10. Juni 2016 In meinen Kindertagen, die schon etliche Jahrzehnte zurückliegen, kursierter
der Satz "Glauben heißt nichts wissen". Das war, wenn ich mich recht
erinnere, keine Aussage über religiöse Befindlichkeiten, sondern rügte unsicher
vorgetragene Ansichten.
Inzwischen ist das, was man sich unter "gesichertem
Wissen" vorstellen könnte, etwas aus der Mode gekommen. Seit der Akzeptanz
diverser Eigenheiten der Quantenphysik kann nicht mehr so salopp Wahrheit
behauptet werden.
Ich hab 2010 im Kosovo Polje
nachgesehen. Die Schlacht
war verloren, das Abendland dennoch nicht untergegangen
Auf der Hauptbühne regieren freilich ohnehin
die Privatmythologien. Immanuel Kants Empfehlung, sich seines Verstandes ohne
Anleitung anderer zu bedienen, um selbstverschuldeter Unmündigkeit zu
entkommen, hat in vielen Teilen der Gesellschaft das Zeug zur Lachnummer.
Ich habe bei diesen Überlegungen gerade die
boomende Gemeinschaft der Vaterländischen vor Augen, die zum Beispiel ihre Facebook-Auftritte
mit allerhand Flaggen und Adlern schmücken, garniert mit markigen Ansagen, um ihrer Sorge
Ausdruck zu verleihen, daß man ihnen ihre Kultur nehmen könnte; und das Schweinsschnitzel.
Es geht also gewissermaßen um die Rettung des schweinernen Kulturschnitzels.
Aber was ist denn das, ihre Kultur?
Unsere Kultur? Ich weiß es nicht. Was ich im Alltag aufspüren kann, ist in manchen
Kneipen ein engagiertes Saufen gegen die Islamisierung Europas. Im Kielwasser
solcher Abendlandverteidigung wird dann gelegentlich ein Hund getreten, wahlweise der
Freundin eine reingesemmelt, falls sie Widerworte gewagt hat.
Wie sie sich schließlich einig sind, die vaterländischen
Gesellen, weshalb sie gegen vaterlandslose Gesellen ihre Gläser heben, sind
es natürlich die abendländische Kultur, die Volkskultur und die kulturellen
Wurzeln Europas, auf welche stets Berufung erfolgt. Ja, alls das will gerettet sein,
wenigstens seit die Serben 1389 auf dem Amselfeld bloß ihren eigenen Untergang erlebten,
nicht den des Vaterlandes.
Kosovo Polje: Wo sind jetzt die
Muslime?
Auch die Türkenbelagerungen Wiens, eine 1529,
die andere 1683, haben das Abendland keineswegs wanken lassen. Und Österreich? Du meine
Güte! Fast hätten wir eine Revolution gehabt. 1848. Nichts hat gewankt. Nicht
einmal die verrottete Monarchie. Es war in diesem Wiener Oktoberaufstand wenig
los. Mit solchen Unruhen wußten edle Herren flott abzufahren.
Ich wundere mich eigentlich, daß man dem Ban
Jelacic nur in Kroatien einen Geldschein gewidmet hat, nie aber in Österreich. Er
hat jedenfalls den paar Unbotmäßigen damals das Aufständische schnell ausgetrieben.
Sind uns deshalb die Dschihadis des Daesch
so ein Schreckensbild? Macht uns diese Mischung aus Soldateska, Weltuntergangs-Sekte und
Rabauken-Staat deshalb derartiges Fracksausen, weil wir selbst mehrheitlich solche Himbeerburlis
und Maulhelden sind?
Ich erlebe auf Facebook eine
atemberaubende Großsprecherei, die mir unzivilisierte Phantasien eingibt. Da denke ich
mir dann: Ich gebe zehn von euch Großgoscherten eine Knarre, Munition für jeweils zwei,
und schicke euch einen einzigen schlachtfelderprobten Tschetschenen oder Kosovaren
hinterher. Na, diese Vaterlandsverteidigung würde ich gerne von einem Alpengasthof aus
duchs Panoramafenster beobachten, während ich ein Schweinsschnitzerl und Kartoffelsalat
verzehre.
(Quelle: Facebook,
wir.sind.stolz.auf.oesterreich)
Nein, ich wünsche mir selbstverständlich
keinen solchen Waffengang. Ich wüßte meine großspurigen Landsleute von hausaus
verloren; das mag man ja keinem aufbürden.
Ich möchte damit deutlich machen, daß all
dieses depperte Geblöke plus eitles Waffenklirren im Wohnzimmer Unfug ist und die
aktuellen Probleme nicht mindert. Wir sollten eher mit Bildung, Selbstbewußtsein und
Kompetenz reagieren. (Ah ja, kriegen wir erst wieder nach der Verwaltungs-, Bildungs- und
Pensionsreform nachgeliefert? Na gut!)
Die patriotischen Gesänge erweisen sich
schnell als Kosmetik, als vaterländisches Karaoke. Was steckt dahinter? Ich konnte es
noch nicht herausfinden. Inbrunst und Heimatliebe? Vielleicht. Vielleicht gerade so, wie
man einem Fußballverein anhängt. Das ist leider nicht viel, wenn ich an einen Staat
denke.
Da ich es eigentlich nicht verstehe, bitte ich
um Aufklärung: Wie ist man stolz auf Österreich? Worauf ist man da stolz? Was
bewirkt es in einem, auf Österreich stolz zu sein?
Ich kann nämlich leider nicht feststellen,
daß es dazu führt, das Land, seine Geschichte und seine Kultur auch nur halbwegs
kennenzulernen, sich überdies aktiv dafür zu engagieren; etwa für die Kultur des
Landes. Wie schon angedeutet, ein Saufen gegen die Islamisierung Europas ist
vielleicht doch zu wenig. Gut, wir sind eben grade wieder... in der Ebene. Wird schon
werden...
-- [In der Ebene] -- |