2. Oktober 2016 Ursula Glaeser hatte für gestern namens des KulturBüro Stainz zur
ersten Session von Walk The Talk" geladen; einer peripatetischen
Situation und Debatte zum Thema Burka und Krawatte" (Symbole der
Unterdrückung und Symbole der Macht?)
Initiatorin Ursula Glaeser und
Architekt Helmut Hafner
Der Anlaß dazu hat Breite und Lautstärke.
Seit kurzer Zeit lebe ich in einem Land voller Expertinnen und Experten für Den
Islam", den es bekanntermaßen gar nicht gibt. Die weltweite Umma,
Gemeinschaft der Muslime, ist zwar viele Millionen Menschen groß, ist aber keineswegs
eine Gemeinschaft durch Gemeinsamkeit.
Zum Auftakt der Walking
Conference war eine
beeindruckende Treppe zu bewältigen
Schätzungen nennen rund 1,6 Milliarden Muslime, die in
vielen Ländern und Kulturkreisen der Welt leben. Sagt jemand Der Islam",
ist das gerade so präzise, wie uns die Worte Das Christentum" nichts
über mögliche Unterschiede diverser an Rom orientierter Glaubensgemeinschaften sagen,
die sich wiederum von evangelischen oder orthodoxen Gruppierungen unterscheiden, womit
noch längst nicht erschöpfend skizziert wäre, was es da noch alles an christlichen
Formationen gibt.
Wir wissen von vielen sehr verschiedenen Deutungs- und Erscheinungsformen des Islam.
Einige davon sind äußerst problematisch. Einige davon sind der pure Hohn religiöser
Konzepte und auf ganz durchsichtige Art eine provokante Scheinbegründung für
Menschenverachtung und Gewalttätigkeit.
Nun gibt es offenbar seit kurzer Zeit unter meinen Landsleuten einen Boom der
Religionsforscher und kulturinteressierten Menschen, die sich in bloß wenigen Jahren eine
erhebliche Sachkenntnis bezüglich des Islam erarbeitet haben. Frage ich in einzelnen
Begegnungen, woher diese Sachkenntnis kommt, aus welchen Quellen die Leute ihr Wissen
geschöpft haben, höre ich wiederholt: Steht alles im Koran. Hab ich da
gelesen."
Heimo Müller und Katharina Asbäck
So schrieb mir etwa L. K.: Wie ich sehe, Haben
sie niemals den Koran gelesen, also bitte nachholen, dann können wir die Thematik gerne
besprechen, denn für mich ist die Zeit leider zu knapp um nun in die Tiefe zu
gehen." Das wurde mir auf Rückfrage mit dem Foto eines schlanken
Reclam-Heftchens illustriert.
Ich hatte den Koran schon in Händen. Ihn lesen zu wollen
wurde aber ziemlich aussichtslos. Sprachstil und Metaphorik sind so eigenartig, daß ich
an vielen Stellen überhaupt nicht verstand, wovon die Rede sei.
Anders ausgedrückt, man muß schon eine Menge über diese Kultur wissen, um den Koran
lesen zu können und daraus Einsichten zu gewinnen. Das meiste davon wird einem ohne
nennenswerte Vorkenntnisse völlig verschlossen bleiben.
Das sage ich, der ich ein seit Jahrzehnten wißbegieriger und lesehungriger Mensch bin,
also sehr geübt im Umgang mit Lektüre, auch mit sehr kniffligen Texten; aber diese
Lektüre hat mich überfordert.
Martin Krusche (Foto: Heimo Müller)
Daraus schließe ich, daß mich solche Koran-Exegeten
anlügen; zumal einige, von denen ich mehr erfahren konnte, jeden Hinweis auf eine
interessante Hausbibliothek vermissen lassen, mutmaßlich keine belegbaren Leseerfahrungen
von Aussagekraft haben. Manche, wie etwa via Facebook erkennbar, beziehen ihre
Geschichtskenntnisse und kulturellen Auffassungen nicht aus Büchern, sondern aus
Fernsehserien wie Game of Thrones".
Es sind dann zum Beispiel solche Experten, die mir in den Ohren liegen, der Staat möge
ein Burka-Verbot" erlassen und muslimischen Frauen das Tragen von
Kopftüchern verleiden.
Lassen wir beiseite, daß ich es strikt ablehnen muß, den Staat zu derlei Eingriffen in
das öffentliche Leben zu verleiten, denn solche Fragen hat die Zivilgesellschaft auf
zivilem Weg zu klären. Der Staat hat dieser Gesellschaft keinerlei
Bekleidungsvorschriften aufzubürden!
Klären wir vielleicht erst einmal, worum genau es hier geht; und zwar im Sinne einer
Angelegenheit, mit der sich die gesamte Res publica zu befassen habe. Diese
Klärung fehlt mir bisher weitgehend. Schlampiges Dahinreden über kulturelle
Problemfälle kann doch kein Anlaß für Gesetzgebung sein.
+) KulturBüro Stainz [link]
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