16. Juni 2016

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wir werden alles gewußt haben!

kürzlich bekam ich eine passage aus einem gedicht von bert brecht zitiert:

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
(aus: "An die Nachgeborenen")

es geht in meinem milieu irritierend zu. viele haben nichts zu sagen, außer es bricht etwas aus ihnen heraus. doch welt-ekel, hingekotzt, ist -- wenn auch ausdruck von diesem etwas -- kein nützlicher beitrag zu einer debatte, sondern eben bloß... erbrochenes.

zum schlimmsten, was ich in meiner umgebung kaum los werde, ist diese galoppierende brutalisierung einer gesellschaft, wie sie sich vor allem in der wortwahl zeigt; bei nutzung von massenmedien.

die medienfrage ist wichtig.

es sollen sich alle denken, was sie wollen. sie sollen es auch sagen können, um vielleicht einwände zu hören. aber sprachliche gewalttätigkeit via massenmedien, so verbreitet und verstärkt, das ist nicht annehmbar.

wie oft habe ich in meinen notizen betont, daß im ganzen 20. jahrhundert den massakern stets ein krieg der worte vorangegangen ist?

die brutalisierung einer gesellschaft über den sprachgebrauch ist eine bewährte methode, um unliebsam gewordene menschen beizeiten für den abschuß zurechtzustellen. wir bewerkstelligen das primär mit sprachlichen mitteln, wenn mitmenschen zu "gegenmenschen" umgedeutet werden sollen.

das wird auch in meinem nächsten umfeld praktiziert, von menschen, die sich leicht empören, wenn man ihnen derlei --- dieses drecksgeschäft der menschenverachtung -- vorhält.

in diesen zusammenhängen habe ich gestern notiert:
"mir hängt solcher wettbewerb der verächtlichkeit zum hals heraus [...] wer so redet, von dem oder der will ich nichts über die welt erfahren."

prompt wurde mir darunter in genau dem von mir abgelehnten sprachgebrauch erläutert, warum einem das dennoch freistehen müsse.

es ist eben diese art der borniertheit, die zu einer selbstgerechtigkeit führt, gemischt mit einem mangel an selbstwahrnehmung, bei gleichzeitig praktizierter menschenverachtung, wie das im vorigen jahrhundert ein mann zu besonderer meisterschaft gebracht hat, auf daß wir wissen mögen, wie man das macht: adolf eichmann.

wer eigenes aufrüsten, vorerst ein sprachliches aufrüsten, mit dem rüstungs-status des gegenübers rechtfertigt und für abrüstung spricht, wenn bloß das gegenüber damit begänne, hat nicht begriffen, was unsere kindertage mit dem kalten krieg ausstaffiert hat und wie dem overkill-potential zu entkommen war.

brecht schrieb im eingangs erwähnten gedicht:

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.


wir haben nämlich alles gewußt und werden noch mehr gewußt haben. nichts am morden und am weg dorthin ist uns ein geheimnis geblieben. abslut nichts.

Facebook-Notiz (Graphik: Der Standard)

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