6. Februar 2018 Angriffslust.
Das ist ein auffallendes Merkmal einiger vaterländischer Exponenten in den TV-Situationen
der jüngeren Vergangenheit. Ich hab im Eintrag vom
31. Jänner das Thema betont und notiert: "Dazu will ich später noch ein
paar Überlegungen anbringen."
Da waren es jüngst die Herren Harald Vilimsky und Andreas
Mölzer in der Sendeleiste "Im Zentrum". Dazu reihten sich nun Herbert
Haupt (ehemaliger Vizekanzler und Parteiobmann, FPÖ) und Ewald Stadler (ehemaliger
Nationalratsabgeordneter, FPÖ und BZÖ). Ich meine, man sollte diesen Leuten ausreichende
Aufmerksamkeit schenken, um einen brauchbaren Eindruck zu erhalten, daß sich hier ein
sehr konkretes Bedrohungspotential verdichtet hat, das man im Detail kennen muß, um
darauf adäquat reagieren zu können.
Ich halte das dröhnende Gezänk und die Flut an
Abschätzigkeiten wie Beschimpfungen, die ich via Facebook diesen Leuten
entgegenbranden sehe, für keine adäquate Reaktion. Das sind Ersatzhandlungen,
die gleichermaßen Ratlosgkeit und Hilflosigkeit ausdrücken, die überdies ein Klima
befestigen, in dem sich die Vaterländischen glänzend zurechtfinden.
Es wird diesen Akteuren auch gerne eine geradezu magische
Kompetenz in Sachen Rhetorik zugeschrieben, was ich nicht nachvollziehen kann. Ich hab
dabei einzig Norbert Hofer während des Präsidentschaftswahlkampfes als einen
beeindruckenden Strategen in Erinnerung, dessen Redegewandtheit ihm erhebliche Vorteile
sicherte.
An Vilimsky und Mölzer konnte einem auffallen, daß sie
vor allem grob und unbeherrscht vorgehen, daß sie (wie die Sendungsaufzeichnungen
belegen) dabei auch immer wieder einzelne Gegenüber im Gespräch beleidigen, also sehr
untergriffig agieren. Das ist ja kein Ausdruck von Stärke und rhetorischer Kompetenz,
sondern von einem Unterlegenheitsgefühl. Es ist eine Form des schlechten Benehmens, das
eigentlich von der Moderation umgehend eingestellt werden müßte.
Anders ausgedrückt: Wer so agiert, erweist sich als nicht
diskurstauglich und bringt keiner Debatte was, ist also für Gesprächsrunden im TV ohne
weiteren Nutzen, den kruden Unterhaltungswert ausgenommen. Ewald Stadler zeigte zwar wenig
derartigen Schwächen, so einen Hang zum Beleidigen Andersdenkender, ließ aber "Im Zentrum"
vom 4.2.18 keinen Zweifel daran, daß er ein aggressiver Mann von erheblichem Eifer ist,
was offenkundig auch Parteichef Strache zu spüren bekommt. Präziser ausgedrückt:
Stadler erscheint mir als ein religiöser Eiferer, dem man lieber nicht ausgeliefert sein
möchte.
Damit hat uns aber der ORF nun einen guten Dienst erwiesen,
denn wir erhalten aus diesen Sendungen einen aufschlußreichen Eindruck, womit wir es zu
tun haben, wenn wir über jene Neue Rechte nachdenken, die Europa seit den 1980er
Jahren zu verändern sucht und sich dabei sehr zäh und erfolgreich in die Zentren der
Macht vorgearbeitet hat.
Dazu paßt natürlich auch Udo Landbauer in der "Zeit im Bild",
von dem einer der Anlässe für die Debatten in diesem Zeitfenster stammt, diese Liederbuch-Affäre.
An ihm finde ich keinerlei nennenswertes ideologisches Fundament. Da sehe ich bloß eine
aufstiegsfreudigen jungen Mann, der sich dafür kostümiert hat und im Krisenfall einfach
rausredet, so gut er kann, was ihm momentan mißlang und ihn einen 8.000 Euro-Job in der
Landespolitik verfehlen ließ.
Ich denke, realpolitisch ist eine Kraft wie Herbert Haupt
am gewichtigsten. Der erfahrene Jurist und Politiker weiß um seine Relevanz, wird nie
laut und ausfallend, das hat er auch nicht nötig, ist ein kompetenter und konzentrierter
Machtmensch. Dagegen ist Landbauer bloß nützlich, weil er jenes Aufstiegsversprechen
verkörpert, das schon im Faschismus wichtig war, um sich Gefolgschaft zu sichern. (Wer "noch
nichts ist", kann eine Bewegung verstärken, wenn man ihm das Gefühl gibt, er
wird es "sich dabei verbessern können".)
Mölzer, Vilimsky und Stadler haben außerdem erkennbar
gemacht, was in Gesprächen immer wieder als eine zentrale Strategie auftaucht, wenn die Vaterländischen
mit Elementen des Nazismus, wahlweise des Faschismus assoziiert werden. Sie stellen diese
Zusammenhänge in Abrede und versuchen das zu beweisen, indem sie betonen: Falls daran was
wäre, müssen Sie es zur Anzeige bringen, dann werden wir schon sehen.
Stadler explizit: "Die absolute Grenze ist die
Grenze des Strafrechts. Im Rahmen des Verfassungsspektrums kann jeder beitreten, wo er
will." Um zu erkennen, was daran der nicht knackbare Trick ist, sollte einem
klar sein, daß die Neue Rechte nun etliche Jahrzehnte ihre hellsten Köpfe daran
arbeiten ließ, diesem politischen Feld eine neue kulturelle Ebene zu schaffen, was vor
allem bedeutet, eine neue Sprache, gründlich adaptierte Codes.
