13. November 2017

War denn das jetzt gar so schwer? Einfach eine Weile zuhören, wenn Frauen ihren Unmut äußern. Ob es nun bloß Tage oder auch Wochen dauert, daß über alle denkbaren Medienkanäle zu erfahren ist, was Frauen im Alltag bedenken müssen, wenn sie abschätzigen Blicken, lauten Anzüglichkeiten oder auch den Händen von Männern ausweichen möchten, davon könnte doch eine Weile die Rede sein, ohne daß abgewiegelt oder beschwichtigt werden muß.

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Ich vermute, das problematische Verhalten von Männern, wenn sich ihr Begehren nach Mächtigkeit am Duft von Frauen orientiert, ist derart weit verbreitet, daß viele Männer und Frauen es vorziehen, das Thema in öffentlichen Diskursen lieber gleich einzudämmen.

Natürlich habe ich mir die Statements von Schauspielerin Nina Proll angehört, hab müde lächelnd gesehen, daß Figuren wie der Journalist Michael Jeannee oder der Verleger Christian Mucha vor ihr Knien und in merkwürdigem Eifer derart unerhebliche Sätze absondern, daß keiner davon ein Zitat lohnt.

Als erfahrener Österreicher nehme ich auch gelassen hin, daß man Männern wie dem Regisseur Otto Retzer zum Thema Sendezeit nachwirft, was ebenfalls kein einziges Zutat nötig macht. Es lassen sich dagegen mühelos fundierte Debatten darüber finden, daß die ganze Bandbreite von Anzüglichkeiten bis zu sexualisierter Gewalt in ungeschminkten Überfällen nicht von gelegentlichen Vorkommnissen handelt, sondern vom Alltag. Das trifft keineswegs ausschließlich, aber hauptsächlich Mädchen und Frauen. Das hat epidemische Ausmaße und kommt in bedrückend hohem Maß von Familienangehörigen wie von Vorgesetzten.

Ich bin keineswegs bereit, die Stichhaltigkeit dieser Faktenlage zu debattieren. Wer das in Diskussionen anzweifelt, könnte ebenso anzweifeln, daß auf den November der Dezember folgt, denn das ist alles gut untersucht und mit mit Quellen belegt. Solche Art zweifelnd in die Welt zu glotzen halte ich daher für pure Ablenkungsmanöver.

Mein Schlüsselerlebnis in der Sache liegt Jahrzehnte zurück. Die Lektüre des Buches "Der Mann auf der Straße" von Cheryl Benard und Edit Schlaffer. Die Einleitung beginnt mit den Worten "Dieses Buch handelt von einem Phantom". Die Autorinnen stellten klar, daß es eine "Normalität" im Verhalten vieler Männer gibt, die wir nicht als etwas Besonders wahrnehmen, die kaum zu sehen ist, außer man wird selbst Ziel dieses "normalen Verhaltens".

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Das Buch hat mir deutlich gemacht, wie viel an unakzeptablen Momenten alltäglich auf Frauen  warten, ohne daß ich es mitbekomme und ohne daß ich als Mann vergleichbaren Zumutungen ausgesetzt wäre. Sie können das jederzeit ganz leicht überprüfen. Ein grobes Beispiel: Fragen Sie Frauen in Ihrem Bekanntenkreis, die auf Facebook präsent sind, nach einschlägigen Anmaßungen. Wie viele werden sie in ihrem Umfeld finden, die schon von völlig fremden Männern erst Komplimente zugesandt bekamen und bald darauf ein Foto der nackten Kronjuwelen des Idioten?

Wäre es nicht so ärgerlich, man könnte sich darüber scheckig lachen, daß mancher Neandertaler tatsächlich denkt, sein Schniedel sei ein solches Gottesgeschenk, das müsse man doch der Frauenwelt vorführen. Es ergibt bloß eines von mehreren möglichen Beispielen, daß aufgeregte Männchen recht bald ihre selbst generierten Legenden über weibliche Sexualität glauben. Wie sollen wir uns das denn nun vorstellen? Die Adressatin bekommt feuchte Augen und in ihr erklingt ein "Will haben!" oder so?

Mein Freundes- und Bekanntenkreis ist von Frauen belebt, die sich zu wehren wissen, wenn ein Mann weder seine Zunge noch seine Hände im Zaum halten kann. Um diese Dinge muß ich mich nicht wichtig machen, diese Frauen regeln das selbst. Aber das Klima, in dem wir miteinander leben, schert mich durchaus. So würde ich in gemeinsamer Runde Anzüglichkeiten niemals dulden, weil ich den Mangel an Esprit für eine strafbare Handlung halte. Wo daher ein Mann Richtung Frauen derlei Ansagen rausschiebt, nehme ich das persönlich, als einen Angriff auf meine Intelligenz und mein Wohlbefinden.

Ich weiß schon, daß Dummheit die Dummen selbst gewöhnlich nicht schmerzt, mich aber, weshalb ich davon verschont bleiben möchte. Daß Frauen sich vielerorts gut überlegen müssen, ob sie mit diesem oder jenem Mann alleine in einem Lift oder einem Zimmer sein möchten, finde ich allerdings unerträglich. Daß viele Mädchen und Frauen selbst zuhause nicht vor Übergriffen sicher sind, finde ich entsetzlich. Das ist seit Jahrzehnten evident, allgemein bekannt und allein durch die Justiz keinesfalls in den Griff zu bekommen.

Mich interessiert überhaupt nicht, was uns an Ratschlägen für Frauen einfiele, um sich gegen Über- und Untergriffe zu schützen. Hauptthema bleibt, daß Männer ihr Verhalten gegenüber Frauen ändern müssen, wo es ihnen nicht gelingt, ihnen angemessen zu begegnen.

Ich habe dafür ein durchaus egoistisches Motiv. Ich will selbst in keinem durch derlei Unsäglichkeiten kontaminierten Klima leben. Ich will mit Frauen zu tun haben, die von solchen Zumutungen unbelastet sind, keine Energie dafür verschwenden müssen, um sich zu schützen, von keinen Gedanken abgelenkt sind, was sie meiden sollen, wenn sie mit Männern zu tun haben.

Daraus ergibt sich selbstredend, daß ich meinerseits keine Energie vergeuden möchte, um anmaßende Deppen aus den Kreisen meiner Wahrnehmung zu weisen, denn allein solche Posen zu sehen empfinde ich schon als ärgerliche Zumutung. Daher argumentiere ich vor allem einmal für mein eigenes Wohlbefinden, daß diese Art der Selbstherrlichkeit (oder Verzweiflung) breite gesellschaftliche Ächtung braucht.

-- [Das Kunstsymposion] --

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