5. November 2016 Die
vorerst letzte Session im heurigen Kunstsymposion. Tausend Handgriffe, tausend
Worte, tausend Blicke. Das ging bis tief in die Nacht. Was? Na, das:
4.11.2016: Martin Krusche & Chris
Scheuer | Triviale Mythen
Ausstellung und Debatte
Wir gingen von einer Situation kollektiver
Kunstpraxis aus, die inzwischen eine merkwürdige Streuung entwickelt. Dabei entfaltet
sich ein Prozeß, in den nicht nur Kunstschaffende verwickelt sind. Es bekommt jene Art
komplexer Struktur, die ich so mag und die mich stellenweise völlig überfordert.
Es gibt einige gute Gründe, daß wir uns
unserer bevorzugten Mediensituationen vergewissern; was sie sind und was sie taugen, was
uns dabei allenfalls noch (oder wieder) abgeht...
Es gab einen Moment, da rief Graphic
Novelist Chris Scheuer: "Alles ist so scheinbar!"
Das ist ein sehr anregender Satz, wenn man
etwas näher betrachtet, wie analoge und virtuelle Optionen ineinandergehen, um jene
laufenden Erzählungen voranzubringen, die wir einander vorlegen, um greifbar zu machen,
daß wir in einer Welt sind, die von uns wenigstens annähernd verstanden werden kann.
Ich wurde nebenher gefragt, wie ich auf das
halbe Jahrtausend gekommen sei, das im Aviso erwähnt wurde. Es ist bemerkenswert, daß
wir uns Mittel aus so einer langen Zeitspanne verfügbar halten, um unsere heutige
kulturelle Situation medial zu gestalten.
Dabei betone ich Europa, denn wenn ich zum
Beispiel an China denke, dort wurde so manches gemacht, das wir erst fünfhundert oder
tausend Jahre später zuwege brachten. Ich meine Reproduktionstechniken. Es ging mir für
diesen Abend um die Vervielfältigung von Text und Bild, schließlich auch von Tönen und
laufenden Bildern.
Es gibt schon sehr lange Siegel, Stempel, so
allerhand Möglichkeiten zur Vervielfältigung einer Information. Aber erst im 15. und im
frühen 16. Jahrhundert wurden in Europa Holzschnitte gebräuchlich.
Es muß damals ein kulturelle Schock gewesen
sein, daß vor allem einmal Bilder so flott reproduzierbar und verbreitbar wurden. Das ist
dann auch schon die Ära des Aufgehens der Gutenberg-Galaxis. Bewegliche Lettern
revolutionierten das Druckerhandwerk.
Im Jahr 1471 kam Albrecht Dürer zur Welt,
der in Christoph Scheuers Denken und Kunstpraxis eine so anhaltend wichtige Rolle spielt. Das ist einer der Gründe, warum das Zeichen Dürers unser
Veranstaltungs-Poster ziert. Holzschnitte als Drucktechnik, das ist eine magische Praxis.
Sie führt zu einer visuellen Qualität der Blätter, die von jüngeren Techniken nicht
abgelöst werden konnte.
Aber auch die Druckstöcke selbst haben etwas
Beeindruckendes. Ich war erstaunt, welchen Effekt diese hölzernen Artefakte zeigen, wenn
sie als Exponate einer Ausstellung präzise gehängt sind. Das hat mich einigermaßen
überrascht. |
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Es dauerte dann bis zum Ende
des 18. Jahrhunderts, um uns eine neue Drucktechnik zu liefern. die Lithographie.
Der Steindruck, ein Vorläufer des Offset-Druckes. Ich hatte diese
Technik als Kind kennengelernt. In alten Lexika meines Großvaters waren Lithos
von enormer Leuchtkraft der Farben. Diese Blätter sind im Buch mit Seidenpapier bedeckt
gewesen, zeigten mir monströse Tiefseefische.
Ich war damals noch keine zehn Jahre alt, das
ist also eine Weile her. Die Erinnerung an diese dunklen Buchseiten mit den leuchtenden
Fabelwesen ist mir über so lange Zeit intensiv erhalten geblieben.
Als junger Mann hatte ich dann Gelegenheit,
die Herstellung von Lithographien mitzuerleben. Ein Hantieren mit massiven Steinplatten.
Die intensive Körperlichkeit ist offenbar wesentlicher Bestandteil solcher Vorgänge.
Dagegen wirkt Offset mit sein Metallfolien als Träger des zu druckenden Motivs
geradezu ätherisch.
Das sind einige Aspekte der Mediennutzung,
denen wir uns an jenem Abend gewidmet haben. Im Kern steht ganz offenkundig, daß es hier
nicht nur um geistige Prozesse geht, sondern stets auch um körperliche Erfahrungen.
Das ist zugleich ein Anknüpfungspunkt für
Selbstermächtigung. Es macht einen essentiellen Unterschied, ob ich drucken lasse oder
selbst drucke. Dieses Ausloten eines Mediums über eine selbst geleistete Anwendung hat
auch einige Effekte auf die medialen Ergebnisse.
Das ist in unserer Kultur- und Wissensarbeit
von Belang, das prägt unser Medienlabor, die Edition Freiberg...
+) Kuratorium
für triviale Mythen
+) Edition Freiberg
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