogenannten Windischen Bauernkrieg gegen aufständische Bauern.

Frondiensts Plage, elende Lage
Ward den Bauern zur Pein.
Da wurden sie alle rebellisch:
es strafte sie Herberstein.

So zitiert Franz Arnfelser in seinem Buch über die Geschichte Gleisdorfs einen Text zu dieser dieser Angelegenheit. Das meint Georg von Herberstein III., der das Bauernheer an drei Orten schlug, in Gleisdorf, Vuzenice und Celje. So notierte es Ernst Bruckmüller in seiner "Sozialgeschichte Österreichs", um auch anzumerken: "Danach folgten die üblichen Greueltaten." Herberstein lehnte es ab, selbst über die Rädelsführer Gericht zu halten. Das überließ er dem Landesschrannengericht in Graz, einer steirischen Spezialität des Gerichtswesens.

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Hans Pirchegger nannte in seiner "Geschichte der Steiermark" Jörg von Thurn als einen wesentlichen Anlaß dieser Entwicklung. Der "Pfandinhaber der landesfürstlichen Herrschaften Gottschee und Gurkfeld in Krain", von Pirchegger ausdrücklich ein Bauernschinder bezeichnet, habe Steuern über das gebotene Maß erhöht, davon einiges für sich einbehalten, habe die zahlungsunfähigen Bauern einsperren lassen, ihnen das Vieh weggenommen etc. Das alles vor dem Hintergrund innenpolitischer Spannungen unter dem Druck osmotischer Streitkräfte, einer eigenen Türkensteuern und anderen Belastungen der Bauernschaft.

Bald darauf kam es in der Obersteiermark zu weiteren Bauernaufständen, Außerdem setzte schließlich mit aller Härte die Gegenreformation ein, reichte bis in das 18. Jahrhundert. Die Menschen kamen nicht zur Ruhe. Das 16. Jahrhundert gilt als eine Zeit der Glaubensspaltung. Dieses Ringen um Freiheit oder Zwang in den Konfessionsfragen war ein wesentliches Motiv im Dreißigjährigen Krieg, der von 1618 bis 1648 stattfand, wozu in diesem Jahr 2018 einiger Anlaß zum Nachdenken gefunden wurde. Der Dreißigjährige Krieg zeigt sich übrigens weit komplexer, als man bei flüchtigem Hinsehen annehmen möchte. Das Haus Habsburg spielte dabei eine maßgebliche Rolle.

Georg Schmidt erwähnt in seinem Buch zum Thema eine fanatische Feindseligkeit bei zugleich nervöser Unversöhnlichkeit. (Sollte uns das womöglich bekannt vorkommen?) Schmidt meinte: "Die Neuformierung der alteuropäischen Gesellschaft und ihres Staatswesens verlief alles andere als konfliktfrei." Er läßt uns wissen: "Die frühneuzeitlichen Staatsbildungsprozesse mit ihrer Tendenz zur Formierung und Disziplinierung führten zu zahllosen Transformations- und Anpassungskonflikten."

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Ich erwähne diese Details, weil es sehr plausibel erscheint, Spuren dieser Ereignisse noch heute in unserer Mentalitätsgeschichte zu finden. Subalterne Schichten, die ihren Herrschaften auf solche Art über Jahrhunderte ausgeliefert waren, dabei vor allem in der Oststeiermark stets den Mangel bewältigen und oft Not ertragen mußten, entwickeln ganz bestimmt mentale Eigenarten, die wir heute noch vorfinden.

Ich möchte annehmen, daß zum Beispiel die auffallend hohe Dichte geschickter und inspirierter Menschen in dieser Region teilweise ihre Wurzeln in dieser Geschichte hat. Wer kaum über Geld verfügt, um es für nötige Dinge auszugeben, muß sehr einfallsreich sein und sich anders zu behelfen wissen. Wo über viele Generationen solche Lebensumstände gemeistert wurden, entwickeln sich daraus vermutlich sehr belastbare, aber auch harte, womöglich recht eigensinnige Menschen.

Auf dem Weg über das Bahnhofsareal bin ich anschließend zur Glieder-Wehr gegangen, wo der Bildstock mit Nepomuk, dem klassischen Brückenheligen, eben renoviert wurde. Es sind solche Flurdenkmäler, die uns als komplexes Zeichensystem umgeben, die von all diesen Geschichten handeln, von großen historischen Zusammenhängen und kleinen privaten Ereignissen.

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Genau das erschließe ich gerade gemeinsam mit engagierten Menschen, auf daß wie uns Fundamente und Hintergründe der regionalen Wissens- und Kulturarbeit genauer anschauen. Dabei interessiert mich schon seit einigen Jahren, welche Schnittstellen wir bei Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst sehen können, was sich an diesen Schnittstellen zeigt und welche Schlüsse aus solchen Zusammenhängen gezogen werden könnten. Nun übrigens auch mit einem Projekt-Bereich im Austria-Forum: "Wegmarken"

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