11. Juli 2016

Ich habe nun eine Weile die durchaus heimelige Situation erlebt, daß nachts glühende Emotionen von Fußball-Fans in meine Wohnung brandeten, da im Stadtzentrum von Gleisdorf ein Public Viewing der Europameisterschaft angeboten wurde.

Ich meine das nicht ironisch, denn diese aufbrausenden, anbrandenden Chöre der Erregung machen die Innenstadt lebendig und sympathisch. Ich hab derlei jubelhaftes Hintergrundrauschen bei meiner abendlicher Lektüre zu gut gekühltem Schilcher genossen.

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Am Fußball selbst stoße ich mich aber, nein, an seinen Rahmenbedingungen. Mich stört der verlogene Patriotismus, den viele für reale "Heimatliebe" halten, was immer das sein mag, Heimatliebe. Ich halte es für naheliegend, daß man Menschen liebt, ich wundere mich nicht, daß man Dinge liebt, aber ein rein ideologisches Konstrukt wie die "Heimat" zu lieben, das halte ich für kriecherisch.

Was mußte ich mir von den "Neuen Patrioten" in letzter Zeit alles anhören? Sie frönen einer Anhängerschaften, in der man Nationalmannschaften preist, aber das Nationale dabei ethnisch deutet, was Mumpitz ist.

Das meint, viele Fans hängen einer Nationalmannschaft an, aber verachten ebenso lautstark das Multiethnische daran, weil sie national nicht politisch deuten, sondern "kulturell", also nach dem, was sie sich unter Kultur so vorstellen.

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(Quelle: Facebook, "Österreich bleibt
Rot Weiß Rot, 5.29.2016)

Ich nehme als Beispiel die 2016er Nationalmannschaft Deutschlands. Das Team ist hier aufgelistet: [link] Ich greife einige Spieler auf, deren Namen nicht davon ablenken sollten, daß sie ausnahmslos in Deutschland geboren wurden: Jérôme Agyenim Boateng, Emre Can, Sami Khedira, Shkodran Mustafi, Mesut Özil, Leroy Sané und Jonathan Glao Tah.

Als Deutschland im Halbfinale gegen Frankreich unterlag und ausschied, war prompt zu berichten, daß nicht nur gegen multiethnische Nationen und Nationalmannschaften polemisiert werden kann, es wurde auch noch rassistisch.

In Deutschland geboren zu sein, das genügt offenbar nicht. Man müßte auch, ja, was eigentlich genau sein?

AfD-Exponentin Beatrix von Storch demonstriert, daß Nation, Ethnie und Rasse für sie offenbar zusammengehören und daß sie so einem völkischen Ensemble mehr zutraut als einer multiethnischen Crew Deutschlands: "In einem mittlerweile gelöschten Tweet empfahl sie: 'Vielleicht sollte nächstes Mal dann wieder die deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen?'" [Quelle]

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(Quelle: Stern)

Selbstverständlich hat sie das anderntags zurückgezogen, wie es Vaterländische gerne tun. Diese Rituale sind üblich. Erst geht das ungeheuerliche Statement raus, um die Anhängerschaft zu erfreuen, auch zu ermutigen, dann wird relativiert, gelöscht, sich rausgeredet.

Aber die ermutigte Fangemeinde nickt augenwzinkernd. Weshalb? Man rechnet mit kritischen Einwänden, hat sich aber längst eine Privatmythologie gebaut, wonach alle, die einem nicht nach dem Maul schreiben, Lügner seien.

Dieser Mangel an Mumm ist überhaupt ein besonderes Merkmal der Vaterländischen. Sich fett aus dem Fenster hängen und dann diese Jammertöne.

Laut Stern meinte von Storch anderntags: "Und: ich nenne sie weiter Nationalmannschaft. Denn das ist sie, mit allen ihren Spielern. Unsere Nationalmannschaft. Und wenn Bild & Co das Bedauern über den politisch korrekten, weil entnationalisierten Namen als rassistische Hetze abtut, dann ist denen nicht mehr zu helfen."

Es ist ja klar, daß mit der Formulierung "die deutsche NATIONALMANNSCHAFT" genau NICHT gemeint war, was sie tags darauf beteuerte.

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(Quelle: Facebook, Franz B., 11.7.216)

Das Radikale am Status quo ist die enorme Reichweite von Schreihälsen und Radaubrüdern, die keinen Einwand zur Kenntnis nehmen, die Andersdenkende ohne Ablauf attackieren. Das ist ein wachsendes soziales und kulturelles Problem.

Viele Jahre haben wir zur Kenntnis genommen, daß es etwas wie die "Lufthoheit über den Stammtischen" gibt. Das meinte rechtspopulistisch dominierte Debatten an Wirtshaustischen. Das meinte "Volkes Stimme" auf eine Art, die keine rationalen Gründe nennt und diskutiert, sondern einfach Meinungen rausschiebt.

Was halbwegs getreu kolportiert wurde, was teilweise in die Leserbriefspalten Eingang fand, hatte einen beunruhigend hohen Anteil an menschenverachtenden Ausritten gezeigt. Aber es war in seiner Reichweite doch besgrnzt. Mit Social Media, mit breiten und niedrigschwelligen Zugängen zu Massenmedien hat sich diese Situation radikal geändert.

Der aktuelle Wahlkampf in Österreich zeigt, wie gewissenlos da gegen Menschen vorgegangen wird. Das Magazin profil bestätigt aktuell: "Über Facebook kann die FPÖ tatsächlich ein Millionenpublikum erreichen. Mit 350.000 Fans ist Strache der erfolgreichste österreichische Politiker auf Facebook, und zwar mit großem Abstand. Norbert Hofer hat 190.000 Anhänger." [Quelle]

-- [In der Ebene: Gleisdorf] --

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