19. August 2017 Wenn an solchen Tagen in der Stadt noch Stille herrscht, steht über
allem dieses eigentümliche Klangbild, das sich auf der nahen Autobahn ergibt. Ein
permanenter Strom, der mutmaßlich kaum Lücken kennt. Ich hab dort schon zu allen
Tageszeiten bis zur nächsten Kurve geblickt und nur sehr selten eine leere Fahrbahn vor
mir gesehen.
Die individuelle Mobilität der Menschen hat also einen
Klang. Ein Singen. Dazu kommt von der Bahnstrecke gelegentlich das Hornsignal einer
Verschub-Lokomotive. Über diese Geleise wird ein Teil der Industriebetriebe im Korridor
nördlich von Gleisdorf mit verschiedenen Materialien beliefert. Vor Jahren konnte ich mir
in den Lagerhallen eines Frächters südlich der Stadt die hohen Rollen Stahl ansehen, die
dazu beispielsweise bewegt werden.
Das alles ist längst von einem Umbruch geprägt, der den
Verhältnissen noch nicht anzusehen ist. Ich hab im vorigen
Eintrag einen Dialog der Androiden Walter und David erwähnt, eine Szene aus dem
2017er "Alien" von Ridley Scott. Wandten die Replikanten in "Blade
Runner" noch ihre Rebellion gegen die enge Begrenzung ihres Lebenszyklus', so
hat sich der Android David gegen eine viel komplexere Limitation aufgelehnt. Wir erfahren,
daß es diesen Maschinen untersagt sei, etwas zu erschaffen; und sei es bloß, eine
Melodie zu erdenken, die mit einer Flöte gespielt wird.
Die Analogie ist leicht zu sehen. Wie wir Menschen
diskutieren, ob es zulässig sei, Lebewesen zu kreieren, wo selbst die genetische
Veränderung von Pflanzen eine Ethik-Debatte verlangt, wollen wir (vorerst?) den Maschinen
nicht einräumen, daß sie eine Kreativität entwickeln, die unter uns Menschen viele zum
Beispiel in der Kunst ausleben.
Auch das Entwickeln und Bauen solcher Maschinen, die ganze
Robotik, das fertigen selbstlernender Systeme, fällt wohl unter jenes Erschaffen, daß
den Androiden in solchen Erzählungen untersagt ist.
Da David in dieser Sache und in seiner Rebellion so weit
geht, Wesen zu entwickeln, "einen perfekten Organismus", von dem die
Menschheit ausgerottet werden könnte, darf angenommen werden, daß er schon sehr
menschliche Züge angenommen hat. Vermutlich liegt im Film die Betonung auf der erwähnte Perfektion
des Organismus, nicht auf der Ausrottung der Menschheit.
David erscheint nur all zu menschlich, wenn er an einer
Stelle des Streifens sagt: "Niemand versteht die einsame Perfektion meiner
Träume." Da wird uns eine romantische Künstlernatur vorgeführt, die -- je
nach bevorzugten Medien -- als verhaltensoriginelles Genie oder als Mad Scientist
daherkommt.
Ich finde es verfänglich, daß der Android David in
psychologischer Hinsicht gar so menschennah ausfällt. Das paßt in die
Stereotypen-Abteilung "Genie und Wahnsinn". Diesbezüglich hat mir etwa
"Autómata" (2014) [link] von Gabe Ibáñez weit mehr zugesagt. Die Roboter in seinem Film
brechen zwar auch Regeln, treten aber nicht in Konkurrenz zu den Menschen, sondern setzen
ihre Existenz dort fort, wo die Menschen nicht mehr mitgehen können.
Im Kernbereich verletzen die Maschinen in "Autómata"
eines von zwei implantierten Geboten. Sie dürfen keine Lebewesen verletzten, sie dürfen
sich und andere Maschinen nicht verändern. Das geht also über die "Robotergesetze"
von Isaac Asimov weit hinaus. In dieser wie in jener Option läuft es aber auf Davids
Statement hinaus:"Ich bin nicht hier, um zu dienen".
Wir hatten eine der interessanten Fragestellungen schon in
unserem Projekt "Fiat Lux" [link] anklingend. Der Mensch sagt: "Du bist mein
Werkzeug", die Maschine sagt: "Du bist mein Spielzeug". Das
ist freilich immer noch "Menschenlogik". Wir waren uns in dieser
Projektarbeit einig: Wann auch immer Maschinen sich selbst wahrnehmen können und so
eventuell zu einem Bewußtsein von sich selbst kommen, wir werden es eventuell gar nicht
erfahren.
Maschinen werden dann womöglich gar keinen Grund haben,
mit uns zu kommunizieren. Und sie könnten Bewußtseinsvorgänge entwickeln, die uns
überhaupt nicht berücksichtigen und die für uns gar nicht rezipierbar sind.
Die "Passath-Karte"
Vielleicht machen wir es mit Maschinen ja genauso wie mit
Hündchen. Wie oft habe ich schon gehört, daß jemand bezüglich seines Haustieres
behauptete: "Der Kleine versteht jedes Wort von mir." Ich halte das
für pure Projektion.
Was werden Maschinen über sich selbst herausfinden? Und
was werden wir über uns herausfinden, wenn wir uns weiter so eng mit Maschinenwelten
verzahnen? Im heurigen Kunstsymposion haben wir Niki Passaths provokante Einladung "Thinking
like a machine" aufgegriffen. Das ist auch Motiv dieser Karte, die man nicht
kaufen, aber erhalten kann; siehe dazu: [link]
Selbst wenn ich über diese Zukunftsfragen
nachdenke, bin augenblicklich vor allem mit Stücken technologischer Vergangenheit
befaßt. Etwa mit die Lektüre der Dissertation von Erich Ledwinka: "Problem des
Geländefahrzeugs unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen
Entwicklungsbeiträge" [link]
In einem privaten Fotoalbum habe ich nun eines
der exponierten Fahrzeuge aus jener Ära gefunden, für die Ledwinka im Grazer Puchwerk
verantwortlich war. Es ist die erste Einheit aus der Serienproduktion des Steyr-Puch
710 Pinzgauer.
-- [Fiat Lux III] [Das 2017er Kunstsyposion]
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