25. April 2018 "Ikarus steht also für den Rausch der Unvernunft. In diesem
Sinn wurde er stilisiert und bis heute in unserer Kultur an prominenter Stelle verwahrt.
"
In den wechselhaften Stimmungen jener Dauer, einer
Überlieferung über Jahrtausende, hat diese Figur eine gründliche Überarbeitung dessen
erfahren, wofür sie steht. Es ist verblüffend, wenn man die Rollenbilder vergleicht.
Ikarus mußte in unserer Kultur ein furchtloser wie bedenkenloser Testpilot werden, der
alle Grenzen überstieg, was er mit seinem Leben zu bezahlen hatte.
Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
(ca. 1558) von Pieter Bruegel d. Ä.
(Foto: Mattes, Public Domain)
So war es sehr viel später gekommen, als Piloten sich
mühten, nach dem Durchbrechen der Schallmauer am Leben zu bleiben. Das mißlang vielen,
bis Chuck Yeager 1947 hinter dieser Barriere weiterflog. Das war natürlich nicht die
erste Episode solcher Art, aber sicher die lauteste. (Otto Lilienthal ist längst
vergessen. Er stürzte im August 1896 mit seinem Hängegleiter ab und lebte danach nur
noch bis zum folgenden Tag.)
Manche Quellen, wie die "Metamorphosen" von
Ovid, zeigen uns einen anderen Ikarus, ein verspieltes Kind: "Nah stand bei dem
Werke der Knabe Ikaros [...] Störte mit kindlichem Spiel." Das ist also eine
gewaltige Verschiebung in den Rollenzuschreibungen für einen Buben, der uns in späterer
Kolportage als Mann vorgeführt wird.
Der Unterschied im Erscheinen eines Kindes, welches spielt,
zum Mann, der sein Leben nicht achtet, muß wohl kaum erläutert werden. Er geht paßgenau
in die bewährten Zusammenhänge einer vorherrschenden Männerkultur, die uns bis heute
den Faschismus als ihre schillerndste Blüte beschert hat.
Diesen
Zusammenhängen gehe ich derzeit in mehreren Stationen nach. Eine liegt unmittelbar vor
mir, wird nächsten Samstag realisiert: "Die Gefolgschaft des Ikarus". Zwei lagen davor,
+) 22.3.2018: Martin
Krusche spricht
Ikarus auf Asphalt. Das Rasen. Ein Text.
+) 20.4.2018: Wir
sind Ikarier
Damit mag zunehmend deutlicher werden, was ich finde, wenn
ich nach Zusammenhängen zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst suche. Das
führt freilich auch zu Annahmen über unsere aktuellen Lebenskonzepte. Das führt im
kommenden Text etwa zu solchen Passagen:
"Deshalb fühle ich mich in Garagen und Ateliers
gleichermaßen wohl und betrete sie jeweils ohne das Gefühl, mit diesen Schritten eine
andere Welt zu verlassen." |
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Winfried Lehmann, der Kurator des "Aprilfestival",
hat heuer gemeinsam mit Helmut Oberbichler ein Buch erarbeitet, das Werke aus den letzten
Jahren der Veranstaltungsreihe zeigt. Darunter auch eine Textausschnitte aus "Ikarus
auf Asphalt. Das Rasen. Ein Text." Das Buch wird kommendes Wochenende auf Schloß
Freiberg vorgestellt.
Bei meinem Set begleitet mich Maler Nikolaus Pessler, der
einschlägige Betrachtungen auf visueller Ebene vornimmt. So erklärt sich der Titel "Die
Beuyse des Pessler", denn da wird ein Blick auf Josef Beuys markiert, dem bei
uns beiden noch einiges folgen soll. Den Auftakt setzt am Samstag aber Ursula Glaeser (Kulturbüro
Stainz) mit einem Nachdenken im Gehen, daher auch "Talking by Walking"...
Keine Sorge! Es wird kein Wandern, sondern ein Schlendern auf serh moderater Strecke, die
wir jüngst in Augenschein genommen haben.
-- [Die Quest III] -- |