30. September 2017 Die körperlichen Schwächen, wie sie aus den
Jahrzehnten der Schreibtischarbeit resultieren, wenn man sich überdies in Sachen Sport
sehr langweilt, machen sich einigermaßen bemerkbar, so man einen ganzen Tag lang
vorwiegend durch die Gegend rennt.
Wenn man dazu in einem alten Pinzgauer
unterwegs ist, naturgemäß mehrfach rein- und raussteigt, was etwa so komfortabel ist,
als wolle man sich in ein Mini-U-Boot zwängen, beginnt einmal mehr der Ernst des Lebens.
Ich war für einen Tag der vergnügte Beifahrer von Markus Rudolf gewesen, der ein
versierter Techniker ist, mit den Eigenarten der Industrie, speziell der
Automotive-Branche, gut vertraut.
Wer auf längerer Strecke zu massivem
Schuhwerk neigt, muß sehr auf der Hut sein, sich beim Aussteigen aus diesem
Allrad-Klassiker des Hauses Steyr-Daimler-Puch nicht selbst zu Fall zu bringen.
Wir waren das erklärte Schlußlicht in einem fulminanten Konvoi alter Fahrzeuge, darunter
allerhand Perlen.
Ich war einigermaßen angerührt, so eine
Dichte der Grazer Klassiker zu erleben, viele Steyr-Puch 500 und deren Derivate.
Das ist ja unter den alten Fahrzeugen eine höchst bedrohte Spezies, hauptsächlich
vertraut und betreut von meiner Generation und der unserer Eltern; ein überschaubares
soziales Feld.
Das bedeutet unter anderem auch, es war mit
etlichen sachkundigen Personen darüber zu reden, welche Art Transition wir
gerade erleben. Daß eine Ära endet, fast schon untergeht, war an diesem Treffen deutlich
zu machen. Die Pucherln und ihr Produktionsort sind ursprüngich noch ganz Zweite
Industrielle Revolution, welche nicht bloß in, sondern mit der
Halle P im Grazer Einserwerk begann, damals die Fabrik von Altmeister Johann
Puch.
Das bedeutet, genau diese Halle, in der sich
gegen Abend die ganze Jubiläumsgesellschaft traf, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Ausdruck einer neuen Phase von Serienproduktion, der Vorlauf zum Fließband.
Das Puch-Auto ist noch gänzlich ein
Produkt der Jahre vor der Dritten Industriellen Revolution. Die
Ingenieure rechneten mit Rechenschiebern, die technischen Zeichner zeichneten von Hand,
Computer gab es dann erst einmal in der Buchhaltung. Freilich setzte die Digitale
Revolution bald wuchtig ein.
Das heißt, innerhalb unserer Biographien
ereignet sich gerade die zweite technische Revolution, da wir derzeit in eine nächste
Ära der Koexistenz von Menschen und Maschinen gehen. Das bedeutet: wir leben
inzwischen mit Maschinensystemen, die verblüffend viel können, was wir bisher bloß
Menschen zugetraut hätten.
Dieser Aspekt ist übrigens etwas, was uns in
der Oststeiermark gerade beim Projekt "Vom Pferd zum Sattelschlepper" beschäftigt:
[link] Es geht darum, genau
diesen Umbruch sozial und kulturell zu deuten, auch in seinen technischen Dimensionen zu
verstehen.
Deshalb will die Historie betrachtet werden
und das aktuelle Trommeln diverser Branchen gedämpft, der Diskurs von seinem markanten
Werbeagenturen-Jargon befreit werden. Sonst bleibt es sehr schwierig, hinter den prallen
Bildern jene klareren Motive zu entdecken, die uns aus liebgewonnen Ansichten über uns
und die Welt heraustreiben werden.
So ein Klassiker-Meeting ist vorzüglich
geeignet, Menschen aus verschiedenen Berufsbereichen zu treffen, um weiterführende
Erörterungen anzuzetteln, die sich eignen sollen, vorerst einmal herauszufinden: Was
ist denn nun in dieser Sache eine gute Frage?
Gerade der akute Nationalrats-Wahlkampf in
Österreich zeigt uns, welche Paradigmen-Lage sich auftut. Möglicherweise müssen heute
politische Fachkräfte den Menschen weismachen, sie hätten schon Antworten parat, was
dann aber doch oft irgendwie fadenscheinig wirkt. Möglicherweise war das immer so. Es
leuchtet mir aber nicht ein..
Würde jemand jedes Ansehen verlieren, wenn es
einmal anders käme? Daß man nämlich sagt: Liebe Leute, ich zeichne mich dadurch
aus, daß ich zu ein paar hervorragenden Fragen gefunden habe, deren Beantwortung ich
gerne mit Euch angehen würde, damit wir den aktuellen Umbruch in so viele Ungewißheiten
gut bewältigen.
Ich kann dem Personal der Realpolitik nichts
raten, denn das ist nicht mein Metier. Als Kulturschaffender darf ich aber genau darauf
setzen, denn wir leben gerade in einer wunderbaren Modernisierungskrise, die viele der
vertrauten Ansichten und Weisheiten überflüssig macht, weil diese einer anderen Ära mit
anderen Rahmenbedingungen entstammen.
Nebenbei: Das Heftcover in der linken unteren
Ecke des Willkommen-Grußes im Werk Thondorf verweist auf mein kleines Druckwerk
zum Jubiläum, in dem ein paar des Aspekte solcher Themenstellungen angerissen sind.
Weiter Publikationen zur Sache werden Folgen. Das Heft online: [link]
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