22. Mai 2016

Sie rotzt und schnorchelt, hat eine naturgegebene Grantigkeit und kantigen Witz, ist frei von Höfllichkeit. Ihr Benehmen gleicht einem Maurerhammer im Schlechtwetter. Wie könnte man kein Verehrer von Dirty Harriet sein? Nun habe ich sie als Calamity Jane wieder getroffen. Jane (Sandra Bullock) ist "Die Wahlkämpferin" (2015) unter der Regie David Gordon Green.

Nachdem sie in La Paz auf dem Steißbein das Flugzeug verläßt, kurbelt sie den bolivianischen Präsidentschaftswahlkampf an. Da ist eine Stelle in der ersten Hälfte des Films, die uns deutlich macht, was gut zum heutigen Tag passen könnte, da in Österreich gerade in diesen Stunden ein nächster Bundespräsident gewählt wird.

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Jane sagt: "Wenn Wähler Hoffnung brauchen, nehmen sie immer den Neuen. Aber wenn sie Angst haben, wollen sie einen, der Kriege führen kann."

Wir waren nun so lange ein völlig verwöhnter Haufen, daß wir schon Angst vor der Angst haben. Da war in letzter Zeit viel Gezappel, bei dem man völlig vergessen könnte, daß Selbstachtung auch eine Option wäre.

In der Konfrontation mit Andersdenkenden haben sogar einige Leute aus meinem Umfeld den Wunsch nach dem Auswandern geäußert. Was für ein frivoles Geschwurbel!

Ich lebe in einem Land, dessen Sicherheit, Wohlstand und Freiheit während meiner 60 Jahre Lebenszeit in der Menschheitsgeschichte völlig neu und singulär waren. Ich lebe auf einer Erde, in der fast alles gedeiht und die mehr als eine Ernte pro Jahr möglich macht. Ich kann hier das Wasser sogar aus manchen Flüssen und vielen Bächen trinken. Auswandern? Geht's noch?

Wir waren so bequem, die zynische Losung an Toren wie dem von Auschwitz zu vergessen: "Arbeit macht frei". Der Umkehrschluß hätte uns nie in den wohlfeilen Halbschlaf fallen lassen dürfen, aus dem nun viele aufschrecken und sich die Augen reiben: "Freiheit macht Arbeit".

Wird diese Arbeit nicht ständig getan, hat das eben Konsequenzen. Haben wir sie ernsthaft getan? Offenbar nicht. Anders wäre kaum erklärbar, daß es nun Phrasendrescher so weit bringen konnten, daß die Menschenverachtung im Alltag salonfähig geworden ist; und zwar auf einer neuen, phänomenal breiten Massenbasis.

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In der Hitze dieses Tages war mit der Gleisdorfer Stadtpark ein angenehmes Büro

Wer Facebook und andere Plattformen kennt, wird wissen, was ich meine. Jeder gedankenlose Rüpel, dem an sich und der Welt etwas nicht paßt, kann sich über die gigantische Verstärkeranlage Inernet seine Spannungsabfuhr auf eine Art leisten, daß längst auch die Staatsanwaltschaft reichlich zu tun hat.

Mangelnde Selbstachtung mischt sich mit Weltekel und verkleidet die Ratlosigkeit mit Brutalität. Wir vermissen ausreichende Hemmschwellen, so daß jede kleine Meinungsverschiedenheit genügt, um mißliebige Personen, die sich der eigenen Meinung nicht anschließen wollen, mit Beschimpfungen und Drohungen zu bedenken, daß in manchen Fällen schon die Polizei einschreitet.

Diese emotionale Brutalisierung weiter Teile der Gesellschaft muß man natürlich vorrangig den Täterinnen und Tätern anlasten, von denen wir neuerdings mit einem Fest der Menschenverachtung verwöhnt werden.

Aber die verschwundenen Barrieren gehen auch auf unser aller Konto. Ebenso die fehlende Medienkompetenz, mit der Menschen, denen inzwischen das Gemüt nach einem angestochenen Rottweiler kommt, aufeinanderkrachen, als gäbe es kein Morgen.

Sollten also nun die Vaterländischen viel Ermutigung und staatstragende Legitimation erhalten, was ja im Wesen der Demokratie liegt, daß es so kommen kann, müßten sich Beunruhigte und Beleidigte die Kraft beim Empören sparen, um sich den Aufgaben zu widmen, die wir schon nach Auschwitz finden konnten: Freiheit macht Arbeit.

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