27. Jänner 2018 Wie
drollig, daß mir die oststeirische FPÖ ausgerechnet heute ihr aktuelles Blatt
vor die Wohnungstür legen ließ. Vor allem mit der Botschaft, sie mögen mit mir "mutig"
vorankommen, und zwar "in die neuen Zeiten". Doch wie soll mir das
einladend erscheinen, wo sich doch unsere Vaterländischen seit Jahrzehnten
eigentlich nur in den alten Zeiten zurechtfinden?
Ihr erklärtes Verständnis von Volk, Kultur, Heimat und
Nation befindet sich auf dem Diskursniveau der Ära zwischen 1848 und 1938, weshalb sie
zum Beispiel auch zwischen Heimat und Vaterland nicht zu unterscheiden
verstehen, weil in eben jener Ära diese Begriffe ideologisch in Deckung gebracht wurden,
um die geistigen und politischen Krisen jener Zeit zu bewältigen.
Kurzer Einschub: Das Vaterland steht für den
Staat, dem man zugehört. Die Heimat ist eine wesentlich kleinere Dimension,
bestenfalls die Region, eher noch das Tal oder Dorf, woher man stammt, eigentlich ja das
Haus oder die Landwirtschaft, von der man kommt. (Fragen Sie einfach auf dem Lande nach,
was mit dem Begriff Hoamatl benannt wird!)
Man merkt, wie schmerzlich der neue Innenminister
Österreichs, Herbert Kickl, als maßgeblicher Headliner der FPÖ derzeit fehlt. "Mutig
in die neuen Zeiten!" ist ja ein Aufmacher von entsetzlicher Geistlosigkeit. Nun
aber zum 27. Jänner, als im Jahre 1945 die Rote Armee im Lager Auschwitz-Birkenau
eintraf, um das zu sehen, was gerade in dieser Woche Thema war, als man die Liederbücher
der pennalen Burschenschaft Germania durchgesehen hatte. Darin sind Textstellen
wie diese aufgefallen: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: Gebt Gas, ihr
alten Germanen, wir schaffen die siebte Million". Nun legt man mir an diesem
Samstag, wie erwähnt, das FPÖ-Blatt vor die Tür, am
27. Jänner: International Holocaust
Remembrance Day
Eine "Resolution adopted by the General Assembly
on 1 November 2005" der Vereinten Nationen besagt unter anderem:
"Reaffirming that the Holocaust, which resulted in the murder of one third of the
Jewish people, along with countless members of other minorities, will forever be a warning
to all people of the dangers of hatred, bigotry, racism and prejudice" [Quelle
PDF]
Das heißt, die Kräfte der regionalen FPÖ sind entweder
so skrupellos oder so besinnungslos, gerade heute ihr Blatt auszuteilen, womit man mir
unter anderem den Steirer Mario Kunasek als Verteidigungsminister rekommandiert.
Zu all dem als kleine Illustration: In der Liederbuch-Sache
haben sich die Burschen der Germania übrigens nicht etwa mannhaft gezeigt, um
stramm und aufrecht für diese peinliche Sache einzustehen, was empfohlen hätte, uns zu
sagen: "Ja, blöd gelaufen, wie versprechen Besserung und bringen das in
Ordnung."
Statt dessen zeigt ein leitender Funktionär dieser
Formationen, daß er die Schneid einer Salatgurke hat und seine Haltung von jedem nassen
Handtuch übertroffen wird: "Philip Wenninger, stellvertretender Obmann der
Mittelschülerverbindung, erklärte dass man seit Jahren das 1997 gedruckte Liederbuch
erneuern wolle. Bisher habe es aber am Geld gefehlt, soll es doch ein ledergebundenes Buch
werden. Wie die nun publik gewordenen Texte, in denen der Judenmord verherrlicht wird, in
das Liederbuch kamen, sei nun zu klären." [Quelle: Kurier]
Es. Hat. Das. Geld. Gefehlt. Wenn mich etwas an den Vaterländischen
über alle Maßen provoziert, dann ist es dieser deprimierende Mangel an Esprit, den ich
für unverzeihlich halte und mit dem man ja unter sich bleiben könnte. Aber nein, sie tun
ihn der Welt kund.
Dazu kommen häufig auftretende weinerliche Zustände, wie
mir auch FPÖ-Politiker Udo Landbauer, der mit dieser Liederbuch-Sache aufgeflogen war,
einen solchen via Youtube zugemutet hat. Dieses Gestammel wäre allein schon
Grund genug, sich aus der Politik zurückzuziehen und ein paar Seminare zur Stärkung der inneren
Werte zu buchen.
Es ist zu viel verlangt, das alles ausführlicher zu
kommentieren. Diese gut frisierten Weichspüler in ihren gebügelten Klamotten, die so
wenig Punch haben, um ihre augenblicklich günstigen politischen Positionen, von
denen etliche ja auch sehr einträglich sind, durchzustehen, treiben mir Tränen in die
Augen und verstärken den Wunsch, mich zu betrinken. Aber solche Zustände lassen sich
einfach nicht schönsaufen. Also muß in anderen Zusammenhängen der Demokratie das
Rückgrat gestärkt werden.
Immerhin gibt es kulturell reichlich zu tun, denn
die Fragen zu Heimat, Volk, Nation, Geschichte und Identität brauchen reichlich
Zuwendung. Die Vaterländischen reden mir so viel davon und zeigen so wenig
Ahnung, wenn man auch nur ein wenig nachfragt. Hier besteht reichlicher Klärungsbedarf.
Post Scriptum: Ein jüngst aufgefundenes Pamphlet beweist,
daß Brachialdicher Hansi N. Neststreu wieder aktiv geworden ist. Im Gedicht "zackzack"
widmet er sich dem Thema "Borrschenschaft": [link] |