25. August 2016

Bürschchen!

So sprach mich dieser Tage im öffentlichen Diskurs ein Bürschen an, das kaum älter als mein Sohn ist. Ich bin mit aktuellen Jugendkulturen nicht gar so vertraut, so daß ich nur spekulieren kann. Das war wohl eine freundliche Geste. Bürschchen! meint vermutlich etwas wie Kumpel! oder He, Alter!

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(Quelle: Facebook, 23.8.2016)

Im informellen Gespräch mit einem Politiker fand ich diese Woche betätigt, was man annehmen durfte. Wer via Medien über längere Zeit mit Schmähungen, mit Beschimpfungen bedacht wird, nimmt daran Schaden.

Es beginnt früher oder später einen zu zermürben. Das hat verschiedene Auswirkungen. Eine davon ist, daß man eine Schere im Kopf öffnet. Man beginnt zu überlegen, ob man sich mit seinen Ansichten noch exponieren soll, um nicht schon wieder versteckte oder offene Fouls zu kassieren.

Das ist übrigens ein zentrales Ziel von Terror. Weit mehr, als einzelne Gewaltopfer zu fällen, möchte Terror auf das Denken und Handeln von Menschen einwirken, möchte Verhaltensänderungen durchsetzen.

Wenn also etwa ein Bürschchen sich der Massenmedien bedient, um Menschen über längere Zeit mit verächtlichen Botschaften unter Druck zu setzen, ist das ein Dienst am Terror, ist das auf jeden Fall Gewalttätigkeit.

Etwas steht völlig außer Diskussion. Gewalttätigkeit, das ist nicht bloß das Zuschlagen mit der Faust. Wir sind auch in der Lage, mit Worten Gewalt auszuüben. (Wer die Möglichkeit hat, kann überdies per Gestaltung von Strukturen Gewalt ausüben.)

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Das Ego mancher Hassisten schwächelt so sehr, daß ihnen eine simple
Meinungsverschiedenheit solche Angstbilder einflößen kann.
(Quelle: Facebook, "Wir wählen die FPÖ", 18.7.2016)

Die aktuelle Mediensituation hat längst eine neue Art von "öffentlichem Raum" geschaffen. Hier können politische Kontroversen ausgetragen, Ansichten verhandelt werden. Was aber, wenn einer diesen öffentlichen Raum bloß dazu nutzt, um über Andersdenkende herzufallen?

Der virtuelle Hooligan ist keine seltene Erscheinung. Er wird mitunter ein Ego haben, das schwächelnd auf Knien herumrutscht, sich nach Bedeutung verzehrt, sich über ausdauerndes Zuschlagen an anderen Leuten aufzurichten versucht. Auch das ist nicht neu.

So lernen wir die Enkelkinder der SA kennen. Während der Reichsführer SS Heinrich Himmler, eine der düstersten Figuren in Hitlers Buberl-Partie, sich einen Schwarzen Orden geträumt hatte und dabei für die Zugehörigkeit zur Schutzstaffel erhebliche Kriterien im Sinn führte, mußte man für das Fußvolk der Sturmabteilung (SA) nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte sein.

Was tat die SA vorwiegend? Die eigenen Leute einschüchtern und terrorisieren. Den Primat der Tat hochhalten und sich gewalttätig die Kontrolle der Straßen und Veranstaltungssäle sichern. Die Braunhemden waren darauf spezialisiert, Leute zuhause mürbe zu machen, weichzuklopfen.

Den Modus kennen wir demnach. So erleben wir heute die Enkelkinder der SA zwar manchnal auch auf den Straßen oder in Veranstaltungssäle, inzwischen sehr viel häufiger aber in den neuen, den "zusätzlichen öffentlichen Räumen" des Internet.

Sie sind oft vor allem Headline-Trompeter, da sie sich zu ihren bevorzugten Themen mit dem Ausposaunen von Titelzeilen begnügen, wohl auch kaum mehr gelesen haben, um dann auf jeden Andersdenkenden, der Einwände vorbringt, mit Beschimpfungen, Herabwürdigungen loszugehen.

Es ist ja nicht gerade gelingende Kommunikation, wenn sachliche Argumente so quittiert werden: "Ein bisschen ein blauäugiger Depp biste schon, ne?" Oder: "Da du ja anscheinend selbst zum Schnürsenkel-zubindenden nicht ausreichend Qualifikation mitbringst".

Wir sollten es auf der Straße nicht akzeptieren, wenn jemand auf andere einschlägt, wir sollten es auch im "Extrazimmer Internet" nicht hinnehmen.

Der Hassist will keine Debatte, er will sich mit seiner Ansicht durchsetzen und Widerworte zum Verstummen bringen. Selbstverständlich betreibt der geübte Hassist das mit Berufung auf Meinungsfreiheit, wird Dissens als Beleidigung zelebrieren und Einwände als "Zensurversuch" hinstellen.

Das ist alles nicht neu. In den frühen Jahren des WWW kannten wir online die "Flamings" wütender Leute.

Wir lernten den Umgang mit "Trollen", welche stets Sachthemen als Vorwand benutzten, um sich in Online- Gemeinschaften einzunisten und da die Leute zu schikanieren.

Das ist alles ganz banaler Kram, den Netizens, die Bewohner der Netze, ebenso kennenlernen, wie wir auf der Straße manchmal einem Raufbold begegnen können.

Neu sind aber die aktuellen Kategorien- und Quantensprünge im Netz bei nach oben galoppierender Rücksichtslosigkeit der SA-Enkel, kontrastiert von einer wachsenden Ratlosigkeit anderer Menschen, wie diese Form der Gewalttätigkeit im Web zurückzuweisen, einzudämmen sei.

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Post Scriptchen:
Ich hab heute im "Büro für Konspiration und Paranormales" vorbeigeschaut und meine "kleine enzyklopädie der beschimpfungen" aus dem Archiv geholt, abgestaubt, eine "Sonderseite Oliver" angehängt, um eine kleine Auswahl anregender Beschimpfungen zur Nachlese verfügbar zu machen: [link]

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