6. November 2017 Über Nacht kam der Regen, der uns während des Symposions gemieden
hat. Es ist ein wenig so, als möge sich das ganze System nun abkühlen. Das hatte sein
gestriges Ende in einem kleinen Kellerlokal, wo Unternehmer Ewald Ulrich und ich ein paar
Drinks zu einem abschließenden Essen geordert haben.
Wir hatten davor das verwendete Mobiliar aus den Räumen
geschafft, all die Tische und ungezählte Sessel, während Profis jenen Kubus abbauten, in
dem die Installation "The Forest" von Robert Gabris gehangen hatte.
Dieser Raum im Raum bestand aus einer großen Menge von Aluminium-Profilen, in denen
Platten verankert, an denen Planen festgemacht waren. (Die Profis erwarten vom Normalo,
daß er in einem Durchgang bloß zwei Paneele trägt, sie selbst nehmen drei auf einmal.)
Es führt eine breite, komfortabel flach angelegte Treppe
in das zweite Stockwerk zu den Räumen, aus denen wir nun alles nach unten schaffen
mußten, was nicht zum Haus gehört. Ich hab keine Ahnung, wie oft wir diese Treppe
gestern passiert haben, aber es ist mit Sicherheit einer netten Bergwanderung
gleichgekommen. (Darin ist Ulrich recht geübt, während ich es mehr mit dem Radfahren
habe.) Wir beide haben dieses ausgedehnte Treppensteigen als eine merkliche Strapaze
unserer Belastbarkeit erlebt. Und das hat etwas ganz Wesentliches.
Nach diesen Tagen durchgängiger Beanspruchung in der
Verantwortung für den Symposions- Verlauf wird diese Schlußszene zu einem Garanten, daß
neben all den anbahnenden Laufereien und der ausufernden Kopfarbeit das Ereignis sich
abschließend in einem selbst, in den beiden Hauptverantwortlichen dieser Session, ganz
deutlich als etwas Körperliches äußert, festsetzt.
Es kommt ein weiterer wichtiger Aspekt dazu. Ich nenne es
gerne: die Arbeit am ganzen Leben. Es betrifft nicht alles, aber doch die meisten
Handgriffe, durch welche so ein Symposion über die Bühne gebracht wird. Dabei lösen wir
die weitreichende Arbeitsteiligkeit dieser Gesellschaft, dieser Kultur, kurz auf.
Das meint: überall Hand anlegen, jeden Teil des Prozesses
kennen. Das führt zu völlig anderen Effekten, Wahrnehmungserfahrungen, Schlüssen, als
wenn man bloß Anordnungen austeilt, um ein Symposion stattfinden zu lassen, also anderen
Leuten etwas anschafft. Das Delegieren ist ein grundlegend anderer Job.
Ich mag dann diese Schlußszenen sehr, weil der Ausstieg
aus einer intensiven und mehrtägigen Gemeinsamkeit mit inspirierten Menschen mich sowieso
emotional sehr deutlich anfaßt. Dabei ist es irgendwie tröstlich, wenn es derart physisch
wird. Da ist also doch noch ein Stapel Sessel vergessen worden, also erneut die Rodel
holen und den Stapel wegschaffen.
Da sind also doch noch Schnüre von abgehängten Bildern
vergessen worden. Also noch einmal die große Leiter holen, denn die Räume sind hoch. Da
ist also doch noch Zeug übrig, das nach unten muß und uns mehr als einen Gang über die
breite Treppe abverlangt. Der Letzte macht das Licht aus.
Ich hab unter der Weste einen nassen T-Shirt-Rücken, es
dauert noch eine Weile, dann werden wir uns an einen Wirtshaustisch setzen, um ein paar
große Schlucke aus beschlagenen Gläsern zu nehmen und darüber zu plaudern, was das
alles grade gewesen ist.
Ich hatte in den Tagen davor mit Astrid Kury von der Akademie
Graz darüber gesprochen, was zu tun sei, wo derzeit die Wissens- und Kulturarbeit so
auffallend wenig Wertschätzung erfahren, quasi eine unterbelichtete Stelle
ergeben.
Wie ließe sich wieder mehr Licht in diese Sache bringen?
An welchen Schrauben wäre zu drehen, um dafür etwas zu bewirken? Das müssen wir ja
überhaupt erst einmal für uns selbst klären, um es dann anderen vorlegen zu können.
Ich denke, das hat unter anderem genau in so einem grundlegenden Engagement einen
Ausgangspunkt, in diesem persönlichen Handanlegen für kulturelle Prozesse.
-- [Das Kunstsymposion] -- |