9. August 2017

Sind wir schon an der Schwelle zum Herbst? Ist das noch die Weite des Sommers? Immerhin reichen die Nächte aus, das Haus für den kommenden Tag so gut abzukühlen, daß es innen bis Mittag moderat bleibt, um dem Lauf der Arbeit Raum zu geben.

log2393a.jpg (29304 Byte)

Nachmittags weiche ich noch oft unter Bäume aus. Dabei bin ich von allen Arten der Eiligkeit und des Schlenderns umgeben. Der Fluß ganz unterschiedlicher Kraftfahrzeuge scheint nur mühsam gezähmt und man merkt dem Fahrverhalten vieler an, daß sie all dieses Fußvolk am liebsten beseite räumen würden.

Auf dieser Ebene wird sich die Koexistenz von Menschen mit Maschinen wohl nur verändern, wenn der Individualbesitz von Fahrzeugen merklich zurückgeht, was zwar absehbar, aber noch nicht spürbar ist. Es ist ein zu mächtig wirksamer Generalfetisch, der uns seit dem Ende des Endes der Feudaltzeit begleitet.

Das mag nun etwas geschraubt klingen, aber der Wandel vom Untertan zum Staatsbürger hatte sein Finale in der angehenden Volksmototisierung. Die Feudalzeit hatte im Naizi-Faschismus ein skurriles Revival. Das ist zwar eine etwas stark geraffte Darstellung, aber sie läßt sich gut illustrieren.

Hier (unten) der penibel ausgeführter Nachbau eines Bugatti T37. Er zeigt das Flair einer etwas roh gezimmerten Maschine, an der die Form in hohem Maß der Funktion folgt und dabei zugleich erhebliche ästhetische Qualitäten entfaltet. Diese Maschinenästhetik, ergänzt um das Tempo-Versprechen und die individuelle Wahlmöglichkeit in den Zeitpunkten von Start und Halt machen nun seit mehr als hundert Jahren viel von der Anziehungskraft dieser Apparate aus.

log2393b.jpg (31889 Byte)

Als die Sehnsucht nach individueller Verfügung über einen Motor schon massiv wirksam war und einzelne folgsame Zöglinge des Regimes darin vorpreschen durften, war bei uns das etablierte Gesellschafts-Konzept noch mittelalterlich unterfüttert. Was das bedeutet?

Die Nazi hatten ein Reich phantasiert, welches als das Dritte Reich dem Imperium Romanum und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nachfolgen sollte, um ein Tausendjähriges Reich zu werden. Dazu der Führer, quasi Kaiser. Das Führerprinzip und die Forderung einer bedingungslosen Gefolgschaft ist ja noch ganz Feudalzeit und war keineswegs zukunftsweisend.

Eine Koexistenz mit anders gearteten Gemeinschaften konnten diese Herrenmenschen weder  ertragen noch erdulden. Selbst ein Aussehen, das von ihrem konstruierten Ideal der "Arier" abwich, schien sie zu provozieren, was ihnen allerdings an eigenen Spitzenfunktionären wie Goebbels, Himmler und Konsorten nicht auffiel. (Das waren ja keine stattlichen Männer von "edlem" Aussehen.)

Für die Massenmotorisierung per Privat-PKW und den versprochenen "Volkswagen" haben die Nazi zwar bei der Bevölkerung abkassiert, man mußte Vorauszahlungen leisten, geliefert haben sie den KdF-Wagen allerdings nie. Er kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg als VW Typ 1 (Käfer) auf den Markt.

Es erscheint vielleicht etwas polemisch, aber die Anhängerschaft der Nazi mit ihrem Geschwurbel vom Volkskörper und von der Volksgemeinschaft hat sich eher an Ideen von Stammesgesellschaften orientiert als an den Optionen eines modernen Nationalstaates, einer Industrienation. Vorteil gegen Gefolgschaftstreue, das ist eben feudaler Kram.

Die komplexe wie zähe Ablösung vom Nazismus als Schritt der Untertanen zu Staatsbürgern bekam daher erst in der Zweiten Republik nennenswerte Breite und ist von der schon erwähnten Massenmotorisierung begleitet, der übrigens eine Maschinisierung der Landwirtschaft unmittelbar vorausging. Der Pilot als Held zu Lande und in der Luft, das war ein attraktives Role Model, zu dem natürlch die adäquate Mschine gehörte.

log2393c.jpg (25780 Byte)

Ikarus hat ein erotisch aufgeladenes Exoskelett, um seine Flugphantasien mit ausreichender Bodenhaftung umzusetzen. Das ist freilich in der physischen Realität auch nur ein Minoritätenprogramm, denn um beispielsweise so einen De Tomaso Pantera zu erwerben und zu erhalten, reicht ein Durchschnittseinkommen nicht aus. ("Dennoch ermöglichen auch dieser Rennwagen den Einstieg in den historischen Motorsport – für 120.000 Euro und weniger." Classic Driver 2013)

Das sind nun einerseits Bezugspunkte im jungen Projekt "Vom Pferd zum Sattelschlepper", welches sich -- wenn alles gut geht -- als ein LEADER Kulturprojekt einrichten läßt. Das führt andrerseits noch tiefer in einige Bereiche unseres 2017er Kunstsyposions. Darin liegt aber auch der Ansatz zum 2018er Kunstsymposion, an dem ich schon arbeite. Aus der Arbeit am Thema Koexistenz leite ich die Frage nach Interferenzen ab. Das ergibt ferner den Arbeitstitel für dieses Projekt im nächsten Jahr: "Interferenzen" [link]

-- [Das 2017er Kunstsyposion] --

[kontakt] [reset] [krusche]