10. August 2017

Ich hab gestern mein Rad hinter einer Plakatwand abgestellt und eine Spur im hohen Gras gesucht. Tatsächlich scheint der Bewuchs etwas verändert, wo offenbar jemand öfter entlanggegangen ist. Doch das muß eine Weile her sein, denn dieses Kreuz wird inzwischen fast völlig von dem verdeckt, was vermutlich einst ein Pflänzchen zur Zierde war, aber nun den Flecken dominiert, mehr und mehr zudeckt.

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Das Schild besagt: „Hier verunglückte Walter Raser“. Bliebe die Frage: wegen zu hoher Geschwindigkeit? Er wurde 1965 geboren und schaffte es bis 1985. Wenn am Straßenrand solche Erinnerungsstellen eingerichtet wurden, bezieht sich das mit größter Wahrscheinlichkeit auf einen Verkehrsunfall. Das ist ein spezieller Themenkomplex des gesamten Betrachtens einer Mensch-Maschinen-Koexistenz.

Ein Bagger mit der Schaufel voller Felsbrocken, oder eine Laufkatze, an der Tonnen von Stahl hängen, mögen uns weit gefährlicher vorkommen. Aber in und an Autos wird in erschreckend hohem Ausmaß gestorben, weit mehr, als unter Felsbrocken oder Werkstücken aus Stahl.

In einem Winkel meiner Erinnerung lagert ein verstaubtes Geschichtchen, das in einer sowjetischen Landmaschinenfabrik angesiedelt ist. Dort hing ein Warnschild, das besagte: "Frauen mit langen Röcken, hütet Euch vor den Maschinen!" Darunter soll jemand mit schwungvoller Handschrift notiert haben: "Frauen mit kurzen Röcken, hütet Euch vor den Maschinisten!"

Das Lächeln darüber kann einem gefrieren, wenn man sich vorstellt, was Wellen und Zahnrädern mit Kleiderzipfeln und langen Haaren anrichten können. Als mein Bruder seine Lehrzeit als Mechaniker absolvierte, kam der Tag, da er gerade die Spannung eines Keilriemens prüfte. In dem Augenblick startete der Geselle den Motor, was meine Bruder zwei Fingerkuppen kostete. An mir hat zum Glück nie eine Maschine Vergleichbares angerichtet. (Naja, Autos und Lastwagen ausgenommen.)

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Quelle: "R.U.R." von Karel Capek

Damit bin ich bei "R.U.R." von 1920. Das steht für "Rossum's Universal Robots". Unsere Koexistenz mit Maschinen handelt schon viele Jahrzehnte von Robotern. Der Begriff selbst stammt aus diesem Theaterstück von Karel Capek, wird als Wortschöpfung seinem Bruder Josef zugeschrieben.

Ich war durch den Roman "Krakatit" auf den Autor aufmerksam geworden, schließlich auch durch den "Der Krieg mit den Molchen". Capeks Roboter sind allerdings keine Maschinen, sondern eher Replikanten. Helena: "Aber sie machen Menschen?" Domin: "Annähernd, Fräulein Helena." Forscher Rossum hatte nämlich herausgefunden, daß die Natur "nur eine Art gefunden" habe, "wie lebende Materie zu organisierten ist. Es gibt jedoch eine andere Art".

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Quelle: "W.U.R." (Übersetzung von Otto Pick)

So werden in Rossum's Konzern also biologische Wesen gezüchtet, um den Menschen Arbeit abzunehmen. Capek beschrieb dabei, welche Wesenszüge in der damaligen Arbeitswelt bevorzugt wurden. Es ist übtigens da schon jene Typologie des "Untermenschen" herauszulesen, als den sich die Nazi später andere Ethnien zurechtgestellt haben, um sie zu Arbeitssklaven zu machen.

Man könnte sagen, im Nazi-Faschismus wurden "Rossum's Universal Robots" realisiet, bloß daß man es bei der "einen Art" der Natur belassen konnte und einen Teil der so geborenenen Menschen einfach mit Terror auf das Robotermaß a la Capek hinzwang.

Es wird im Stück sehr genau herausgearbeitet; welche Arbeitskraft die billigste sei. Das kam erst durch den "jungen Rossum" auf den Punkt, denn "Der Alte hatte keinen Deut Verständnis für die Industrie". Generaldirektor Harry Domin macht es der Tochter des Konzern-Präsidenten klar: "Die Produktion soll so einfach wie möglich sein und das Produkt so gut wie möglich."

Vergleiche dazu Frank Stronach im Jahr 2012, also rund 90 Jahre später: "Einkäufer kaufen unter starkem Konkurrenzdruck von Firmen ein, wo sie die beste Qualität um den besten Preis bekommen." [Quelle]

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Bühnenbild von Bedrich Feuerstein

Domin präzisiert: "Der junge Rossum hat einen Arbeiter mit minimalen Bedürfnissen erfunden. Er mußte ihn vereinfachen. Warf alles weg, was nicht direkt der Vereinfachung diente." Dazu mag erhellend sein, daß sich bei uns etwa zwischen 1910 und 1920 die Zweite Industrielle Revolution entfaltet hatte. Das bedeutet Serienfertigung bei Qualitätssteigerung, wenn auch in Österreich noch nicht Fließband.

Automaten und Halbautomaten wurden in Produktionslinien angeordnet, was große Investitionen erforderte, den Umbau von Hallen, und was die Arbeiterschaft nächste Schritte vom alten Handwerk wegführte...

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