14. Mai 2016

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kurz gesagt: jud!

da schreibt jemand auf ein plakat mit dem bild des präsidentschaftskandidaten van der bellen: "baltischer jud". es steht dem kandidaten praktisch auf die stirn geschrieben. was sagt mir der absender damit?

er sagt mir, daß er alles verachtet, was ihn an reflexionsvermögen übertrifft. würde da "baltischer jude" stehen, hätte schon ein stück differenzierung stattgefunden.

keep it simple! "jud" zitiert ein staatstragendes verbrechersystem, das millionen von menschen einlud, intellektuelle zu hassen und überdies einfach abzuschaffen, was einem mißfällt.

wo es dann an’s morden ging, hat man sich natürlich in legitimation versucht, was etwa zum thema judentum ganze bibliotheken füllte. um das populär zu machen, waren die barbaren freilich auf knappere formulierungen angwiesen, was sich ja bis heute bewährt; zum beispiel, es auf eine griffige einwort-formel herunterzubrechen: "jud".

die eifrigen, jene, denen das doch zu simpel formuliert war, machten daraus "saujud". manchen war das denn doch zu forsch. die sagten, etwas milder, "judenbengel". natürlich haben die leute inzwischen dazugelernt.

wo also jemand "baltischer jud" sagt, zeigt er wenigstens eine profunde kenntnis europäischer geographie, denn das ist komplex. da ist nicht bloß eine nation gemeint, das sind schließlich gleich mehrere baltische staaten.

aber das muß nicht näher ausgeführt werden, das braucht keine debatte, denn "jud" ist so, wie ein modus der witze-profis, die tausende witze kennen, was ihnen das erzählen schon zu mühsam macht, also haben sie ihre witze-repertoire durchnumeriert und rufen einander nur noch zahlen zu.

"37!" "233!" "528!" sie lachen, mal lächeln sie nur oder blicken höflich drein, aber als einer "782" ruft, haut es den anderen vor lachen fast vom stuhl. "was ist los?" "den kannte ich noch nicht."

sehen sie, so geht das mit "jud".

übrigens! daß jene gehaßt werden, die wißbegierig sind, im denken gerne anstrengung in kauf nehmen und auch sätze mögen, die zu verstehen man wenigstens zwei mal lesen muß, das ist keine domäne der vaterländischen und der retter des abendlandes, welche sich eben an der theke zum "saufen gegen den islam" eingefunden haben.

ich erlebe das seit jahren beim gut situierten bildungsbürgertum, daß diese rufe nie verstummen: "mußt du so abgehoben reden? kannst du es nicht einfacher sagen?"

ja. ich könnte. es wird uns grade wieder vorgehüpft: "jud!" damit ist doch alles gesagt.

nein, ich will das nicht. WISSEN hat eine unerbittliche bedingung; nämlich den WISSENSERWERB. der geht manchmal ganz leicht, ist aber andrerseits oft sehr mühsam. zeitraubend. es ist manchmal spiel und manchmal arbeit.

doch davon raten mir längst auch manche kulturschaffende ab. das macht mich nachdenklich. immerhin könnte man sich viel an mühen und zeit ersparen, wenn... doch wofür wollte ich diese zeit dann verwenden? na egal, lassen sie es uns also abkürzen: "jud!"

Facebook-Notiz (Graphik: Chris Scheuer)

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