13. Jänner 2018 Ich
hatte mir nun vorgenommen, die Maschinenprosa dieser Tage enger an das Thema
Kunst heranzuführen. Da steht noch diese Pfaller'sche Idee im Raum, ein Kunstwerk könne sich
selbst betrachten und seine Vollendung möge in solchem Zusammenhang nicht an den
Betrachter delegiert werden.
Bevor Sie das lächelnd als Unfug abtun, lassen Sie sich
daran erinnern, daß wir in der Sache selbstverständlich das Reich der Transzendenz
betreten haben. Anders wäre über Kunst gar nicht zu reden. Natürlich sind das quasi Glaubensgegenstände,
viel faßbarer ist die Kunst gar nicht.
Und ersparen Sie mir bitte bloß so ein "Ha!
Wußte ich es doch!" Wer sich auf Realitäten der simplen Art angewiesen fühlt,
sollte den nächsten Baumarkt besuchen, um ein überreiches Angebot von nützlichen Dingen
zu finden, die von (fast) allen Menschen verstanden werden. (Die Dübel für Gipsplatten
sind allerdings wirklich sophisticated.)
Ich fand bei Robert Pfaller den fast schon ärgerlichen
Satz: "Denn eine falsche Theorie der eigenen Praxis führt zur Deformation dieser
Praxis." Das trifft natürlich auf Sie genauso zu wie auch ,ich, also
Vorsicht mit den schnellen Statements! Pfaller ätzt natürlich, wenn er notiert, da sei
eine "in der Gegenwartskunst verbreitere Vorstellung, dass der ästhetische
Genuss der Betrachter am besten durch Möglichkeiten des Mitmachen gewährleistet werden
könne."
Das riecht nach genau diesem in seinem Selbstbewußtsein
wankenden Bildungsbürgertum, dem wir seit dem 18. Jahrhundert unsere heute immer
noch dominante Vorstellung von Volkskultur und Volkskunde verdanken, da man sich damals,
im Schatten des Besitzbürgertums geduckt, "Das Volk" als Mündel
erwählt hat, um sich jemandem überlegen zu fühlen, einem Teil der Bevölkerung, der
belehrt und erzogen werden sollte.
So wird bis heute Volkskultur a la Geramb zelebriert, als
hätte es Hermann Bausinger oder Dieter Kramer nie gegeben. Die Entwicklung zeigt
interessante Aspekte. Hier in der Provinz haben wir sogar den Partizipationsgedanken
abgewandelt. Er löst sich hauptsächlich in der Teilnahme eines Publikums an Vernissagen
ein, eine Teilgabe an den Kunstwerken erübrigt sich dabei. Das heißt, eine gut besuchte
Vernissage gilt als kultureller Erfolg und darf zugleich als ein relevanter Ausdruck von
Partizipation gesehen werden.
Dabei muß man klarerweise die Zugangsschwellen moderat
gestalten. Was muß man noch? Gutes Geld in Infrastruktur, PR-Arbeit und vor allem das
Buffet stecken. (Siehe dazu: "Der Hunger nach Kultur"!) Ein Beispiel: Der wichtigste und
geeignetste Ausstellungsraum in der Kleinregion Gleisdorf ist das MIR: Museum
im Rathaus. Es wäre eigentlich auch der Ort, um gelegentlich die äußerst
interessanten Archivalien und Artefakte aus dem Depot zu zeigen. (Immerhin verfügt die
Kulturabteilung der Stadt über zwei Angestellte mit abgeschlossenem
Kunstgeschichtestudium.)
Zur Illustration, was es bedeutet, Zugangsschwellen moderat
zu gestalten, eine kleine Rückschau auf die letzten Veranstaltungstitel. Das mag
verdeutlichen, daß dieses Veranstaltungskonzept auf Geselligkeit ausgelegt ist, auf die
Partizipation an Vernissagen:
12.1.2017: UnVerbesserlich
9.2.2017: Morgenlandfahrt
9.3.2017: Art & Fashion: Bilder und Strickmodelle
6.4.2017: EASTSTYRIAN ROADSIDE ATTRACTIONS
4.5.2017: Mein Ausdruck ist dein Eindruck: Alles Schwingung
8.6.2017: Wirbelsturm und Sternenstaub: Expedition Identität
7.9.2017: Im Garten der Fau Minne
5.10.2017: Zarte Seiten Schmucke Saiten
9.11.2017: BLAUGRUEN
7.12.2017: verWEILE, farben WARTEN auf DICH
Wäre in so einem Setting die Pfaller'sche Option nicht
ungeheuer provozierend? Ein Kunstwerk, das sich selbst betrachtet und für sein Dasein
keines Betrachters bedarf, der es durch seine Rezeption vollendet. Was bliebe da für
Politik und Verwaltung zu tun? Wie und wofür bekäme man dabei sein Konterfei in die
regionalen Blätter?
