23. Jänner 2018 Zum
gestern gezeigten Nachbau eines Bauernhauses aus dem Neolithikum (in Asparn) fiel
mir nun noch dieses Haus aus dem Freilichtmuseum Vorau ein. Es scheint, als habe die Summe der
Funktionen über Jahrtausende eine ähnliche Grundstruktur nahegelegt, um sich darin
auszudifferenzieren und jeweils die technischen Innovationen einzubauen.
Freilichtmuseum Voraus
Eine Rauchkuchl aus dem 19. Jahrhundert unterscheidet sich
zum Beispiel kaum von einer Feuerstelle vor mehreren Jahrtausenden, abgesehen von der
Verwendung eiserner Gegenstände. Von den ersten Pflügen bis zur Weggabelung zwischen
bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft scheinen manche Strukturen unglaubliche
Dauer zu haben. Innerhalb dieser Strukturen war offenbar ein ständiges Tüfteln an
Möglichkeiten, sich die Mühen der Arbeit zu erleichtern, üblich.
Urgeschichtemuseum in Asparn (Foto:
PictureObelix, Creative Commons)
Bis zur Neusteinzeit hatten sich aus den Grabstöcken
sogenannte Ritzpflüge entwickelt. Da ist selbst für Laien gut vorstellbar,
welche Schufterei es gewesen sein muß, damit eine nennenswerte Fläche zu bearbeiten, zu
lockern und zu durchlüften, der Saat gute Bedingungen zu schaffen. Die symmetrische
Holzspitze wurde später mit Eisenplatten verstärkt. So zeichnete sich ab, was wir heute
noch gelegentlich in Vorgärten als einscharige Pflüge sehen können, die schon lange
ausgedient haben und nun populäre Dekorationsgegenstände abgeben.
Rekonstruktion eines neolithischen
Ritzpfluges (Foto: Wolfgang Sauber, Creative Commons)
Bei uns wurde nach dem Zweiten Weltkrieg noch mit ein- und
zweischarigen Pflügen umgebaut. Mehr konnten die ersten Steyr-Traktoren, die
1947 auf den Markt kamen, nicht ziehen. Siehe dazu: "Der Fünfzehner und Konsorten". Es finden sich übrigens bis
heute nervöse junge Menschen, die mit Traktoren ähnlichem Marken-Fetischismus betreiben,
wie das auch bei Autos vorkommt; so als wäre der Produzent ein Fußballklub, dem man
emotional anhängt und daher jeden anderen Klub leidenschaftlich verachtet.
Die Feindseligkeiten sind entsprechend der Marktlage
aufgestellt an bestimmten marken festgemacht. Steyr, Deutz, John Deere... Das
führt gelegentlich zu so grotesken Mitteilungen wie "Hat der Bauer schwule
Kinder, fährt er Deutz mit sechs Zylinder!". Siehe dazu: "Traktor. Marke.
Fetisch." Ein Beispiel für die Alltags-Kerl-Nummern, in denen ein
aufgeregtes Männchen sich selbst bestätigt, indem es jemanden zum "Nicht-Mann"
erklärt und als Referenzpunkt mißbraucht. Im Grunde eine völlig leere Aussage, die bei
Traktoren interessanterweise ins Spitzenfach greift, denn der Weg vom Einzylinder zum
Sechszylinder ist teuer.
Aber zurück zu den Pflügen, zumal hier eben der
Markenname John Deere gefallen ist. Namensgeber war ein Hufschmied aus Vermont
(USA), der sich mit auf Hochglanz polierten Heugabeln und Schaufeln einen guten Namen
gemacht hatte. Deere zog 1839 aufgrund einer vielversprechenden Marktsituation nach Grand
Detour, Illinois Es heißt, es sei ihm aufgefallen, daß die gußeisernen Pflüge von den
sandigen Böden Neuenglands für die schweren Böden des Mittleren Westens völlig
ungeeignet waren, so Charlotte und Peter Fiell in ihrem Lexikon zum Indiustriedesign.
Die häufig nötigen Reparaturen brachten ihn auf die Idee, den Pflügen eine
zusätzliche, glattpoliert Blende zu verpassen, das sogenannte Streichblech, dem
er eine selbstreinigenden Qualität verpaßte.
Früher John Deere-Pflug, zirka
1845, aus Grand Detour, Illinois
(Foto: Rmhermen, Creative Commons)
Da sehen wir also ein weiteres Beispiel, um den
Zusammenhang zu betonen, der sich so bündeln läßt: Keine Industrielle Revolution
ohne agrarische Revolution. Wenn ein Motto der Friedensbewegung mit "Schwerter
zu Pflugscharen" überliefert ist, dann weist doch allerhand darauf hin, daß
die Menschen stets an Schwertern und Pflugscharen gleichermaßen interessiert
waren, das laufend weiter entwickelt haben.
Die Steiermark kommt übrigens in der Geschichte der
Verbesserung des Pfluges auch vor. Der der sogenannte Sech war schon lange
bekannt. Eine Art Messer, senkrecht vor die Pflugschar gesetzt. Der Dorfschmied
Pangraz Fuchs aus Wagersbach, heute ein Teil von Vasoldsberg, damals der Pfarre Fernitz
zugehörig, ersann 1809 eine spezielle Montage des Sech am Grindel, dem
tragenden Teil des Pfluges. Er schuf damit ein effizientes Werkzeug, das sich den
üblichen Pflugen bei uns als überlegen erwies. Dieser Fernitzer Pflug wurde von
Erzherzog Johann hervorgehoben und verbreitete sich folglich in der gesamten
Donaumonarchie.
Den Sech findet man im Gemeindewappen von Fernitz.
David Ziegler erläuterte in den Gemeindenachrichten vom Winter 2012 diesen Zusammenhang.
Ein weiteres Mosaiksteinchen der Abteilung "Weltgeschichte berührt
Regionalgeschichte".
Der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Rainer Land
erwähnte den Fernitzer Pflug in einem seiner Vorträge. Dabei stand "Evolution
als Modell" zur Debatte. Land betonte, Evolution sei "die
"Entstehung von Neuem durch Kumulation von Selektionen".
Im Jahr 2002 dachten Rainer Land und Andreas Willisch über
die "Transformation des Produktionsmodells der Agrarwirtschaft" nach,
über "Die Anwendung eines industriesoziologischen Konzepts in der
Agrarsoziologie". Dabei stellten sie einleitend fest: "Global vollzieht
sich ein tiefster und umfassender Strukturwandel der Agrarwirtschaft und der ländlichen
Gesellschaften, dessen Ausgang offen und dessen Ende nicht abzusehen ist."
Wie oben erwähnt, keine Industrielle Revolution ohne
agrarische Revolution. Wo die aktuelle Situation begriffen werden will, bliebe das
ohne Blick auf die Landwirtschaft sehr unscharf.
-- [Dorf 4.0] -- |