5. Oktober 2017 Ich hab heute einen kleinen Rundgang durch das
Stadtzentrum von Gleisdorf absolviert, um nachzusehen, was im öffentlichen Raum an
ausdrücklichen Statements zur kommenden Wahl deponiert ist. Dabei habe ich mich auf
handliche Plakatständer konzentriert, wie sie uns vor die Füße kommen, die
großflächigen Plakate vorerst ausgespart.
In zehn Tagen wählt das Volk Österreichs
einen neuen Nationalrat. Das wird uns auch eine nächste Regierung bescheren. Was daran
dann neu sein könnte, muß sich erst zeigen. Was erreicht mich derzeit seitens der
Fraktionen? Welche Botschaften werden mir vorgelegt?
Wenn das Volk Österreichs wählt,
dann könnte wenigstens irgendeine Instanz dieser Gesellschaft daran erinnern,
daß wir zwischen Demos und Ethnos unterscheiden. Das gesamte Staatsvolk
setzt sich aus viele kulturell konstituierten Volksgruppen zusammen, unter denen
jene mit deutscher Muttersprache die größte ist.
Obwohl wir also schon seit Jahrzehnten in
einer massiven Globalisierung leben und Österreich vor über 20 Jahren zum
EU-Beitritt Ja gesagt hat, obwohl ganz Europa inzwischen mit
Flüchtlingsbewegungen konfrontiert ist, zu deren Ursachen Europa sehr viel beigetragen
hat, ist dieser Unterschied in der Begrifflichkeit nicht gar so populär.
Wie ist es also um unsere Identität
bestellt und was wissen wir von unserer Kultur, wenn wir zwischen Ethnos und Demos
nicht unterscheiden können, obwohl Österreich grade erst ein halbes Jahrtausend als multiethnisches
Imperium absolviert hat?
An welches Volk richtet sich also nun die
Wahlwerbung? Na, sagen wir einfach: an die Summe der Wahlberechtigten, ganz egal, was ihre
Muttersprache ist. Wie bedauerlich, daß zu diesen Aspekten im anschwellenden Geschwätz
vor den Wahlen praktisch keine der Fraktionen wenigstens sanfte Hinweise liefert:
Österreich war seit der Völkerwanderung und ist bis heute multiethnisch.
Was sind also nun die großen Themen dieses
Wahlkampfes? Erfahren wir, wo die Bildungsreform und die Verwaltungsreform stehen?
Erfahren wir, daß nun internationale Konzerne und kleinere Formationen nicht mehr
Gelegenheit haben, sich jener Steuerleistungen auf Kosten jenes Gemeinwesens zu entziehen,
von dem sie ja für ihre Geschäfte reichlich profitieren? Erfahren wir, welche Ideen
greifbar werden, da wir über neuen Automatisierungswellen und selbstlernende Systeme das
Ende der vertrauten Arbeitswelt erleben, wo nun die Massenbeschäftigung auf altgewohnte
Art ausläuft und enden wird?
Über all das erfahre ich gar nichts! Die
meisten Poster, auf die ich stieß, fertigen mich mit Allerwelts-Blabla ab. Die dominante
Anzahl der Slogans gehört in die Abteilung "Das kann jeder sagen!",
wahlweise "Das sagt gar nichts!", gelegentlich auch "No na
net!". Ich werte das als politische Makulatur. Slogans wie:
+) Freiheit statt Filz (Neos)
+) Modern, sozial, sicher (SPÖ)
+) Österreicher verdienen Fairness statt Stillstand, Streit und falsche Versprechen
(FPÖ)
+) Österreich braucht Tempo statt Taktik (Neos)
+) Wählen Sie Bewegung (ÖVP)
Die Grünen sprechen in ihren Slogans a) das
Bildungssystem und b) den Klimawandel an. Das ergibt wenigstens klare Themenstellungen,
die von anderen Gruppen unterscheidbar machen, auch wenn es genau keine
Wohlfühl-Sätzchen sind. Was an der SPÖ "modern" sei, erschließt sich mir
selbst nach intensiver Grübelei nicht und ob die ÖVP sich nach Jahrzehnten der Gravität
nun plötzlich erkennbar bewegen wird, muß sich erst zeigen, aber da zweifle ich
erheblich.
Bei der FPÖ behauptet man erneut so
allerhand, was in der Opposition niemand von ihnen beweisen mußte und in den
Regierungsmomenten niemand von ihnen bewiesen hat. Daß die Neos nach 200 Jahren
permanenter technischer Revolution und weltweit ungebremster Beschleunigung auf
"Tempo" setzen, läßt mich ratlos, zumal es ja naiv wäre, den etablierten
Körperschaften heimischer Politik Beschleunigung zuzutrauen.
Nicht einmal Familien oder kleine
Firmenbelegschaften zeigen Tempo, wenn sie schon schmerzlich spüren, daß ihre
eingefahrene Verhaltensweisen ihnen zunehmend Schaden zufügen, für Probleme und
Verletzungen sorgen. Da werden Parteien und Bünde also durch was auch immer
beschleunigen, um Mißstände in Ordnung zu bringen? Das glaub ich ja sofort!
Zwischen all dem dann ein paar Segenswünsche
von unseren vaterländischen Freunden, die auf vertraute Art von gar nichts eine Ahnung
haben und das daraus resultierende Schamgefühl, womöglich den anbrandenden Selbstekel,
mit einem plausiblen Zuruf quittieren: "Wehr Dich!". Das Kleingedruckte
"Es ist Dein Land!" darf man als Generalfloskel deuten, die auf fast
jeden Einwand paßt. Also ein völlig nichtssagender Aufkleber mit dem wunderbaren Effekt,
daß sich wirklich alle gemeint fühlen dürfen. Magic! (Fortsetzung
folgt!)
-- [Kunstsymposion: Politik]
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