So ein Modus gliche dem Verwahren der Archivalien und
Artefakten, die seit Jahren ungesehen und unrezipiert unter dem Gleisdorfer Servicecenter
gelagert sind. Aber da hilft im Kulturpolitischen nichts, es muß den Menschen völlig
frei stehen, ob sie bloß die Partizipation an Vernissagen suchen oder auch die
Partizipation an einem geistigen Leben, das erst gewichtige Wahrnehmungserfahrungen
bietet, wenn man auf Dinge stößt, welche sich in der eigenen Welt nicht an allen Ecken
finden lassen.
Nun würde ich zwar nicht unter die Flagge der Kunst
stellen, was bestenfalls den Rang von dekorativen Arbeiten erreicht oder in die Abteilung "Hoher
persönlicher Erinnerungswert" gehört, aber Kulturpolitik wird bei uns nicht
öffentlich verhandelt, also obliegt sie den formell eingesetzten Kräften; und ein gutes
Buffet scheint vieles auszugleichen. (Siehe dazu auch: "Eröffnungsredereien"!)
Begreiflich, daß etliche Menschen nach der Arbeit und nach
anderen Mühen des Alltags einen erhöhten Deutungsaufwand eher meiden möchten. Wo einem
allenfalls ein Mangel an Wahrnehmungserfahrungen so manches Defizit beschert, zum Beispiel
in den Problemlösungskompetenzen, stehen Legionen von Lebensberatunnsgsfachkräften in
der Gegend herum. Wo das allenfalls nichts fruchtet, bleibt immer noch ein Ausflug in die
Esoterik offen.
Bevor nun meine Ironie in Zynismus kippt, zurück zum
eigentlichen Thema. Wie eine Gesellschaft gut beraten ist, in Grundlagenforschung zu
investieren und nicht bloß in die angewandten Bereiche, könnte es von Vorteil sein, in
Grundanordnungen eines geistigen Lebens zu investieren und nicht bloß in Events. (Siehe
dazu auch: "Ungefragte Ratschläge für oststeirisches Kunstpublikum"!)
In solchen Zusammenhängen wird die Befassung mit dem Transzendenten
plausibel, etwa mit dem Kunstwerk, das sich selbst betrachtet, oder um einen Schritt
weiter zu gehen, sogar mit dem Kunstwerk, das nichts von sich weiß.
In unserem 2017er Kunstsymposion "Artist Is Obsolete",
da wir an eine Position herankamen, wo Maschinen diskussionswürdige Werke produzieren,
war von einer Grundannahme auszugehen: Wir sind die einzige Spezies, der es gelingt, Dinge
zu denken, die es nicht gibt. Wir haben vor einigen tausend Jahren symbolisches Denken
entwickelt, was sich als enormer evolutionärer Vorteil erwiesen hat.
Diese Praxis des symbolischen Denkens befähigt uns zu
einem geistigen Leben, das nicht primär alltäglicher Nützlichkeit gewidmet ist. Das
heißt, bis es in der Alltagsbewältigung gebraucht wird (Angewandtes), sollte es Raum und
Gelegenheit für eine zweckfreie Entfaltung (Grundlagen) haben.
Es ist die Sache herkömmlicher Kulturmanagements, sich um
die Event-Optionen zu kümmern und das in der Öffentlichkeit entsprechend zu verkaufen.
Davon kann auch die Kunst profitieren. Aber vor dem Angewandten kommt naturgemäß das
Grundlagen-Thema. (Ein Sowohl-als-auch, kein Entweder-oder!)
Ich hab vor über einem Jahrzehnt den Raum um Gleisdorf als
"zentrale Bühne" definiert, als einen Ereignisraum, mit dem andere Räume
verknüpft wurden; siehe: [link]
Auf dieses Raumkonzept ist das für 20 Jahre ausgelegte Projekt "The Long Distance Howl" gestellt.
Dieses Projekt war nie als "Intervention" konzipiert, sondern folgt
ganz anderen Prinzipien. (Davon später!)
Das ist nun die passende Zeit, um den kulturellen Status
quo der Region in einigen Bereichen abzufragen und in jenem Möglichkeitsraum eines
geistigen Lebens diese Kategorien zu betonen: Das Kunstwerk, das sich selbst betrachtet
und das Kunstwerk, das nichts von sich weiß.
-- [Kunst] -- |