13. April 2018 Freitag,
der 13. April. Das ist ein gutes Datum für Reflexionen. Nikolaus Pessler, kurz Pessi,
blätterte in einer Monographie über die Arbeit der Kriegsgefangenen in der Feldbacher
Firma Krobath. Ich hab solche Schriften in meiner Hausbibliothek, weil mir das
20. Jahrhundert viel Arbeit macht, die durch eine gute Bibliothek erleichtert wird.
Mit der Lizenz für professionelles
Grübeln: Pessi neben Petra Lex
Wir hatten gerade über derzeit 100 Jahre der Republik
Österreich zu sprechen und Petra Lex meinte: "Die Hälfte davon hab ich
miterlebt." Es ist eben diese Zeitzeugenschaft, die mich so fesselt, in meinem
Fall ab 1956 angelegt, für sich eine spezielle Ära.
Lex und Pessler haben gemeinsam das Büro für
Pessi.mismus eröffnet, Trägersystem für den "Flying Circus".
Nein der ist nun nicht Artisten auf dem Trapez gewidmet, auch nicht überlebten
Flieger-Assen aus dem Ersten Weltkrieg, die sich in Friedenszeiten ihr Brot im
Showgeschäft verdienten. Hier geh es um ein mobiles Ausstellungssystem und angemessene
Mobilität.
Das gefällt mir natürlich sehr, denn ich
hab zu all diesen Aspekten lebhafte Bezugspunkte. Wie Lex und Pessler einen T3
ausgerüstet haben, um mit diversen Ausstellungselementen auf Tour zu gehen, habe ich es
einst gemeinsam mit Maler Josef Schützenhöfer gemacht; ebenfalls auf der Basis eines T3. Gut, das Kürzel kennen vermutlich bloß Insider. "T-zwo
T-drei" steht für Volkswagen Typ 2, Transporter 3, also die dritte
Transporter-Generation des zweiten Modells aus dem Volkswagenwerk. Klar? |
Pessi.bus |
So durchzogen wir 2003 mit "Die verschwundene Galerie" das
Land. Lex & Pessler haben freilich ein anderes Konzept. Aber dieses Interesse am
Mobilen und Prozeßhaften teilen wir. Es sollte plausibel erscheinen. Der White Cube
ist schließlich nicht die letzte Konsequenz, was Ausstellungsräume angeht. Es erscheint
mit reizvoll, mit künstlerischen Projekten an den Traditionen des
Schausteller-Geschäftes anzuschließen.
Krusche & Schützenhöfer mit
der verschwundenen Galerie
Das Büro für Pessi.mismus ist erst einmal auf
das Zeitfenster 1918-2018 ausgerichtet. Das bezieht sich nicht bloß auf jenes Ende des Großen
Krieges, mit dem die Habsburger ein blühendes Land versenkt haben. Das war auch eine
Phase im sogenannten Zweiten Dreißigjährigen Krieg, der aus Anmaßung und
Ideologie gespeist wurde, wie schon jener ursprüngliche zwischen 1618 und 1648. (Eine
Kontroverse zwischen katholischen und protestantischen Kräften, für den Völker bluten
durften.) Diese Kräftespiele haben auch uns geprägt.
In bildungsbürgerlichen Kreisen wird gerne ausposaunt,
daß man die Geschichte wiederholen müsse, wenn man sie nicht bewältige. Ich zweifle an
diesem Bild. Wiederholung? Kaum. Es kommt sicher anders, wenn auch kaum weniger
niederträchtig. Wir wären schon gut beraten, heute zu begreifen, wie Ideologie und
Propaganda eingesetzt werden, wie sie funktionieren.
Die politischen Parteien bieten mir derzeit keinerlei
große Erzählungen, die uns etwas anschaulich machen würden. Sie legen uns ausnahmslos
PR-Material vor. Rinks und Lechts scheinen kaum unterscheidbar, statt bewegender
nationaler Narrative bekomme ich viel Nationalkitsch vorgesetzt. (Netter Versuch!)
Pessler geht als Maler in die Stoffe, die mich auch
bewegen. Er scheint nicht geneigt, uns diese anspruchsvollen Zeiten nett zu dekorieren.
Damit steht er in bedeutender Tradition. So kenne ich beispielsweise Volksliedsammlungen,
wo herb zur Sache gegangen wird. Da darf das Leben schillern, auch wenn es stellenweise
weh tut. Dieses Ungeschminkte sagt mir zu. Dagegen stört mich die selbstreferenzielle
Gefühlsduselei einzelner Kreativer, welche derzeit regional so auffallend boomen.
Und was drängen mir zeitgemäße Kulturreferate an
Volkskultur auf? Ganz bewuß nicht das, was eben noch Volkskultur gewesen ist, wo mit
groben Händen und ungewaschenem Maul gemacht und erzählt wurde, was das Leben sei. Alles
weitgehend bemäntelt und übertönt von adrett gekleideten wie adrett frisierten Leuten,
die das Volksmusikalische teils in der Musikschule gelernt haben.
Solche Augenauswischerei habe ich schon in meiner
Volksschulzeit erfahren, als man mir einen entsetzlich betulichen Ramsch vorgelegt hat,
auf dessen Umschlag "Steirisches Liederbuch" steht. Darin so
dummdreiste Sätze wie "Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt".
Zeig mir die oststeirischen Bauern, welche sich Rößlein leisten konnten! (Mich
wundert ja, daß sich unsere Bauersleute von derlei Kolportage nicht verhöhnt fühlen.)
Zurück zu Pessler. Er zeigt in etlichen seiner Bilder jene
Unverforenheit, die meines Erachtens eine Verbindung zu frühen Formen der Volkskultur
bildet, denn da war man einst nicht darauf ausgerichtet, in der Hierarchie einer
ständischen Gesellschaft den Höhergestellten gefallen zu wollen, sich ihnen anzudienen.
Jene Volkskultur war so unvberblümt, wie die heutige vielfach an Anästhesie grenzt.
Selbstverständlich haben wir nach wie vor eine ständische
Gesellschaft, die allerdings ihre Inszenierung und Codes verändert hat. Was zeigt sich?
Gabalier gilt als Volksmusik, während "Echte Volksmusik" sich kaum
noch aus den Klauen eines manierierten Bildungsbürgertums befreien kann, welches
andererseits viele seiner Bildungsidele aufgegeben hat. Oder glauben Sie ernsthaft, ich
könnte aus dem Stegreif mit einer der lokalen Stützen der Gesellschaft erörtern, was es
mit den Daten 1814-1914-2014 auf sich hat? Na, dann probieren wir es eben jetzt mit
1918-2018.
Wir hatten, zu diesem Zeitfenster passend, zwei Stücke aus
meiner Sammlung auf dem Tisch. Links eine Miniatur des Gräf & Stift
Doppelphaeton, in dem 1914 das österreichische Thronfolger-Ehepaar erschossen wurde.
Rechts ein Modell des sowjetischen T55 Main Battle Tank mit den Insignien der Slowenischen
Territorial-Armee von 1991; das weiße TO auf dem Turm steht für "Teritorijalna
obramba". Das 20. Jahrhundert begann und endete in anregenden
Auseinandersetzungen mit den südslawischen Leuten. Dem werden wir uns zum Beispiel auf
dem Weg zum 2018er Kunstsymposion widmen...
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