14. November 2016 Sprache
ist mächtig. Propaganda wirkt. Wir werden ständig mit Botschaften versorgt, die in uns
ein bestimmtes Bild der Welt aufbauen sollen, je nach Quelle der Botschaft unterschiedlich
gefärbt.
Wenn ich mich hier so ausführlich mit den Vorbedingungen
des Ersten Weltkrieges befasse, dann auch im Interesse für die Kontinuitäten
einer Ideologie, die uns immer noch den "soldatischen Mann" als "Held"
empfiehlt und dabei eine derzeit vorherrschende Mänenrkultur in ihren Fundamenten
ideologisch auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts halten.
Quelle: Trailer zu "Kickboxer:
Vengeance"
Haben Sie auf Anhieb eine Vorstellung, woher diese Graphik
stammt? Die finden Sie im Trailer für den Film "Kickboxer: Vengeance" (2016),
in dem Jean-Claude Van Damme eine nächste Generation von heldenhaften Knochenbrechern
trainiert: [link]
Der Trailer deponiert Hinweise auf den Edelmut des
Kämpfers, der einer "gerechten Sache" dient: Ehre, Gerechtigkeit,
Vergeltung für erlittene Schmach. Erstaunlich, wie international, fast universell dieses
Set von nur drei Blättern eingesetzt werden kann.
Jeder Veteran des Ersten Weltkrieges, der sich am
zivilen Leben mit Konflikten rieb und daher den Rückzug in jene Männerbünde suchte, wo
einen Fronterfahrung einte, hätte mit diesen drei Blättern die wesentlichen Punkte
gehabt, um die "Schmach von Versailles", wahlweise Saint Germain,
tilgen zu wollen, was eine der Fahrkarten in den Faschismus war.
Quelle: Trailer zu "Kickboxer:
Vengeance"
Wie soll ich mir erklären, daß wir über ein so knapp
gefaßtes Repertoire an Sinnsprüchen, an "Idealen" verfügen, mit
denen unsere Gesellschaft seit wenigstens 200 Jahren das Auslangen findet, egal, welche
Staatsform gerade vorherrscht?
Die Bilder und Botschaften begleiten uns eben ständig. Die
Empfehlung, ein "Held" zu sein und "Helden" zu sehen
gehört zum Standardrepertoire unserer Massenkultur. Diese Empfehlung wird in
Groschenheften, Romanen und Filmen, an Denkmälern und Plakatwänden ständig
weitergeschrieben.
Ich sollte in dieser Erörterung wohl auch noch darlegen,
aus welcher Position ich schreibe. Es ist die Position eines Unversöhnlichen. Diese Kultur
der soldatischen Männer, wie sie uns aus dem 19. Jahrhundert überliefert ist,
dieses Staatswesen, in dem das Militär als "Schule der Gesellschaft" galt,
all das reicht mit seinen Konsequenzen bis in unserer Gegenwart.
Damit meine ich nicht bloß ein kulturelles Erbe, das sich
politisch und sozial äußern würde. Das hat auch seine Konsequenzen in einer sehr
konkreten physischen Gewalttätigkeit. Die ist keine Domäne der Väter geblieben, sondern
hat auch in den Müttern ein flächendeckendes Personal gefunden.
Quelle: Trailer zu "Kickboxer:
Vengeance"
Meine Erfahrung besagt, Kriegstraumata verdüstern auch die
Leben der nächsten Generationen. Das ist keinesfalls bloß Spekulation. Es gibt heute
genug Klarheit, was die Kinder von Tätern und Opfern mit auf den Weg bekommen haben.
Aus meinem Vater Hubert hätte man einen "Helden"
machen können. Nahkampfspange. Goldenes Verwundetenabzeichen.
Überleben in einem Bewährungsbataillon, einer Einheit, in der Delinquenten
abgefackelt wurden. Todeskommandos. Der Leib verkrüppelt, ein fleischliches Denkmal mit
Aufschriften und Inschriften.
Dieser Leib barg eine tiefe Amoralität und ein unbändiges
Begehren nach großen Gefühlen. Man könnte auch sagen, einen wuchtigen Lebenshunger, der
auf eigentümliche Art mit einer Gewalttätigkeit rang, die ihn schließlich selbst mit
einer Grausamkeit getroffen hat, welche man sich nicht vorstellen möchte.
Aus meinem Vater Hubert hätte man also keinen "Helden"
machen können. Auf keinen Fall! Er hätte das mit Verachtung weggewischt, denn die
Traumata vom Schlachfeld ließen keinen Platz für solchen Mumpitz.
Ich habe später, als erwachsener Mann und diesen Themen
besser gewachsen, mit Kombattanten aus den jugoslawischen Kriegen gesprochen. Da lebt
jeder mit seinen Dämonen vom Schlachtfeld. Das ist irreversibel.
Mein Großvater Karl, der
Bäckermeister
Meine Leute waren keine Mitläufer, sondern Täter. So
starb etwa mein Onkel Viktor, betagt, als aufrechter Nazi. Seine Schwester hatte sich
gerne des schönen Ehemannes gerühmt, der zum engsten Kreis um Mussolini gehört haben
soll.
Schon meine Großväter hatten sich in diesen Systemen
hervorgetan. Der organisierte Antisemit. Der SA-Mann. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Ich halte mich aus diesen und anderen Gründen für einen Insider was die Helden-Sache
angeht. Diese Mischung aus Großspurigkeit, Propaganda und Gewaltbereitschaft...
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