25. Februar 2017 Der
Kunstbetrieb als Distinktionsmaschine. Ist das so? Freilich ist das so! Wir
könnten es natürlich auch etwas simpler einrichten. Zum Beispiel über Rangabzeichen.
Einst leisteten Standestrachten vergleichbares. Der Dresscode teilte
jemandes soziale Position mit. Heute mögen wir es raffinierter. Wenn schon Kultur
für alle, dann aber trotzdem schön hierarchisch.
Niki Passath
Hier sieht man Künstler Niki Passath im Kombi von Ursula
Glaeser (KulturBüro Stainz). Wir befanden uns gestern auf dem Weg nach Wien, um
Künstler Robert Gabris zu besuchen. Gabris, von seiner Herkunft ein slowakischer Rom,
erzählte an diesem Abend noch von ganz anderen Distinktionsmerkmalen.
Man möchte gar nicht glauben, wie sehr Europa an allen
Ecken zu unterscheiden beliebt, wer "Die Weißen" sind, im Kontrast zum
Rest. In der serbischen Vojvodina habe ich über "Die Schwarzen" reden
gehört, was Roma meint, ohne daß ein abschätziger Tonfall angeklungen hätte.
Vielleicht ein Nischen-Phänomen, vielleicht dem Umstand geschuldet, daß die Vojvodina
ethnisch gemischt ist.
Aber wenn Du in der Slowakei "Ein Schwarzer"
bist, so Gabris, dann hat das im Alltag enorme Auswirkungen. Sehr unangenehme
Konsequenzen. Ich hab ihn eine Weile angestarrt, um draufzukommen, was denn nun das "Dunkle"
sei, an dem man seine ethnische Zugehörigkeit erkennen könne. Wäre ich ihm so
über den Weg gelaufen, über seine Herkunft nichts wissend, ich nicht auf den Gedanken
gekommen, daß mir hier ein Rom gegenüber steht.
Sind die Slowaken also weißer als wir? Kleiner
Scherz! Ich denke, wir haben es da mit bewährten, altgedienten Konzepten der Abgrenzung
zu tun. Das kennen wir auf unterschiedliche Arten. Ich möchte solche Eigenheiten ganz
ungeschminkt im Blick behalten. Unsere Gesellschaften sind geübt, sich eine Art
Reserve zum Zerschmettern zu halten.
Da geht es um einen Anteil von Mitmenschen, der bei Bedarf
für inferior erklärt und zum Gegenmenschen umgedeutet werden kann.
Spannungsabfuhr. Normalitätskonstruktion. Das Legitimieren eigener Vorteile. Wir wissen,
daß man sich solche Annehmlicheien leistet mag, indem Menschen zur Schlachtbank geführt
werden.
Deshalb nenne ich das Reserve zum Zerschmettern.
Das Rituelle, das Demonstrative ist dabei noch nie zu kurz gekommen. Solche Methoden
ergeben ja zum selben Preis wunderbare Sopektakel. Dazu eignen sich dynamische Elemente,
zum Beispiel Flüchtlinge, derzeit vorzugsweise muslimsiche Flüchtlinge. Oder Fahrende,
die Hauslosen. Dazu kann man aber auch statische Elemente gut gebrauchen, eben
ansässige Minoritäten. (Wie gut eignen sich dann erst seßhaft gemachte Fahrende?)
Robert Gabris
Die Methode ist natürlich nicht bloß in nationaler
Dimension gründliche erprobt und gut eingeführt. Sie bewährt sich ebenso in kleinen
Einheiten, von Gemeinden bis zu Hausgemeinschaften. Polemisch verkürzt: Wir produzieren Delinquenten,
um unsere "Normalität" zu bestätigen. Notfalls verbrennen wir
Delinquenten, um unserem Statusanspruch ein leuchtendes Zeichen zu setzen.
Aber ich war ja gerade noch beim Aspekt des Kunstbetriebes
als Distinktionsmaschine. Das hat uns auf der Fahrt nach Wien beschäftigt. Ich
habe mit Passath schon etliche Jahre zu tun und beobachte seine Arbeit voll Neugier, weil
ich in seinem Vorgehen etwas erwarte, das mir in Fragen der Kunst Neuland verspricht.
Da überschneiden sich nun unsere Themenstellungen. Als
Künstler kann ich die Bedingungen meiner Kunstpraxis nicht ignorieren. Zugleich ist es
keine Aufgabe der Kunst, an diesen Bedingungen etwas zu bewirken. Das wird ja gerne
verwechselt, um uns dann die Kunst zu einem soziokulturellen Reparatur-Set umzukupfern.
Davon halte ich gar nichts.
Niki Passath und Ursula Glaeser
Mag ein Künstler sozial oder politisch engagiert sein, die
Kunst kann das nicht. Anders gesagt, die Kunst engagiert sich nicht, Künstler tun das
mitunter. Das sind nun insgesamt Aspekte, die uns heuer im Kunstsymposion
beschäftigen werden. Einerseits eben Fragen der Kunst, wo wir damit angelangt sind und
was es damit auf sich hat. Andrerseits der Zustand Europas, in dem es sehr dingende Fragen
danach gibt, wie wir es mit Koexistenz zu halten gedenken.
Wo aktuelle Politik den Kunstbetrieb als Distinktionsmaschine
nutzt, wo sich Kreative unterschiedlicher Gewichtsklassen in dieses Spiel einbringen, sind
eben um so dringender auch andere Optionen zu klären.
-- [Das 2017er Kunstsymposion]
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