29. Juli 2018 Das war
eben ein Tour quer durch mehrere Genres. Der Dottore kam mit einer der
Neuigkeiten des Hauses an und wir zogen los. Norbert Gall ist Brand Manager von Toyota Austria.
Entsprechend waren wir in einem Hybrid unterwegs, dem Coupé High Rider in Purple.
(Bei unserer letzten Konferenz war es ein Lexus RC 300, in dem wir den Status quo
der Branche erörtert haben; siehe: [link])
Mobilitätsgeschichte ist nur eines unserer Themen, wie
auch die Zukunft der individuellen Mobilität, wenn sie in absehbarer Zeit keine
Massenbasis mehr im individuellen Privatbesitz von Kraftfahrzeugen haben wird. Im
Klartext: Daß hier fast jeder Erwachsene ein eigenes Auto hat, wird bald wieder
Geschichte sein. Toyota ist derzeit größter Automobilproduzent der Welt und hat
diese Umstellung vom Autobauer zu einem Mobilitätsanbieter schon eingeleitet.
In dem Zusammenhang tut sich einmal mehr die Frage auf, wie
wir Menschen nun unsere Koexistenz mit Maschinen geregelt sehen möchten und
worin wir der grundlegenden Neuorientierung bedürfen. Das muß ich mit sachkundige
Personen aus ganz verschiedenen Genres debattieren können. Ich zähle übrigens vorerst
noch zu den Menschen, die dem Begriff Künstliche Intelligenz mit größter
Skepsis begegnen.
Wir haben bis heute noch viel zu wenig Klarheit und
Konsens, was eigentlich die menschliche Intelligenz sei und wie sie funktioniert. Ich
halte demnach Maschinenintelligenz für etwas völlig anderes. Die hat allerhand
mit der Verarbeitung von Zeichen zu tun, ohne den Inhalt der Codes verstehen zu können.
Ich möchte auch eine gute mechanische Lösung für eine Manifestation von
Maschinenintelligenz halten, die freilich eine Konsequenz menschlicher Intelligenz ist.
Wie viel davon uns Maschinen einst werden abnehmen können, steht noch ziemlich in den
Sternen.
So sind wir zum "theatrum mundi" von
Niki Passath aufgebrochen (contemporary collective graz), denn er arbeitet schon
Jahre an einigen der Fragen, die uns beschäftigen. Das paßt mir gerade sehr gut, denn in
unserer Kultur gibt es seit Jahrtausenden das Konzept des Deus ex Machina als
einem technischen Theaterphänomen. Daß der Gott aus der Maschine heute gerne
als Geist aus der Maschine verstanden wird, paßt zu unseren Überlegungen.
Passaths Arbeit lotet da zeitgemäße Zusammenhänge aus.
Aber es ist in solchen Überlegungen eventuell auch sehr relevant, daß die Griechische
Tragödie nie als Tribunal gedacht war, sondern als eine theatrtalische Anregung,
über das Nachempfinden menschlicher Schicksale zu nächsten Klarheiten zu gelangen. Wir
hatten übrigens den Titel für unser 2017er Kunstsymposion von Passath übernommen, weil
er einen immer wieder in solche Fragen verwickelt: "Artist is Obsolete"
[link]
Niki Passath (links) und Norbert
Gall
Menschliche Gemeinschaft in Koexistenz mit avancierten
Maschinensystemen als ein Zustand, den wir sozial und kulturelle so regeln, daß die Prometheische
Scham (Günther Anders) erträglich bleibt und balancierbar ist... (Das meint ein
Unterlegenheitsgefühl der Menschen gegenüber den von ihnen geschaffenen Maschinen.)
Darin sehe ich interessante Fragestellungen, die mit künstlerischen Mitteln bearbeitet
werden können. Das ist freilich auch mit sachkundigen Menschen aus der Technik zu
erörtert.
Dabei behalten wir aber im Auge, daß einer "Kunst
um zu..." nicht getraut werden kann und daß die Kunst keine soziokulturelle
Reparaturanstalt für gesellschaftliche Problemlagen ist. Es ist ja ein beliebtes
Argument, um Funktionstragende aus Politik und Verwaltung geneigt zu machen, ihnen eben
solche sozialen Effekte der Kunst anzudienen. Ich sehe das lieber etwas schärfer
getrennt. Kunstpraxis ist nicht als Sozialarbeit intendiert. Sie hat andere und ältere
Agenda.
