30. Mai 2018

Bilder anzusehen wurde ein Teil meines Alltags. In einem Ausmaß, welches mir neu ist. Das kam durch die aktuelle Mediensituation, durch die tägliche Präsenz im Facebook, inzwischen auch auf Twitter. Dazu die ebenso fast tägliche Arbeit an unseren Websites. Aber das schließt dort an, wo ich die Welt ohnehin so betrachte, als sei da ine endlose Flut interessanter Bilder.

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Gußeiserne Kirchentür in Bad Gleichenberg

Das steht teils im Kontrast zu den laufenden Fahrten an reale Orte, wo es um verschiedene Themen unserer Projekte geht. Die neue Leiste "Ich bin eine Geschichte" legt sich quasi mitten in diese Übergangszonen zwischen analogem und digitalem Raum. Ich hab mich mit dem Begriff Virtueller Raum nie anfreunden können, denn er ist keine quasi Vorstufe zum aktuellen Raum. (Virtuelles kann zu Aktuellem werden.)

Er materialisiert sich nicht, sondern dockt direkt an das an, was unser Kognitionsfähigkeit als Realität konstruiert. Das sind kulturelle Zusammenhänge. In diesem Schwebenden ist auch die Kunst zuhause, denn was wir sinnlich erfahren, sind die Kunstwerke, die Kunst selbst bleibt transzendent. Das sind freilich Überlegungen, die ich von niemandem als alltäglich erwarten würde. Sie gehören bei mir bloß zu meiner Profession.

Einer meiner Projektpartner ist der Informatiker Hermann Maurer. Uns beschäftigt unter anderem, wie in der Kultur- und Wissensarbeit nun Prioritäten zu setzen sind, wo sich Social Media nun so stark als Kommunikationsräume verbreitet haben. Dabei sind uns zwar die Vorteile dieser Technologie vertraut, die problematischen Phänomene solche neuen Arten niedrigschwellig eingerichteter Massenmedien machen sich allerdings brisant bemerkbar.

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Wissenschafter Hermann Maurer

Es hat viel mit der Tatsache zu tun, daß sich Menschen über diese Teile der Massenmedien vorerst nicht an jene Regeln gebunden fühlen, die wir uns in den Demokratien über eine lange Zeit im Umgang mit den älteren Medien erarbeitet haben. Das hat sozial, politisch und kulturelle enorme Konsequenzen.

Inzwischen ist mein eigenes Fundament in einer österreichischen Netzkultur-Szene schon historisch. Das geht auf eine Zeit zurück, als Online-Verbindungen noch via Modems und teure Telefonverbindungen liefen. Aber ist meine Art der Mediennutzung deshalb heute antiquiert? Ist meine Auffassung von Wissens- und Kulturarbeit deshalb von gestern? (Da besteht Klärungsbedarf.)

Als wir kürzlich Margrit De Colle besuchten, um uns ihr "Vom Hügel" anzusehen, war das ein anregender Blick zurück hinter technologische Schwellen, die inzwischen von einer Massengesellschaft ohne viel Bedenken überschritten wurden. Was man dort findet?

+) Ein Komplexes Zeichensystem,
+) das sich nicht bloß als visueller Code einlöst,
+) sondern umfassende sinnliche Erfahrungen nahelegt,
+) zugleich Handfertigkeit verlangt,
+) also an Fragen eines Handwerks-Ethos geknüpft ist,
+) sich bei all dem als in Teil von Kreisläufen der Natur ereignet.

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"Vom Hügel" vor Ort

Das bringt mich in einem Nachdenken weiter, welcher Art so eine vorindustrielle Info-Sphäre sei, mit der wir Menschen uns umgeben. Die technische Info-Sphäre, von der wir augenblicklich umgeben sind, kam in rasenden Technologiesprüngen daher, hat ihre Zugangsschwellen ebenso rasant abgesenkt und sich einer Massengesellschaft zum leichtfertigen Gebrauch angeboten.

Ein für das Gemeinwesen förderlicher Umgang verlangt Lernprozesse, Wissensgewinn, achtsame Praxis. Eine brüllende Kultur der Haters und Shit Storms, verknüpft mit endloser Geschwätzigkeit, die aus allen Kanälen quillt, steht dem auffallend entgegen. Cybermobbing, Info-Blasen und eine neue Glanzzeit des Obskurantismus und der Verschwörungstheorien werden zu erheblichen Herausforderungen für das Gemeinwesen.

Im regionalen Kulturgeschehen zeigen sich ebenfalls Erosionen, die offenbar dadurch ausgelöst wurden, daß heute vielen Menschen Sichtbarkeit vor Authentizität geht. Man könnte sagen: Posieren geht vor Studieren. Praxis, Wissens- und Kompetenzerwerb als lästige Umwege? Na, wir werden sehn...

Neben dem Gewachsenen das Gemachte. So auch bei meinen Ausflügen zu einer Volkskultur in der technischen Welt. Ein Thema, zu dem ich immer noch Anfechtungen erlebe, wo sich etwa "Traditionsschützer" in ihrem Bewahren der Artefakte und Kulturphänomene einer versunkenen Welt behelligt fühlen, während die Schrauber und Sammler in hochkarätiger Weise pflegen, was in absehbarer Zeit verloren gehen könnte: Handfertigkeit und handwerkliche Kompetenzen, die wir nicht bloß nützen, um Dinge herzustellen. Sie haben relevante Wirkungen auf menschliches Denken. (In dem Zusammenhang auch das Thema: Die Ehre des Handwerks.)

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Shelby Cobra

Kürzlich traf ich wieder etliche dieser Schrauber bei einer Klassiker-Veranstaltung in Weiz, die da freilich manchen Leidenschaften nachgehen, mit denen man sich nicht unbedingt beliebt macht. Als etwa der Fahrer einer offenbar originalen Shelby Cobra das Triebwerk anwarf, ging beim Mercedes daneben die Alarmanlage los, so mächtig war der Donnerschlag des amerikanischen V8-Motors.

Aber dieser Roadster steht symbolisch für eine aktuell brisante Frage. Wiso sollte man Wissens- und Praxiserwerb abzukürzen versuchen? Es geht ja nicht nur um die solide Handhabung von Werkzeug und Gerär, es geht dabei auch um die Transd´formation, die man selbst in solchen Prozessen durchlebt.

Um das Roadster-Gleichnis aufzuschlüssel: Das leichte Fahrwerk der AC Cobra, ein riesiges Ford-Triebwerk mit einigen 100 PS, Hinterradantrieb an einer Starrachse. Das heißt im Klartext, dieses zickige Auto kann selbst von jenen nicht gefahren werden, die sich für flotte Piloten halten. Wer sich da überschätzt, stürzt sich schon nach kurzer Fahrt ins Verderben. (Der ewige Ikarus!)

Das Gewachsene und das Gemachte im Wechselspiel. Die Zeichensysteme, dank derer wir eine Auffassung von Zeit bekommen, welche über eine eigene Lebensspanne hinausreicht. Das Erzählen, wie es zwischen Menschen stattfindet und vermutlich ganz wesentlich beiträgt, daß sich menschliche Gemeinschaft überhaupt ereignet...

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