3. Mai 2017

Ich kann mich gerade nicht erinnern, wer das so formuliert hat: "Brauchtum, das wir nicht brauchen." Darunter fällt heute vieles, was uns gar nicht mehr in den Sinn käme. Ein Beispiel dafür: In Bereichen der bäuerlichen Welt wird man wohl noch wissen, was es mit Maria Lichtmeß (2. Februar) auf sich hat, weil da Knechte und Mägde ihre Dienstverhältnisse neu regelten; oder geregelt bekamen. Allgemein wird das nicht mehr wahrgenommen.

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(Quelle: Kleine Zeitung)

Brauchtum beschäftigt in diesem Zusammenhang bloß noch einen Teil der Bevölkerung. Mit Ostern verhält es sich da ganz anders. Der Menschen Tod ist ein so fundamentales Mysterium, das wirkt selbst in ganz profane Kreise hinein, indem es symbolische Präsenz erlangt und in entsprechenden Handlungen gewürdigt wird. (Das tun sogar praktiziernde Heiden.)

In dem Zusammenhang fand ich heuer bemerkenswert, daß die Kleine Zeitung in ihrer Ausgabe zum Karsamstag dieses bedeutende Werk von Kasimir Malewitsch thematisiert hat. Das schwarze Quadrat auf weißem Grund wird ja immer noch gerne von Schnöselseite her als irrelevant denunziert.

Wer allerdings nur ein wenig über unsere Kultur weiß, vielleicht einmal über Ikonen nachgedacht hat und zumindest ahnt, daß auch unsere westlichen Bildwelten bis zur Renaissance den alten, strengen Prinzipien gewidmet waren, könnte also mit dieser Kenntnis auf die Arbeit von Malewitsch reagieren: Das Bild ist nicht da, um die Welt abzubilden. Es steht symbolisch für höhere Prinzipien. Es repräsentiert etwas, das vom Bild nicht gezeigt wird.

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Von links: Malewitsch, Jaray, Buckminster Fuller und Warhol

Es ist kein Zufall, daß diese Werke von Malewitsch derzeit immer noch zu den vier wesentlichen Markierungen im aktuellen Abschnitt meines Langzeitprojektes "The Long Distance Howl" zählen. Siehe dazu: [link]

Apropos Tod als fundamentales Mysterium. Mir fiel gestern beim Zeitunglesen eine Kuriosität auf, die illustrieren mag, wie mysteriös uns dieses Thema inzwischen ist. Es darf doch jemand, der 84 geworden ist, als recht alt gelten. In meiner eigenen Umgebung wird längst ab Mitte 50 gestorben und wer es bis Mitte 60 schafft, darf hoffen, daß es sich auf Mitte 80 ausgehen mag. Aber da ist nichts garantiert. Und eben noch kamen viele Menschen nach einem harten Arbeitsleben kaum bis zum Siebziger.

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(Quelle: Kleine Zeitung)

Wer also in der Mitte seiner Achtziger angekommen ist, lange und schwer krank war, starb unerwartet? Das wäre ein kleiner Hinweis darauf, wie sehr wir auf Brauchtum angewiesen wären, in dem so was wie kollektives Wissen erhalten bliebe, aus dem einzelnen Menschen Nutzen ziehen könnten. (Altes Wissen, das nicht zum folkloristischen Dekor umgekupfert wird.)

Ich behaupte etwas salopp, derlei Brauchtum sei eine frühere Art der Wissens- und Kulturarbeit, wie wir sie heute eben auch in anderen Formen und mit anderen Strategien leben. Genau da setzte in den späten 1970er Jahren etwas an, was wir heute als "Initiativen-Szene" kennen. Volkskultur ist dabei mitunter das Kontrast-Mittel geworden. Im KulturBüro Stainz [link] wird das übrigens diesen Monat zum Thema der aktuellen Walking Conference.

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(Quelle: Facebook)

Ursula Glaeser arbeitet ja schon eine Weile an einem Themenpaket, das sich komplementär zu unserem Fokus auf eine Volkskultur in der technischen Welt beziehen soll. Kultur auf dem Lande, das bleibt schließlich eine brisante Angelegenheit. Und im Zusammentragen usnere Vorhaben zielt das dann auch auf die Gegenwartskunst. Siehe dazu: "Das Talent zur Kunst?" [link]

Ich brauche in der Sache ein komplexes Netzwerk inspirierter Leute, damit sich die verschiedenen Teilthemen abdecken und komplementär verknüpfen lassen. Ich hab den bisherigen Denk- und Arbeitsprozeß in der Sache schon im Austria-Forum zu reflektieren begonnen. Es geht um eine Zusammenschau von Volkskultur, Unterhaltungsindustrie, Popkultur und Gegenwartskunst. Siehe: [link]

Apropos! Die Provinz und ihre Kultur... Dazu hat die IG Kultur Steiermark eben gezeigt, daß es in unserem Metier flott Richtung voriges Jahrhundert zurückgeht. Es müßte ja allein schon der Hausverstand empfehlen, das Thema Kultur auf dem Lande gerade nicht in der Landeshauptstadt abzuhandeln. Genau das hieße nämlich, ein altes Muster im Verhältnis zwischen Zentrum und Provinz zu reproduzieren.

Dazu kämen kulturpolitische Diskurse der letzen wenigsten 30 (!) Jahre und Arbeitsansätze im Sinn einer Eigenständigen Regionalentwicklung. Die Verwaltung des Landes hat sowas schon realisiert und geht darauf ein, daß man die Provinzleute nicht dauernd nach Graz zitieren, sondern zu ihnen kommen sollte.

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(Quelle: Facebook)

Das fand ich etwa bestätigt, als Ende 2016 in Gleisdorf das "Café Europa" Station gemacht hat, organisiert von der Akademie Graz, die eben unter anderem Fahrten in die Provinz organisiert, um gemeinsam mit Kulturamtsleiter Patrick Schnabl kulturpolitische Agenda vor Ort zu thematisieren; siehe: "Produktives Kaffeekränzchen" [link]

Ausgerechnet die Interessensvertretung der steirischen Kulturinitiativen hält es in der Sache anders. Ausgerechnet im Grazer Forum Stadtpark sollen sich also die Provinz-Leute zu einem Venetzungstreffen einfinden. Das ist schon allein auf symbolischer Ebene so abwegig, daß nur der Mangel an Einwänden seitens der Provinz-Leute noch mehr erstaunt.

-- [Dorf 4.0] --

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