17. April 2017 Ostern
in diesem Jahr, das war mir vor allem: Stille, Blütenduft, Weißwein und Schreibarbeit. Ein
Setting, an dem nichts ausgesetzt werden kann. Dazu kam hauptsächlich nachts: Lektüre.
Außerdem hat die Türkei ein Wahlergebnis erhalten, das ganz Europa zu denken geben muß.
Denken? Naja. So schrieb etwa die Publizistin Ute W. auf Facebook mit Adresse an
die in Österreich wahlberechtigten türkischen Menschen: "Österreich: 73,23 %
Diktaturbefürworter. Geht bitte heim ins Reich."
Das ist inhaltlich vor allem einmal Unfug und läßt
außerdem einen erheblichen Mangel an intellektueller Selbstachtung vermuten. Stand-up
Comedians würden weit härter draufhauen, als ironische Botschaft ist es nicht
geistreich genug. Zeitgemäße Faschismus-Exegese? Leider nein!
Den moderaten wie treffenden Einwand einer Leserin ("Geht
bitte heim ins Reich" ist vielleicht auch nicht das intelligenteste Wording)
quittierte Frau W. mit: "Aber das passendste, auch wenn es schmerzt."
Sie setzte nach: "Was anderes als ein Reich entsteht da eben?"
Ja was? Der vergleich paßt keinesfalls. Es schmerzt? Was
schmerzt, ist nicht das Wahlergebnis (Ich fühle nichts!), sondern das Fehlen von Esprit
und wenigstens halbwegs fundierter Geschichtskenntnis in dieser Behauptung. Ob hier ein
"Reich" entsteht, halte ich derzeit für mehr als klärungsbedürftig.
Es war das Dritte Reich ja kein Reich wie Hitlers
beschworene Vorläufer, das Imperium Romanum und das Heilige Römische Reich
Deutscher Nation, welches Napoleon abgestellt hat. Es war eine kurzfristige (aber zu
lange) Tyrannei, ohne in ihrem Bestand erhebliche Reichweite zu erlangen.
Weiters ist meines Wissens die Phrase "Heim ins
Reich" historische ausgelastet und derzeit ein direkter Vergleich der Türkei
mit Hitler-Deutschland pure Polemik. Überigens kann die Türkei weder mit dem Osmanischen
Reich noch mit einem anderen historischen Reich in aufschlußreicher Weise verglichen
werden. Ich wünschte mir in unseren Debatten des Laufs der Dinge etwas mehr Präzision.
Die Türkei bietet uns freilch eine gute Gelegenheit, um
darüber nachzudenken, wie wir anderen Gesellschaften und Regimen begegnen möchten, die
sich nicht unserer bevorzugten Sicht der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
anschließen möchten. Und zwar ohne diese Andersdenkenden rundheraus für inferior zu
erklären. Das käme einer alten Erhabenheitsübung im Kolonialstil gleich, die uns nicht
gut stünde.
Kabarettist Leo Lukas war so freundlich, aktuelle
Alarmismus-Ausritte mit ein paar Fakten zu kontrastieren. In Zahlen: "In Ö
wurden von hierorts lebenden Wahlberechtigten (die einen türkischen Pass besitzen),
49.052 Stimmen abgegeben. Davon entfielen 36.079 Stimmen auf JA und 12.973 auf NEIN."
Lukas wartet auch mit anschaulichen Relationen auf: "36.079
Stimmen für eine gravierende Verfassungsänderung in der Türkei steht eine
Viertelmillion insgesamt in Ö lebender Menschen mit türkischen Wurzeln gegenüber (und
nein, das ist nicht besorgniserregend viel, sondern bloß rund ein Zweiunddreißigstel
unserer Gesamtbevölkerung)."
Laut Die Presse und anderer heimischer Medien hat
Österreich seit Beginn 2017 "8,77Millionen Einwohner", mit der
Kuriosität: "Im vergangenen Jahr ist die Bevölkerungszahl um nur 73.215
Personen gestiegen. Der Großteil entfiel auf Wien." [Quelle]
Gemessen daran sind 36.079 Menschen, deren Ansichten uns
unliebsam erscheinen könnten, ziemlich unerheblich. Eine Demokratie, welche das Wort wert
ist, sollte damit völlig entspannt zurechtkommen.
Noch skurriler erschien mir dieses Wochenende die Post
einer Dame, mit der man seinerzeit im Kulturbetrieb zu tun hatte und die "nach
Studium der Kunstgeschichte, Kommunikations- & Medienmanagement" ausdauernd
im "PR-und Kommunikationsbereich mit den Schwerpunkten Kultur, Tourismus und
Bildung" tätig ist.
Ein Foto von zwei Männern, die dem Hund auf dem Bild seine
Ohren abgeschnitten haben, quittierte sie mit dem Statement, daß "das
wahnsinnige Schlächter sind und eine einzige Tierquälerei. das würde ich gerne mit euch
machen ihr Verbrecher."
Nun gibt es zwar keinen möglichen Einwand dagegen, derart
obszöne Gewaltphantasien zu haben, denn unser Denken muß frei sein, auch wenn es
sadistische Handlungen inszeniert. Aber den Wunsch, jemanden zu mißhandeln, via
Massenmedium (Facebook) zu promoten, das geht doch eindeutig zu weit und
illustriert außerdem eine diskussionswürdige Einstellung zu derlei Gewalttaten.
Daß ausgerechnet eine Kommunikations- und Medienfachfrau
keine Tau haben sollte, was das Verbreiten von Gewaltphantasien per Massenmedien für
Risken birgt, erstaunt mich sehr. Dieses Staunen hat mir allerdings eine Meldung von
Dichter Stephan Erzberg Eibel gemildert. Der war nämlich "In unserer
Büchersendung erLesen" von ORF III (Kultur und Information) zu Gast, wo
offenbar über Gott und die Welt zu reden war: "Die vorösterliche
erLesen-Sendung beschäftigt sich mit Glaubensfragen, die weit über die Religion
hinausgehen."
Schauspielerin Ulrike B. wurde danach per Meme mit einem
Akt lupenreinen österreichischen Obskurantismus' zitiert: "Ich denke, dass es
nicht diesen einen Gott gibt. Ich glaube an eine Energie, die uns alle speist."
Da möchte man ihr mitten aus dem "Krieg der
Sterne" heraus freundlich zurufen: "Möge die Macht mit dir sein!"
und braucht auch über schlampige Faschismus-Exegese oder Kulturmanagerinnen, die gerne
jemandes Ohren abschneiden würden, nicht mehr beunruhigt zu sein. Das adäquate Kommando
lautet nun vermutlich: Alles Operette! |