17. Juli 2016

Terror-Tote in Nizza, ein versuchter Militärputsch in der Türkei, und bei uns grenzenlose Erregung in stillen Stuben. Ob das gerade Ruhe ist? Wir haben es in unserem Land so gemütlich, daß sich viele Leute mit Angsthaben aufmuntern.

Wer nichts zu sagen hat, stöhnt wenigstens theatralisch, seufzt, was sonst niemand zu seufzen wagt: "Wann hört der Terror endlich auf?" Wann haben wir endlich Weltfrieden? Wann werde ich endliche erwachsen sein?

Wir könnten natürlich darüber reden, woran es liegen mag, daß vorzugsweise junge Menschen den Tod einem mühevollen Leben vorziehen.

Ich bin heuer 60 geworden. Haben wir in den letzten Jahren je von sechzigjährigen Terroristen gelesen? Ich jedenfalls nicht. Leute 60 plus finde ich in der Literatur nur als die Instruktoren der jungen Mörder. Das sollte einen etwas nachdenklich stimmen.

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(Quelle: Facebook, 15.7.2016)

Die völkische Irene Z. hat den Seufzer des Tragöden ("Wann hört der Terror endlich auf?") mit einer bestechenden Exegese der österreichischen Verfassung kommentiert: "Dieser Terror hört vielleicht auf wenn die Politik endlich aufhört den Islam als Religion anzuerkennen und auch der Religion und Völkervermischung ein Ende bereitet.Islam und Christentum passt nicht zusammen das müssen diese Besser wissenden und Europa vernichtende Politiker begreifen."

Sie bleibt mir leider Klarheit schuldig, was sie mit "Volk" meint. Staatsvolk? "Kulturvolk"? "Rasse"? Den Erregten kommt inzwischen schon alles durcheinander. Ein verzweifelt um Inhalte ringender Politiker hat uns in diesem Zusammenhang wissen lassen: "Die Migration ist gescheitert!" Die Migration? Gescheitert?

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(Quelle: Facebook, 15.7.2016)

Der Mann ist offenbar nicht die hellste Kerze auf der Torte. Seine Mitteilung vermag uns nichts Sinnvolles mitzuteilen. Nehmen wir an, er wollte statt "Migration" eigentlich "Integration" schreiben, aber mangels Konzentration und sachlicher Zurechnungsfähigkeit ist das mißlungen.

Macht nichts. Das wird flott zurechtgedacht, denn die Träume der Vaterländischen sind ja kein Geheimnis: Das Land, also eigentlich Ländchen, abschotten und den gegebenen Wohlstand genießen. Daß sich sowas schon per se ausschließt, weil Volkswirtschaft keine Hauswirtschaft ist, hat diesen Vaterländischen leider niemand verraten.

Kurz gesagt, Abschottung und Wohlstand gehen nicht zusammen. Aber das ist ein anderes Thema. "Europa braucht endlich dichte Grenzen." fordert der bewegte Mann. Wir hätten derzeit nicht einmal genug Kinder aufgezogen, um solche dichten Grenzen ausreichend mit Peronal zu besetzen.

Wir brauchen nämlich einerseits unsere Kinder, mindestens, um jene Gelder zu erwirtschaften, mit denen wir unsere Pension genießen wollen. (Wie viele pensionierte Leute kommen derzeit auf wie viele erwerbstätige Leute?)

Da uns genau der zunehmend gefährdete Wohlstand ermöglicht, mehrheitlich ziemlich alt zu werden, brauchen wir zweitens eine Menge junge Leute, um uns beizeiten zu betreuen, zu begleiten zu pflegen, wenn wir zu tatterig geworden sind, um das alles selbst zu regeln. Zu all dem sollten sich unsere jungen Leute auch noch um ihre eigene Zukunft kümmern können. Aber wie?

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(Quelle: Facebook, "Wir wählen FPÖ", 10.7.2016)

Statt also derlei Fragen zu klären, verausgaben wir uns vorzugsweise an einer tödlichen Minorität, an einer mörderischen Weltuntergangs-Sekte mit ihren jungen Ministrantinnen und Ministranten. Man muß ja nichts lösen, wenn man sich doch mit psychologische Expertisen wie etwa der von Andreas U. die Zeit vertreiben kann:

"Ich denke, es liegt daran, dass diese linken Gutmenschen krankhaft aufgrund vererbter Kriegstraumatisierung eben Gutmenschen sind u sie einfach die Zusammenhänge zwischen den Strömungen u Entwicklungen NICHT sehen KÖNNEN."

Die Behauptung "Ich denke" zur Einleitung dieses Befundes erscheint mir etwas gewagt. Wollen wir also "Unsere Kultur" plus passende "Werte" verteidigen. Gut. Ich bin dabei. Aber welche Kultur und welche Werte? Wovon handeln diese Ansagen im Detail? Was meint denn das konkret?

"Saufen gegen den Islam" oder demonstratives Essen von Schweinsschnitzeln kann es ja nicht gewesen sein. Ich wünschte, ich hätte in unserer Region mehr Kulturschaffende zur Seite, die uns in den öffentlichen Debatten derzeit zu klären helfen, was denn das sei: "Unsere Kultur".

Ich wünschte, es wäre in der Region auch eine Kulturpolitik wahrnehmbar, auffindbar, die dazu etwas zu sagen hat. Was meinen denn oststeirische Kulturreferenten, worum es derzeit in der Wissens- und Kulturarbeit gehen möge?

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Kürzlich durfte ich mir Nacht für Nacht die Emotionsgeräusche eines Publikums anhören, das sich beim Gleisdorfer Public Viewing an der Fußball-EM erfreute. Ein Feel Good-Festival mit passender Kulinarik, zugleich aber auch eine Feier des Nationalismus, was im Umfeld völlig unkommentiert blieb.

Man bewirtschaftet also diese Fan-Gemeinde, freut sich über vorzügliche Publikumsfrequenz und leistet sich die Gemütlichkeit der Annahme, Fußball habe nichts mit Politik zu tun. Oder? Ist es doch anders? (Massensport, Egoismus, Nationalismus, darüber wäre nachzudenken.)

Wir haben derzeit noch eine Menge Wohlstand, Freiheit und Zukunft zu verspielen übrig. Vielleicht könnten wir langsam darüber zu reden beginnen, was es allenfalls braucht, es nicht zu vergeigen. Das vaterländische Geblöke von "Grenzen dicht machen" und alle befremdlich wirkenden Leute aus dem Land schmeißen bringt uns dabei ja keinen Zentimeter voran.

-- [In der Ebene: Gleisdorf] --

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