23. Jänner 2018

Zum gestern gezeigten Nachbau eines Bauernhauses aus dem Neolithikum (in Asparn) fiel mir nun noch dieses Haus aus dem Freilichtmuseum Vorau ein. Es scheint, als habe die Summe der Funktionen über Jahrtausende eine ähnliche Grundstruktur nahegelegt, um sich darin auszudifferenzieren und jeweils die technischen Innovationen einzubauen.

log2470a.jpg (15365 Byte)

Freilichtmuseum Voraus

Eine Rauchkuchl aus dem 19. Jahrhundert unterscheidet sich zum Beispiel kaum von einer Feuerstelle vor mehreren Jahrtausenden, abgesehen von der Verwendung eiserner Gegenstände. Von den ersten Pflügen bis zur Weggabelung zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft scheinen manche Strukturen unglaubliche Dauer zu haben. Innerhalb dieser Strukturen war offenbar ein ständiges Tüfteln an Möglichkeiten, sich die Mühen der Arbeit zu erleichtern, üblich.

log2470b.jpg (20898 Byte)

Urgeschichtemuseum in Asparn (Foto: PictureObelix, Creative Commons)

Bis zur Neusteinzeit hatten sich aus den Grabstöcken sogenannte Ritzpflüge entwickelt. Da ist selbst für Laien gut vorstellbar, welche Schufterei es gewesen sein muß, damit eine nennenswerte Fläche zu bearbeiten, zu lockern und zu durchlüften, der Saat gute Bedingungen zu schaffen. Die symmetrische Holzspitze wurde später mit Eisenplatten verstärkt. So zeichnete sich ab, was wir heute noch gelegentlich in Vorgärten als einscharige Pflüge sehen können, die schon lange ausgedient haben und nun populäre Dekorationsgegenstände abgeben.

log2470c.jpg (32052 Byte)

Rekonstruktion eines neolithischen Ritzpfluges (Foto: Wolfgang Sauber, Creative Commons)

Bei uns wurde nach dem Zweiten Weltkrieg noch mit ein- und zweischarigen Pflügen umgebaut. Mehr konnten die ersten Steyr-Traktoren, die 1947 auf den Markt kamen, nicht ziehen. Siehe dazu: "Der Fünfzehner und Konsorten". Es finden sich übrigens bis heute nervöse junge Menschen, die mit Traktoren ähnlichem Marken-Fetischismus betreiben, wie das auch bei Autos vorkommt; so als wäre der Produzent ein Fußballklub, dem man emotional anhängt und daher jeden anderen Klub leidenschaftlich verachtet.

Die Feindseligkeiten sind entsprechend der Marktlage aufgestellt an bestimmten marken festgemacht. Steyr, Deutz, John Deere... Das führt gelegentlich zu so grotesken Mitteilungen wie "Hat der Bauer schwule Kinder, fährt er Deutz mit sechs Zylinder!". Siehe dazu: "Traktor. Marke. Fetisch." Ein Beispiel für die Alltags-Kerl-Nummern, in denen ein aufgeregtes Männchen sich selbst bestätigt, indem es jemanden zum "Nicht-Mann" erklärt und als Referenzpunkt mißbraucht. Im Grunde eine völlig leere Aussage, die bei Traktoren interessanterweise ins Spitzenfach greift, denn der Weg vom Einzylinder zum Sechszylinder ist teuer.

Aber zurück zu den Pflügen, zumal hier eben der Markenname John Deere gefallen ist. Namensgeber war ein Hufschmied aus Vermont (USA), der sich mit auf Hochglanz polierten Heugabeln und Schaufeln einen guten Namen gemacht hatte. Deere zog 1839 aufgrund einer vielversprechenden Marktsituation nach Grand Detour, Illinois Es heißt, es sei ihm aufgefallen, daß die gußeisernen Pflüge von den sandigen Böden Neuenglands für die schweren Böden des Mittleren Westens völlig ungeeignet waren, so Charlotte und Peter Fiell in ihrem Lexikon zum Indiustriedesign. Die häufig nötigen Reparaturen brachten ihn auf die Idee, den Pflügen eine zusätzliche, glattpoliert Blende zu verpassen, das sogenannte Streichblech, dem er eine selbstreinigenden Qualität verpaßte.

log2470d.jpg (24189 Byte)

Früher John Deere-Pflug, zirka 1845, aus Grand Detour, Illinois
(Foto: Rmhermen, Creative Commons)

Da sehen wir also ein weiteres Beispiel, um den Zusammenhang zu betonen, der sich so bündeln läßt: Keine Industrielle Revolution ohne agrarische Revolution. Wenn ein Motto der Friedensbewegung mit "Schwerter zu Pflugscharen" überliefert ist, dann weist doch allerhand darauf hin, daß die Menschen stets an Schwertern und Pflugscharen gleichermaßen interessiert waren, das laufend weiter entwickelt haben.

Die Steiermark kommt übrigens in der Geschichte der Verbesserung des Pfluges auch vor. Der der sogenannte Sech war schon lange bekannt. Eine Art Messer, senkrecht vor die Pflugschar gesetzt.  Der Dorfschmied Pangraz Fuchs aus Wagersbach, heute ein Teil von Vasoldsberg, damals der Pfarre Fernitz zugehörig, ersann 1809 eine spezielle Montage des Sech am Grindel, dem tragenden Teil des Pfluges. Er schuf damit ein effizientes Werkzeug, das sich den üblichen Pflugen bei uns als überlegen erwies. Dieser Fernitzer Pflug wurde von Erzherzog Johann hervorgehoben und verbreitete sich folglich in der gesamten Donaumonarchie.

log2470e.jpg (10077 Byte)

Den Sech findet man im Gemeindewappen von Fernitz. David Ziegler erläuterte in den Gemeindenachrichten vom Winter 2012 diesen Zusammenhang. Ein weiteres Mosaiksteinchen der Abteilung "Weltgeschichte berührt Regionalgeschichte".

Der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Rainer Land erwähnte den Fernitzer Pflug in einem seiner Vorträge. Dabei stand "Evolution als Modell" zur Debatte. Land betonte, Evolution sei "die "Entstehung von Neuem durch Kumulation von Selektionen".

Im Jahr 2002 dachten Rainer Land und Andreas Willisch über die "Transformation des Produktionsmodells der Agrarwirtschaft" nach, über "Die Anwendung eines industriesoziologischen Konzepts in der Agrarsoziologie". Dabei stellten sie einleitend fest: "Global vollzieht sich ein tiefster und umfassender Strukturwandel der Agrarwirtschaft und der ländlichen Gesellschaften, dessen Ausgang offen und dessen Ende nicht abzusehen ist."

Wie oben erwähnt, keine Industrielle Revolution ohne agrarische Revolution. Wo die aktuelle Situation begriffen werden will, bliebe das ohne Blick auf die Landwirtschaft sehr unscharf.

-- [Dorf 4.0] --

[kontakt] [reset] [krusche]