Wird Ihnen der Trick nun deutlicher? Das Verbotsgesetz
bezieht sich auf Codes und Sprachregelungen. Wo den Herrschaften nun Verbindungen zu
Nazismus, wahlweise Faschismus, vorgeworfen werden, müßte man ihnen das nachweisen,
indem man sie über diese Codes und Sprachregelungen dingfest macht, und zwar am Beispiel
klagbarer Aussagen, Botschaften, Handlungsweisen. Genau das kann aber nicht
gelingen, wenn die Neue Rechte ihre gesamte Kultur des Auftretens und
Publizierens über nun gut vierzig Jahre so gründlich revidiert hat, um jene Chiffren und
Sätze rauszuarbeiten, die sich als klagbar erweisen könnten.
Warum hab ich wohl betont, daß Herr Haupt ein versierter
Jurist ist? Stadler hat, wie auch Mölzer, ebenfalls Rechtswissenschaften studiert. Gehen
Sie also ruhig davon aus, dieses politische Lager hat sich lange und hinreichend damit
befaßt, wie man ihre Exponenten an jenem Punkt möglichst nicht fassen kann; an dem
Punkt, den sie dann selbst häufig als Kriterium für ihre Position und legitime
politische Verfaßtheit nennen. Sehen Sie sich die drei genannten Sendungen auf Youtube
an und Sie werden das bestätigt finden.
Das heißt verkürzt: "Wir können keine Nazi
sein, weil sie uns nichts nachzuweisen vermögen, was vor Gericht als Beleg einer
Wiederbetätigung standhielte. Gehen Sie also brausen!" Mehr noch, Mölzer legt
das strategische Potential dieser Verfahrensweise offen, indem er über einen
rechtskräftig verurteilten Wiederbetätiger sagt, er habe seine Strafe verbüßt, es sei
daher heute unmoralisch, ihm das noch vorzuhalten und ihn im öffentlichen Diskurs dieses
Vergehens zu bezichtigen. Das ist ja ziemlich schlau angelegt.
Das heißt auch, diese Leute haben etwas, das gegen ihre
Ideologie gerichtet ist, für sich als nützliches Werkzeug adaptiert. Das war ein
beeindruckender politischer Schachzug. Daraus folgt: Wer den Vaterländischen mit
Vorhaltungen kommt, sie seien faschistisch bzw. nazistisch kontaminiert, kann von ihnen
nicht nur recht leicht abgewehrt werden, sondern trägt auch noch bei, sie in einer
Opferrolle zu stilisieren, sie angeblich leichtfertig und grundlos geschmäht zu haben.
(Man könnte womöglich ein Agent der Dummheit sein, wenn man ihnen all zu oft in genau
diese Falle tappt.)
Man muß schon tief graben und gelegentlich auf äußerst
verhaltensoriginelle Persönlichkeiten stoßen, wahlweise und per Zufall eher unwichtige
Kräfte des vaterländischen Bodenpersonals erwischen, damit man auf jemanden trifft, bei
dem klagbare Äußerungen dingfest gemacht werden können. Männer wie Mölzer, Stadler
oder Vilimsky wird man dabei wohl kaum erwischen und jeder Faschismus-Vorwurf kann mit
einfachen Wendungen von ihnen zum eigenen Vorteil genutzt werden.
Daran konnte auch der Politikwissenschafter Peter Filzmaier
nicht rühren, als er in der Sendung betonte, eine Partei sei eine "Wertegemeinschaft",
müßte also anderen Kriterien gerecht werden, also bloß den Rechtsnormen zu entsprechen.
Dieser Einwand läßt sich mühelos wegwischen. Da erblüht dann der bescheidene
Schwindel, man sei Hüter von Volk, Nation und Identität, von unserer Geschichte und
unseren Werten. Das gilt als ausreichender Dienst an der Wertefront.
Zeigen Sie mir bitte in meiner Region wenigstens ein, zwei
FPÖ-Kräfte, die von unserer Nation, Kultur und Geschichte wirklich eine Ahnung haben,
die wenigstens 15 Minuten anregendes Gespräch darüber durchstehen würden! Das verweist
auf den nächsten wunden Punkt in der Situation. Wo also vaterländische Kräfte eine Werte-Debatte
mit ihrer Simulation von eben erwähnter Hüterschaft bewältigen, was ist dann unsere
Kompetenz, diese Simulation als hohles Geschwätz erkennbar zu machen? Können wir es
besser?
Wo zeigen wir Kompetenz und Praxis, um die Themen Volk,
Nation, Identität, Geschichte und Werten respektabel zu behandeln? Ich vermisse da
vieles, wie ich auch einen leichtfertigen Umgang mit den Begriffen wie Zuschreibungen
"Faschismus" oder "Nazi" für äußerst problematisch und
kontraptoduktiv halte. Wer hier leichtfertig agiert und sich womöglich noch via Medien (Facebook,
Twitter etc.) mit polemischen Abschätzigkeiten hervortut, betreibt das Geschäft
der Vaterländischen, gießt weiteres Wasser auf ihre Mühlen.
Es wäre also vielleicht klüger, Kriterien unserer
Gegenwart zu wählen, die wir in der Auseinandersetzung mit den Vaterländischen
nützen können. Es sind Eigenarten wie Menschenverachtung via Hate Speech, die
international sowas wie sozialen Frieden beschädigen. Es ist das Behaupten von
Kompetenzen, die sich dann nicht nachweisen lassen, wo sich deren Schwachpunkte
offenbaren. Da tun sich etliche Felder auf, wo wir die Konfrontation suchen sollten. Aber
das Beleidigen Andersdenkender diskreditiert jeden klugen Schritt und entwertet jede
Strategie gegen autoritäre Konzepte.
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