6. November 2016

Der Ort, ein Ensemble der Orte, also primär die Zentrale des High Tech-Unternehmens Ana-U, dessen weiterführende Betriebsstätten bis nach China gestreut sind. Ein Trakt von Schloß Freiberg. Darin die Kanzley als Hauptraum, daneben eine Art Salon, dahinter ein Turmzimmer, der Konvergenzraum.

So komplex die Räume und deren Funktionen zueinander angeordnet sind, war es auch unser Tun an diesem Abend. Chris Scheuer brachte sich plötzlich mit Artefakten aus Indien in die Wunderkammer ein, Winfried Lehmann und Helmut Oberbichler schlossen sich der Debatte über Medienfragen an.

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Ewald Ulrich ist die Schlüsselperson des gesamten Geschehens. Der Mann erweist sich als Angelpunkt in der Verzahnung einer sehr komplexen Entfaltung dieser kollektiven Kulturarbeit. In der Medienfrage waren wir sehr schnell bei
a) der bipolaren Anordnung Text und Bild sowie den Fragen nach deren Konkurrenzverhältnis, vor allem aber bei
b) Überlegungen zu unserer Koexistenz mit neuen Maschinensystemen.

Dabei ist ein zentraler Prozeß die sogenannte Medienkonvergenz, das sich Annähern und in einander Aufgehen vormals völlig getrennter Medientypen. Durch die Digitalisierung können grundverschiedene Darstellungsformen in medialer Vermittlung plötzlich mit den gleichen Maschinensystemen realiserte werden, gestützt auf den gleichen gemeinsamen Code, den Binärcode.

Das hat einerseits problematische Entwicklungen forciert, wo unsere Gesellschaft noch nicht genug Anlaß und Gelegenheit fand, auf diese Digitalisierung sozial und kulturell angemessen zu reagieren. Das hat andrerseits auf fast bestürzende Art neue Möglichkeiten eröffnet, weil im gesamten Medienbereich plötzlich die Equipments erschwinglich wurden und deren Bedienung so viel einfacher, daß man plötzlich nicht mehr auf exklusives und teures Expertenwissen angewiesen blieb, um in den Bereichen Text, Bild und Ton Projekte umzusetzen.

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Aus der Welt vor der Elektrifizierung: Gastgeber Ewald Ulrich führte uns sein altes Harmonium vor, dessen Blasebalg-System mit den Füßen während des Spiels über zwei große Pedale bewegt wird.

Ein Beispiel für den Verweis auf die dringende Frage: Was tun, wenn der Strom, ausfällt? Das heißt, unsere aktuelle Arbeitswelt ist so umfassende auf die Verfügbarkeit von Elektrizität abgestellt, daß ein Fehlen von Konzepten für stromlose Stunden fatal sein kann.

Ich erlebe selbst einen wesentlichen Teil meines sozialen Lebens längst als in die Netze verlagert. Sogar private Beziehungen haben dabei oft einen hohen Anteil an Telepräsenz, die via Web gelebt wird. In der Arbeitswelt ist das ebenfalls Alltagsgeschäft; die Telekommunikation, Teleworking, lebhafte Telepräsenz.

Dabei müssen wir gar nicht erst unsere Kinder kritisieren, deren soziales Leben mit permanenter Smartphone-Stützung uns suspekt erscheint. Zieh den Erwachsenen die Stecker und schau, was passiert ;-)

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Ein wesentlicher Teil der abendlichen Debatte drehte sich um den medialen Einsatz von Text und Bild bei unterschiedlicher Bewertung der gegebenen Manipulationsmöglichkeiten. Publizist Herbert Kampl (auf diesem Foto in der Mitte) legte eine ziemlich ernüchternde Deutung seines Metiers vor.

Das verweist auf eine alte Diskussion rund um den Wert von Literarität, also die Fähigkeit Text zu lesen und zu verstehen, dabei auch Subtext und Kontext zu entschlüsseln. Klar, ein Deutungsgeschäft. Und genau da setzt auch die Manipulationsmöglichkeit an. Umgekehrt, was ist den Menschen möglich, die in einer Massengesellschaft hauptsächlich auf die Rezeption von Bildwelten geprägt sind?

Anders betrachtet, ich bin ein Büchermensch. Eine Leben ohne Bücher will ich mir nicht vorstellen. Text ist für mich also eine ganz wesentliche Quelle von Informationen, aus denen ich mir Wissen erarbeite.

Ist die hohe Bedeutung von Texten als Quelle der Informationen für den Wissenserwerb gefährdet und daher schutzbedürftig? Kann man ihren Bedeutungsverlust feststellen, ohne beunruhigt zu sein, weil heute neue Medienformen ebenso gut leisten, was wir dazu brauchen?

Das hieße ja auch, hier bestünde Klärungsbedarf, was in diesen Belangen bloß Bildungsdünkel seien und wo ernsthafter Bedarf an Bildungsmaßnahmen bestehe.

Vorsicht! Wir kennen wenigstens seit dem 18. Jahrhundert durchaus fragwürdige Entwicklungen, in denen sich gebildete Schichten anmaßen, "ungebildete" Bevölkerungsteile zu belehren, zu bilden. Das hat uns einige sehr kuriose Phänomene beschert, seien es fragwürdige Auffassungen von "Volkskultur", seien es merkwürdige Kategorien wie "Schmutz und Schund".

So waren in meinen Kindertagen Comic-Hefte und Groschenromane als ein Ausdruck von "Kulturschande" geächtet. Die "Schundhefteln" konnten uns ganz praktische um die Ohren gehauen werden. Und das von Menschen, die Readers Digest abonniert hatten, die sich also nicht gerade als Perlen der Lesekultur auswiesen.

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Es ist offensichtlich, daß wir für unsere laufenden Erzählungen Verfahren nutzen, mit denen wir ein halbes Jahrtausend Mediengeschichte durchmessen. Das reicht von Dürers Holzschnitten zu den Graphic Novels. Das reicht vom stromlosen Harmonium zum MP3-Player, der inzwischen in unseren Smartphones aufgegangen ist, die auch als Kameras für Foto und Video nutzbar sind, die x andere Medienanwendungen zur Verfügung stellen.

Ich neige zur Ansicht, daß zeitgemäße Medienkompetenz von einer wenigstens kursorischen Kenntnis dieser Mediengeschichte handeln muß, daß wir Vorstellungen haben sollten, was die Medien sind, waren, wurden, bevor sie in Digitalisierung und Medienkonvergenz aufgingen. Das ist eine der Funktionen unserer Edition Freiberg...

+) Edition Freiberg

-- [Dokumentation] --

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