10. Juni 2018 Markt
Hartmannsdorf. Dieses mehrstündige Umgehen am Rande des Hitzschlages, also unter freiem
Himmel, um zu sehen, was schon da ist, um zu entdecken, was noch kommt... Natürlich
könnte ich einen Strohhut tragen, auch eine Baseball Cap wäre denkbar, aber das bringe
ich nicht übers Herz. Also muß es so gehen, zumal ich diesmal vor allem auf Heckpartien
aus war, die in der hohen Mittagssonne glänzten.
Diese spezielle Neugier war durch einen Dino Spider ausgelöst
worden. Eine Schönheit aus dem Hause Pininfarina, 1969 auf den Markt gekommen.
Also sah ich mich nach weiteren Hecks um. Da fand sich im Kontrast zum eleganten Italiener
ein amerikanischer Raumkreuzer. Nachdem die Stromlinie in Europa wie in Amerika etwa ab
1933 Triumphe feierte, fiel mir der 1942er Pontiac Streamliner auf. Er zeigt,
daß man selbst einen mobilen Zweitwohnsitz schnittig aussehen lassen kann, obwohl der
US-Brocken vermutlich die Luft vor sich herschiebt wie eine Lokomotive.
Es gab auch schon Werbeabteilungen, die so etwas als Sportcoupé
promotet haben. Bedeutungszuschreibungen sind in der Automobilbranche ja sehr frei in
Verwendung. Während man in diesem amerikanischen Fullsizer nicht in Platzangst
verfallen dürfte, kam ein britischer Sportler daher, für den muß man recht belastbar
sein, um Strecken zu ertragen. Ich vermute, die Luft ist darin knapp und die
Fensterflächen werden unter strahlender Sonne die Raumtemperatur ebenso ungünstig
beeinflussen, wie der Motor die Bude aufheizt.
Man wird den Marcos GT auch kaum in einen
Schönheitswettbewerb schicken. Dafür bleibt einem die Erscheinung unvergeßlich. (Er
wurde Mitte der 1960er von Dennis und Peter Adams entworfen.) Ich betrachte diese Mobilia
im Kontrast zu den weit älteren Immobilien der Region, die mich nun seit einigen
Jahren beschäftigen. Autos und Bauwerke, völlig verschiedene Welten der Gestaltung, die
hier temporär ineinander gehen.
Automobildesign ist ein sehr aufregendes Thema, zumindest
in seiner historischen Dimension. An der Gegenwart gibt es allerhand zu meckern, denn es
ist ein wenig langweilig geworden, obwohl ja gewöhnlich das in Großserie geht, was beim
Publikum Anklang findet. (Experimente kommen dabei meist nur in den teureren Sektionen
vor.) Wir müssen also nicht lamentieren, die Massenprodukte bilden ab, was die Zeit
zuläßt.
Das bedeutet aber, Autodesign machte einst radikal andere
Statements und heute flüstert es bloß. Es könnte mit der generellen Verkehrslage
zusammenhängen, die sich von jener vor einem halben Jahrhundert doch grundlegend
unterscheidet.
Ein anderes Beispiel der üppigen Art: Während sich in
Europa während der ersten 1970er Jahren die Keilform ankündigte, formte Jerry
Hirshberg unter Bill Mitchell die Boat Tail-Vesion des Buick Riviera.
Eine Referenz an die Split Window-Corvette (C2), die Mitchell rund ein Jahrzehnt
davor realisiert hatte.
Ich will hier andeuten, daß diese vielfältigen
Formenspiele stets auch mit komplexen Erzählungen verknüpft sind, zugleich in so manche
urbanen Legenden münden. Wir geben mit unseren Gebrauchsgegenständen Statements ab. Wir
laden Dinge mit Bedeutungen auf, die über ihre primären Funktionen wie Personal
Transport weit hinausgehen.
Das führt zum Thema Fetisch. Wenn
also tote Gegenstände in unserem Leben Rollen erhalten können, die sehr emotional
bestimmt sind und auf die sich stabile Beziehungen zwischen Mensch und Ding gründen Ich hab das derzeit auszuloten, wo wir uns in einer kontrastreichen
Projektgruppe dem Thema Steyr-Puch Haflinger widmen, weil kommendes Jahr, da der Hafi
seinen 60er haben wird, ein Buch erscheinen soll.
Im Moment sind erste Cover-Entwürfe da, die auf einer
Arbeit von Graphic Novelist Chris Scheuer beruhen, welche Layouter Werner Prokop für den
Verlag umsetzt. |
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Wenn ich also in dieser Phase auch auf ganz
anderen Feldern herumstreune, teilweise weit abgelegen von diesem Nutzfahrzeug-Segment,
dann sind das Fingerübungen, die den Kopf frei machen. Das eröffnet aber auch
Denkräume, in denen ich den Haflinger zurechtstellen kann.
Was ein Buch über den Haflinger wird, ist
zugleich auch die Vertiefung einiger Fragestellungen über die Zusammenhänge zwischen
Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst. Das heißt, dieses Buch soll auf eine
kulturgeschichtliche Betrachtung verdichtet werden, welche sich im Ergebnis auf das
Kernthema konzentrieren muß, jedoch von der Gesamtschau des größeren Ganzen getragen
ist.
Was das praktisch bedeutet? Na, das weiß ich doch jetzt
noch nicht im Detail. Daran arbeite ich gerade. Und zwar im Projekt-Team, wo wir uns über
einzelne Momente und Abschnitte austauschen. Es ist ja bei all dem so: Wir denken nicht
bloß in Worten, sondern auch in Bildern und Emotionen. Das muß für und in ein Buch
übersetzt werden...
-- [Der Haflinger] -- |