9. August 2017Sind wir schon an der Schwelle zum Herbst? Ist das noch die Weite des
Sommers? Immerhin reichen die Nächte aus, das Haus für den kommenden Tag so gut
abzukühlen, daß es innen bis Mittag moderat bleibt, um dem Lauf der Arbeit Raum zu
geben.
Nachmittags weiche ich noch oft unter Bäume aus. Dabei bin
ich von allen Arten der Eiligkeit und des Schlenderns umgeben. Der Fluß ganz
unterschiedlicher Kraftfahrzeuge scheint nur mühsam gezähmt und man merkt dem
Fahrverhalten vieler an, daß sie all dieses Fußvolk am liebsten beseite räumen würden.
Auf dieser Ebene wird sich die Koexistenz von Menschen mit
Maschinen wohl nur verändern, wenn der Individualbesitz von Fahrzeugen merklich
zurückgeht, was zwar absehbar, aber noch nicht spürbar ist. Es ist ein zu mächtig
wirksamer Generalfetisch, der uns seit dem Ende des Endes der Feudaltzeit
begleitet.
Das mag nun etwas geschraubt klingen, aber der Wandel vom
Untertan zum Staatsbürger hatte sein Finale in der angehenden Volksmototisierung. Die
Feudalzeit hatte im Naizi-Faschismus ein skurriles Revival. Das ist zwar eine etwas stark
geraffte Darstellung, aber sie läßt sich gut illustrieren.
Hier (unten) der penibel ausgeführter Nachbau eines Bugatti
T37. Er zeigt das Flair einer etwas roh gezimmerten Maschine, an der die Form in
hohem Maß der Funktion folgt und dabei zugleich erhebliche ästhetische Qualitäten
entfaltet. Diese Maschinenästhetik, ergänzt um das Tempo-Versprechen und die
individuelle Wahlmöglichkeit in den Zeitpunkten von Start und Halt machen nun seit mehr
als hundert Jahren viel von der Anziehungskraft dieser Apparate aus.
Als die Sehnsucht nach individueller Verfügung über einen
Motor schon massiv wirksam war und einzelne folgsame Zöglinge des Regimes darin
vorpreschen durften, war bei uns das etablierte Gesellschafts-Konzept noch mittelalterlich
unterfüttert. Was das bedeutet?
Die Nazi hatten ein Reich phantasiert, welches als das Dritte
Reich dem Imperium Romanum und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation nachfolgen sollte, um ein Tausendjähriges Reich zu werden. Dazu der
Führer, quasi Kaiser. Das Führerprinzip und die Forderung einer bedingungslosen
Gefolgschaft ist ja noch ganz Feudalzeit und war keineswegs zukunftsweisend.
Eine Koexistenz mit anders gearteten Gemeinschaften konnten
diese Herrenmenschen weder ertragen noch erdulden. Selbst ein Aussehen, das
von ihrem konstruierten Ideal der "Arier" abwich, schien sie zu
provozieren, was ihnen allerdings an eigenen Spitzenfunktionären wie Goebbels, Himmler
und Konsorten nicht auffiel. (Das waren ja keine stattlichen Männer von "edlem"
Aussehen.)
Für die Massenmotorisierung per Privat-PKW und den
versprochenen "Volkswagen" haben die Nazi zwar bei der Bevölkerung
abkassiert, man mußte Vorauszahlungen leisten, geliefert haben sie den KdF-Wagen
allerdings nie. Er kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg als VW Typ 1 (Käfer)
auf den Markt.
Es erscheint vielleicht etwas polemisch, aber die
Anhängerschaft der Nazi mit ihrem Geschwurbel vom Volkskörper und von der Volksgemeinschaft
hat sich eher an Ideen von Stammesgesellschaften orientiert als an den Optionen eines
modernen Nationalstaates, einer Industrienation. Vorteil gegen Gefolgschaftstreue, das ist
eben feudaler Kram.
Die komplexe wie zähe Ablösung vom Nazismus als
Schritt der Untertanen zu Staatsbürgern bekam daher erst in der Zweiten Republik
nennenswerte Breite und ist von der schon erwähnten Massenmotorisierung begleitet, der
übrigens eine Maschinisierung der Landwirtschaft unmittelbar vorausging. Der Pilot als
Held zu Lande und in der Luft, das war ein attraktives Role Model, zu dem natürlch die
adäquate Mschine gehörte.
Ikarus hat ein erotisch aufgeladenes Exoskelett,
um seine Flugphantasien mit ausreichender Bodenhaftung umzusetzen. Das ist freilich in der
physischen Realität auch nur ein Minoritätenprogramm, denn um beispielsweise so einen De
Tomaso Pantera zu erwerben und zu erhalten, reicht ein Durchschnittseinkommen nicht
aus. ("Dennoch ermöglichen auch dieser Rennwagen den Einstieg in den
historischen Motorsport für 120.000 Euro und weniger." Classic Driver
2013)
Das sind nun einerseits Bezugspunkte im jungen Projekt "Vom Pferd zum Sattelschlepper",
welches sich -- wenn alles gut geht -- als ein LEADER Kulturprojekt einrichten
läßt. Das führt andrerseits noch tiefer in einige Bereiche unseres 2017er
Kunstsyposions. Darin liegt aber auch der Ansatz zum 2018er Kunstsymposion,
an dem ich schon arbeite. Aus der Arbeit am Thema Koexistenz leite ich die Frage
nach Interferenzen ab. Das ergibt ferner den Arbeitstitel für dieses Projekt im
nächsten Jahr: "Interferenzen" [link]
-- [Das 2017er Kunstsyposion] -- |