Maler Willy Rast
In diesen Fragen hatte ich mit Maler Willy Rast einigen
Konsens, als wir allesamt den Grazer Schloßberg erklommen, denn es stand uns eine
Mondfinsternis bevor, die wir von exponierter Stelle aus sehen wollten. Beim Anstieg wurde
deutlich, daß noch einige tausend Menschen auf die gleiche Idee gekommen waren.
Das ließ uns dennoch ausreichend Gelegenheit, eine
entsprechende Vertiefung unserer Überlegungen für den kommenden Herbst anzubahnen. Es
muß ohnehin stets neu verhandelt werden, worauf sich der Begriff Kunst sinnvoll
anwenden läßt und wo er zur verfehlten Etikettierung geworden ist.
Das wird derzeit immer spannender, weil sich unser aller
Lebensbedingungen so deutlich verändern, indem die Vierte Industrielle Revolution
erhebliche Schubkraft entfaltet, während Europa zugleich eine interessante Rechnung für
seinen "Kolonialstil" erhält- Nichts weniger erleben wir momentan
durch die sogenannte "Flüchtlingskrise", da wir seit den obszönen
Verträgen von Tordesillas und Saragossa (16. Jahrhundert) die Welt zu
unseren Gunsten ausgeplündert haben. Siehe dazu den Eintrag vom 31. Jänner 2017!
Auch der Erste Weltkrieg, an den heuer gerne
gedacht wird, da ein unrühmliches Ende grade hundert Jahre zurückliegt, war in seinem
Beginn nichts anderes, als der anmaßende Versuch von Österreich und Deutschland, sich
als Kolonialmacht neu in Stellung zu bringen. Und nun so viel Gebrüll um den möglichen
Verlust einiger Vorteile, die wir uns zu Lasten anderer angeeignet haben...
Runde eine halbe Stunde nach
Mitternacht war der Mond
wieder aus dem Erdschatten heraußen
Wollen wir also unsere Gegenwart halbwegs verstehen, ist
der Blick in die Geschichte unverzichtbar, nicht bloß der in die Kunstgeschichte. Mit
welchen Codes erzählen wir einander die Welt? Das hat auffalend kuriose Spielarten. Ein
Beispiel: Ich seh mich schon eine Weile danach um, wie taktische Zeichen und Tarnmuster
der Kriegsmaschinerei im Ersten Weltkrieg zu visuellen Codes wurden, die wir in
einigen Genres bis heute finden können. Siehe dazu beispielsweise: "Lozenge
und andere Zeichensysteme".
Das betraf hauptsächlich Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe.
An all dem hängen Geschichten, die uns von prägenden Momenten und Verläufen erzählen.
In der Sache bietet derzeit auch Gottfried Lagler einen Ansatzpunkt. Er ist
Steiermark-Exponent der ÖGHK (Österreichische Gesellschaft für historisches
Kraftfahrwesen). Wir werden nun, das war gestern wieder Thema, intensiver miteinander
zu tun haben, wo er den D & U-Wagen in die Region zu bringen versucht. Das
einzig erhaltene Fahrzeug aus einem kleinen Grazer Betrieb; siehe: [link]
Gottfried Lagler (links) Und Norbert
Gall
Ich werde dazu mit den geschichtlichen Dimensionen dieses
Projektes befaßt sein, vor allem auch mit den soziokulturellen Querverbindungen. Der D
& U-Wagen ist ein markantes steirisches Beispiel, wie ein Betrieb auf der Strecke
blieb, während die Erste von der Zweiten Industriellen Revolution
abgelöst wurde. Solche historischen Prozesse sind im Nachdenken über unsere Gegenwart
sehr anregend.
Das heißt, es gibt einigen, und zwar erheblichen
Klärungsbedarf, welche Aspekte all dieser Zusammenhänge wir uns in der nahen Zukunft
genauer ansehen wollen. (Es ist kein Zufall, daß unser heuriges Kunstsymposion den Titel "Interferenzen"
trägt.)
-- [Das 2018er Kunstsymposion]
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