9. September 2016 das 2016er kunstsymposion
koexistenz in konvergenz
Um in der Welt zu bleiben
Eine kleine Präambel
Es gab Momente in meiner Biographie, die etwas sehr Mediales
hatten. Sie übermittelten mir eine Botschaft, von der ich markiert worden bin. Diese
Nachricht besagte: Dich soll es nicht geben. Derlei Botschaften können in einem
nicht gelöscht werden. Man kann ihnen bloß widersprechen. Mein ganzes Leben ist ein
Einwand gegen diese Zumutung.
Eine Option des Einwandes gegen Gewalttätigkeit ist
Gewalttätigkeit. Sie ist das primäre Medium solcher Botschaften. Auf Gewalt mir Gewalt
zuantworten hieße aber, sich mit den Tätern zu verbünden, sich ihnen anzuschließen und
sich so einer zweiten Überwältigung auszuliefern, durch welche die erste bekräftigt
wird.
Unsere Kultur hat solche Obszönitäten legitimiert, hat
sie mit bewährten Inszenierungen versehen, mit elaborierten Codes ausgestattet und auf
diesem Weg gesellschaftlich institutionalisiert. Diese bewährte Anordnung gleicht einer
Falle: Täter setzen an Dir eine unerträgliche Zurückweisung, die nur erträglich
gemacht werden kann, wenn Du sie mit den gleichen Mitteln zurückzuweisen vermagst.
Das schließt alle Ausgänge. Diese Gegenstrategie
produziert genau das, wodurch sie ausgelöst wurde. Sie bestätigt und erweitert die
Quelle des Unglücks. Ein Dilemma, das man nicht lösen, sondern bloß hinter sich lassen
kann.
Jene, die wie ich im Kalten Krieg aufgewachsen
sind, erzogen und gezüchtigt von den erfahrenen Barbaren, sollten darüber alle Klarheit
haben, denn Europas Wege von Verdun über Auschwitz nach Srebrenica haben diesbezüglich
keine Geheimnisse offen gelassen. Europa übt sich gerade wieder in der Reproduktion
solcher Gewalttaten und Zumutungen, deren betörender Gesang die Feindseligkeit ist.
Wenn sich ein Dilemma nicht lösen läßt, sondern hinter
sich gelassen werden soll, verlangt das, ein Feld zu verlassen, um ein anderes Terrain zu
finden, zu erreichen, aufzusuchen. Mein neues, mein nächstes Terrain wurde die Kunst. Ein
Feld, wo keine Wahrheiten entstehen, indem man Widersprüche eliminiert. Ein Gebiet, wo
auch Dissens fruchtbar und gewinnbringend ist.
Ich bin ein Kind der Tyrannis.
Ich bin unversöhnlich.
Ich bin ein Fremder.
Die Kunst ist mein Asyl. Da kann alles neu gedeutet werden.
Um in der Welt zu bleiben. Es geht um Koexistenz...
Martin Krusche
-- [Kunstsymposion 2016] -- |