18. Oktober 2017 Die Debatte, ob man eine Demokratie mit
demokratischen Mitteln anfechten darf, veraltet nicht. Darüber ist aber leicht zu
übersehen, daß die Demokratie das, was sie verspricht, nicht von sich aus bereitstellen
kann. Es bedarf dazu engagierter, auch streitbarer Menschen. Demokratie als ein Code, der
verhandelt und schließlich umgesetzt werden will, auf diese oder jene Arten. Wir sehen
derzeit, da ist nichts in Stein gehauen.
Ich war dieser Tage sehr neugierig, welche
Reaktionen auf unsere Wahlen aus anderen Ländern kommen. Via Youtube sind
inzwischen etliche Gesprächsrunden verfügbar, die Printmedien haben ihre
Online-Präsenzen, es ist also leicht zu erfahren, wie das alles jenseits von Österreich
gesehen wird.
Wir brauche gar nicht zu debattieren, was
evident ist: Viele erfahrene Leute aus der Politik und der Medienwelt bewerten die
österreichischen Verhältnisse als rechtspopulistisch bis rechtsradikal. Daß im
Wahlkampf genug Kreide geschluckt wurde, um das möglichst zu verbergen, halte ich dabei
für unerheblich, denn dieses wochenlange auf Hochglanz polierte Propaganda-Unternehmen
hatte nicht den Zweck, unsere gesellschaftliche Realität abzubilden, sondern dem
politischen Personal Wahlsiege zu bescheren.
Daß dabei knieweich zwischen "Wahlkampf"
und "Schmutzkübelkampagne" unterschieden wurde, halte ich für ganz
unbedeutend. Propaganda soll vorher festgelegte Ergebnisse bringen und kennt in der Praxis
eben unterschiedliche Härtegrade. Propaganda soll ihren Absendern die gewünschten
Resultate bringen, nichts sonst.
Allein die Aussicht, daß Österreichs Grüne
es vermutlich nicht mehr ins Parlament schaffen werden, was ihnen den Entfall von
Millionen an staatlicher Parteienförderung aufbürdet, macht klar, wie sehr all das auch
ökonomische Dimensionen hat. Das führt weiter. Die Wahlpropaganda soll nicht nur
Positionen und Budgets, sondern folglich auch vielerlei Wirkmächtigkeit bringen.
(Stichwort Umfärben etc., die Institutionen dieser Gesellschaft werden sich
massiv verändern.)
Ich möchte deshalb auf dieser kleine
begriffliche Unterscheidung bestehen. Wenn Werbung darauf abzielt, (partei-) politische
Verhältnisse zu beeinflussen, zu verändern, dann spreche ich von Propaganda. In einer
Demokratie, deren Verfassung auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
betont, muß jede Wahlwerbung/Propaganda naturgemäß unterstellen, sie werde von
redlichen Menschen mit guten Ansichten in eben diesem Sinn betrieben.
Ebenso naturgemäß rechne ich aber damit,
daß ich dabei eventuell hintergangen werde. Daher sind erkennbare Zusammenhänge
ebenso wichtig, um einschätzen zu können, was mich da erreicht, wie ich nach verdeckten
Intentionen frage.
Wenn nun in ausländischen Debatten die rechtsradikale
Gewichtung der österreichischen Politik betont wird, was im Lande doch so
leidenschaftlich in Abrede gestellt wurde, bleibt unübersehbar, wer alles sich von Marine
Le Pen gratulieren läßt, Geert Wilders schätzt und gelegentlich besucht, Viktor Orban
demonstrativ für einen redlichen Demokraten hält etc.
Aus einer der aktuellen Debatten habe ich ein
Bild bezogen, das auch meine Ansichten wiedergibt. Die rechtsradikalen Formationen
ermöglichen drei Reaktionen, mit denen zu befassen mir relevant erscheint.
1.: Ignorieren. (Hat nicht funktioniert!)
2.: Ausgrenzen. (Hat nicht funktioniert! Sie sind in Gemeindeämtern, Rathäusern und
Parlamenten angekommen, haben viel Zuspruch aus der Bevölkerung.)
3.: Die inhaltliche Auseinandersetzung angehen, sowohl im Gemeinwesen, in politischen
Gremien, als auch im öffentlichen Diskurs.
Das verlangt politische Anwesenheit, den
Erwerb von Sachkenntnis und die Bereitschaft, sich ausdrücklich zu exponieren. Damit
meine ich nicht bloß die Welt der Funktionstragenden (Politiké), sondern ganz
wesentlich auch das Gemeinwesen (Polis), denn nur im Wechselspiel dieser beiden
Kategorien kann man überhaupt von Politik sprechen.
Ich habe auf Facebook nun schon mehrfach
erfahren, daß sich hier angeblich eine "Volksverdummung" ereigne. An
solche Zuschreibungen glaube ich nicht, vor allem, weil sie genau das tun, was man dem
Rechtsradikalen vorwerfen muß: Die eigene Vorstellung für maßgeblich und einzig
relevant halten, sie außer Streit stellen, während Andersdenkende abgewertet, mit ihren
Ansichten entweder als dumm oder als Vernunftflüchtlinge dargestellt
werden.
Das sind tyrannische Konzepte,
zutiefst undemokratisch. Ob mir paßt oder nicht paßt, welche politische Lage nun bei der
Wahl den Vorrang erhielt, mir bleibt nur die Möglichkeit, in öffentliche Diskurse
einzusteigen und über konkretes Engagement, mindestens dort, wo ich lebe, für
Verhältnisse zu sorgen, die dem widersprechen, was ich ablehnen muß.
Um es am Beispiel der Wissens- und
Kulturarbeit etwas deutlicher zu machen: Wenn vaterländische Kräfte sich darauf berufen,
daß ihnen unser Land, unsere Geschichte und Kultur sehr
wichtig sind, sollte ich über Land, Geschichte und Kultur fundierte Kenntnisse haben,
damit wir klären können, worum es geht und wo wir stehen.
Wenn vaterländische Kräfte sich darauf
berufen, daß ihnen Volk, Heimat und Identität sehr wichtig
sind, dann sollte ich über Volk, Heimat und Identität fundierte Kenntnisse haben, damit
wir klären können, worum es geht und wo wir stehen.
Das würde auch ermöglichen, zunehmend zu
klären, wie sich Österreich zu Europa verhalten möge und Europa zur Welt. In solchen
Fragen werden wir uns den Rechtspopulisten und Rechtsradikalen ganz konkret stellen
müssen.
Außerdem verlangen ideologische Domänen eine
Neudeutung. Polemisch verkürzt: die ÖVP wurde zur Liste Kurz, die SPÖ zur ÖVP
und die FPÖ zur SPÖ. Man könnte sagen, die Klassiker der heimischen Politik sind in
sauberer Reihe nach rechts gerückt. Deshalb müssen wir vermutlich auch unsere Begriffe
überprüfen.
P.S.:
Die Brandstellen habe ich heute bei einem Rundgang im Zentrum von Gleisdorf entdeckt.
-- [Kunstsymposion: Politik]
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