16. April 2017

Belfast. Vom Zaungast betrachtet. Außenansichten. Das ergibt Assoziationen, die mich stets denken lassen: Mein Europa! Gegensätze. Es ist nicht harmonisch. Also Belfast. Auch die Unbedarften mögen auf Anhieb unterscheiden, wer da nun die Brits und wer die Paddies sind.

Paddy meint Patrick. Ich habe nachgeschlagen. Gälisch heißt es Pádraig, wie der Nationalheilige von Irland genannt wird. Als ich kürzlich in einem Gleisdorf Pub ein Konferenzchen [link] absolviert habe, waren dort die gesamten Guiness- Bestände des Ladens weggetrunken und kein Tropfen übrig, so daß wir auf Puntigamer angewiesen blieben.

log2349a.jpg (9558 Byte)

Ein banaler Grund: der 17. März ist Saint Patrick's Day. Weltweites Saufen, um einen Heiligen zu ehren? Was für ein Konzept! Ich hab in den letzten Jahrzehnten stets bestaunt, wie konsequent die Konfliktlagen des Bürgerkriegs in Irland mit Kinofilmen bearbeitet wurden.

Es mag einem in der Außenansicht gerade noch gelingen, dabei die Brits und die Paddies zu unterscheiden. Die internen Frontstellungen sind mir dann aber schleierhaft. In Jugoslawien war das so ähnlich; schon ab den 1940er Jahren. Diese innere Zerrissenheit, selbst von Familien.

Was alle Seiten gleich macht, ist die radikale Brutalität mit der solche Konflikte ausgetragen werden; als die großen und kleinen Schlachten wütender Männer auf den Schultern weinender Frauen. Ob südslawische Leute, ob Briten und Iren, egal... In Österreich war es nicht anders. (Aber was wird über den März 1933 noch gewußt?)

Regisseur Yann Demange hat sich auf dieses Thema der eskalierenden Gewalttätigkeit eingelassen. Der Film "71: Hinter feindlichen Linien" (2014) erzählt, wie der junge britische Soldat Gary Hook (Jack O'Donnel) nach Belfast versetzt wird. Im Tumult rund um eine Razzia stirbt ein Soldat in der Menge durch Kopfschuß und Hook bleibt neben ihm versehentlich zurück, als seine Gruppe übestürzt abrückt.

log2349b.jpg (15133 Byte)

Der nächtliche Weg zurück durch feindliches Gebiet, in dem er von irischen Freischärlern gejagt wird, erweist sich für ihn als Zerreißprobe in jeder Hinsicht. Es gibt eine Sequenz, in der Eamon (Richard Dormer), ein vormaliger Militärsanitäter, seine klaffende Wunde grob vernäht. Eamon faßt währenddessen zusammen: "Reiche Ärsche befehlen harten Ärschen, arme Ärsche zu töten. Das ist die Armee. Alles Lüge."

Sind uns Hinweise bekannt, daß je wesentlich edlere Motive zu Kriegshandlungen geführt hatten? Ich hab meine Eindrücke von Belfast [link] aus dem Jahr 2009 nicht überwunden. All die Gewalttätigkeit schien mir immer noch präsent zu sein, in der Luft zu liegen. Ich habe es in Sarajevo mehrfach äähnlich empfunden.

log1464c.jpg (27490 Byte)

Immer werden irgendwo die Kinder zurechtgestellt, die jungen Männer verlockt, gedrängt, gestoßen. Eines der erschütternden Dokumente solcher Kriegstreiberei hat der Schriftsteller Rudyard Kipling verfaßt. Ich hab es hier im Eintrag vom 30. Juli 2011 notiert. Sein Sohn -- "My Boy Jack" --, den er gegen alle Widerstände in die Armee und in den Großen Krieg gedrängt hat, kam nicht zurück:

“Have you news of my boy Jack?”
Not this tide.
“When d’you think that he’ll come back?”
Not with this wind blowing, and this tide.
[...] [Quelle]

Wenn ich mir gegenwärtiges Geschrei in unserem Wohlstands-Reservat anhöre, erstaunt mich die offensichtlich weitreichende Unkenntnis solcher Vorgeschichten. Es ist doch sehr einfach. Wir teilen unseren Wohlstand mit jenen, die nichts haben; oder wir werden unsere Söhne und Tochter belügen müssen, auf daß sie in Waffen gehen, um die Wellen der Habenichtse nach Kräften zurückzuschlagen. Bloß eine weitere Paraphrase von "Reiche Ärsche befehlen harten Ärschen, arme Ärsche zu töten."

Ich weiß schon, es ist recht bequem, mir für solche Überlegungen das Etikett "Guti" anzuheften. Dieses lustige Geschwurbel verebbt einfach nicht. Ich hab dafür ein simples Doppelpack an Fragen vorrätig:
a) Wie viele unserer Kinder könnten wir bewaffnen, um die erträumten Mauern und Zäune zu bewachen?
b) Wie viel tote Söhne und Töchter würde unsere Gesellschaft ertragen, bevor sie auseinanderbricht?

[kontakt] [reset] [krusche]
15•17